Welt-Down-Syndrom-Tag 2024

15. Februar 2024

Henri, 21, beim Spaziergang in unserer Toskana - ausgestattet mit allem, was er so braucht.

(Die Fahne hat er nur fürs Foto zur Seite gelegt ;-).

 

 

Eigentlich war der Plan, mit dem heutigen Eintrag an den letzten vom 21. März 2023 anzuschließen... eigentlich. Ich bin zu spät dran und beginne daher mit einem kleinen Bericht aus der Jetzt-Zeit.

 

Henri ist mittendrin in seiner Berufsvorbereitungsphase BVI, die er bei MLL (Miteinander leben lernen) absolviert - noch bis November hat er Zeit, in verschiedenen Tätigkeitsfeldern Erfahrungen zu sammeln, sich selbst auszuprobieren. Diese Maßnahme ist zwar in Trägerschaft einer WFMB (Werkstatt für Menschen mit Behinderung) – umgangssprachlich Behindertenwerkstatt findet jedoch nicht dort, sondern einmal die Woche bei MLL in Saarbrücken und die restlichen Tage in von MLL vermittelten Praktikumsbetrieben statt.

 

MLL beschreibt die Zielsetzung so: Berufsvorbereitung Inklusive versteht sich als Alternative zum Berufsbildungsbereich einer WfMB. Jugendliche können sich in dieser Zeit in mehreren Praktika in unterschiedlichen Berufsfeldern orientieren um ihre Stärken und Neigungen kennen zu lernen. Sie haben am Arbeitsplatz eine persönliche pädagogische Begleitung, die sie auch in ihrer Mobilität und Selbständigkeit fördert und unterstützt.“ ist auf der Website von MLL zu lesen und so ist es tatsächlich. 

 

Im Gegensatz zur Berufsvorbereitung in der Werkstatt, wo die Erfahrungen in verschiedenen Bereichen der Werkstatt gemacht werden, vermittelt MLL die jungen Erwachsenen in "ganz normale" Betriebe wie z.B. Restaurants, Hotels, Kaufhäuser, Gärtnereien u.v.m. Während der Praktika haben sie - anderes als in der Werkstatt - die Möglichkeit, das "normale Arbeitsleben" in Betrieben des ersten Arbeitsmarktes kennenzulernen. 

 

Dennoch handelt es sich für die Menschen mit Behinderung nicht um eine Stelle auf dem ersten Arbeitsmarkt - rechtlich ist es so, als würden sie in der WfMB arbeiten. 

 

Im Laufe des letzten Jahres hat Henri verschiedene Praktika gemacht und ist zu jedem Betrieb gerne gegangen: Zunächst war er in der Jugendherberge in Saarbrücken, danach in der Mensa der Uni in Homburg beschäftigt - beide Male hat er vor allem in der Küche gearbeitet. Danach hat er ein Praktikum im Blumenladen gemacht - auch dort war er richtig zufrieden, was wir dem engagierten Umgang seiner Praxisanleiterin zu verdanken hatten.  Die nächste Stelle war dann in einem Bioladen in Homburg - auch dort hatte er eine tolle Anleitung und dazu noch nette Kundinnen und Kunden. 

 

Seit ein paar Monaten arbeitet Henri wieder im Waldidyll Rabenhorst - einem Hotel, wo er schon während der Schulzeit ein Praktikum absolviert hat. Die Verbindung zum Rabenhorst hat sich in den letzten Monaten so gefestigt, dass Familie Niemeijer nun angeboten hat, Henri nach Abschluss der BVI als Mitarbeiter zu übernehmen. Auch dies wird kein erster Arbeitsmarkt sein, das Hotel fungiert eher als eine Art "Zweigstelle" der Werkstatt. Für uns ist das jedoch zweitrangig und für Henri sowieso. Wir sind sind dankbar, dass Henri nach Abschluss der Berufsvorbereitung neben seinem Zuhause einen weiteren Ort hat, wo er sich wohlfühlt, sich akzeptiert und geschätzt fühlt. 

 

Im Laufe des letzten Jahres ist Henri reifer, "erwachsener" geworden. Er kennt seinen Tagesablauf und ist sehr bewusst und konsequent, wenn es um die Einhaltung von Terminen und Absprachen geht. 

Zweimal in der Woche geht er zum Schwimmtraining, zweimal ins Fitnessstudio, am Wochenende hat er Hip-Hop und Jugendfeuerwehr. Besonders wichtig ist ihm sein wöchentliches Training für die Special Olympics. Vor den Olympischen Spielen Thüringen (wo er Gold gewonnen hat :-) - ich berichte noch darüber) hat er jeden Samstag Stockschießen trainiert und sich sehr verbessert. Seine Disziplin für die neue Saison steht noch nicht fest - wir werden sehen, was ihm gefällt. 

 

Henri hat uns, seit er auf der Welt ist, so oft überrascht - im guten Sinne! Besonders ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht, wie es wohl sein wird, wenn Henri erwachsen ist. Ich war einfach froh, dass er da ist und ein erfülltes Leben hat. Dass er sich nun auch im weiteren Umfeld immer mehr verwurzelt, eigene Veranstaltungen und Interessen hat, erfüllt uns mit Freude und Dankbarkeit. 

 

Und nun: Einen happy World-Down-Syndrom-Day 🌈 

 

P.S. Henri hat es immer noch nicht so mit dem Down-Syndrom... er möchte nicht zwei verschiedene Socken tragen und "das Wort" (Zitat Henri) auch nicht hören. 

 

 

 

 

 

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Unser Video zum ⭐️ Welt-Down-Syndrom-Tag ⭐️ @Elias, bester Bruder ❤️ ... jetzt mit neuem Link, sodass alle das Video auch ohne Anmeldung ansehen können.

 

⭐️ Lieber Henri, wir sind so froh,

dass du, Marie, Elias und Amelie bei uns sind. 🔆

 

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Berufsvorbereitung Inklusive (BvI) bei MLL

Einleitend eine Info für alle, die mit dem Sozialgesetzbuch, insbesondere den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitslebennicht so vertraut sind.

 

Zwischen Förderschule und der geregelten Anstellung in einer WFMB (Werkstatt für Menschen mit Behinderung) – umgangssprachlich Behindertenwerkstatt genannt -  gibt es wie bei Menschen ohne Behinderung eine Zeit der beruflichen Qualifizierung, in der sie auf das Arbeiten in einer Werkstatt vorbereitet werden. 

Die Maßnahmen dauern 27 Monate und finden in der Regel in den WfMB angegliederten Werkstätten statt. Die jungen Erwachsenen versuchen sich in verschiedenen handwerklichen Bereichen (Küche, Druckerei, Näherei, Druckerei…)  und entscheiden nach zwei Jahren, in welcher Werkstatt sie nach der „Ausbildung“ arbeiten möchten. Natürlich gibt es da stets das Ziel einer Eingliederung auf den allgemeinen, sog. ersten Arbeitsmarkt … der Anteil der Menschen, bei denen das gelingt, liegt aber zurzeit im einstelligen Bereich.

 

Henri besucht seit Anfang September 2022 auch eine solche Qualifizierungsmaßnahme in Trägerschaft einer WfBM. Er absolviert die Maßnahme aber nicht bei der Werkstatt selbst, sondern bei einem mit der Beruflichen Qualifizierung beauftragten Bildungsträger, MLL

Berufsvorbereitung Inklusive versteht sich als Alternative zum Berufsbildungsbereich einer WfMB. „Jugendliche können sich in dieser Zeit in mehreren Praktika in unterschiedlichen Berufsfeldern orientieren um ihre Stärken und Neigungen kennen zu lernen. Sie haben am Arbeitsplatz eine persönliche pädagogische Begleitung, die sie auch in ihrer Mobilität und Selbständigkeit fördert und unterstützt.“ ist auf der Website von MLL zu lesen. MLL hat Kooperationen mit Betrieben in unterschiedlichen Bereichen: Restaurants, Hotels, Kaufhäuser, Gärtnereien u.v.m. Die jungen Erwachsenen machen dort Praktika und lernen das normale Arbeitsleben in Betrieben des ersten Arbeitsmarktes kennen. 

 

Wichtig zu erwähnen, weil es oft verwechselt wird: Die rechtliche Stellung der jungen Menschen ist so, als würden sie in einer WfMB arbeiten. Zwar beschäftigen die Betriebe in der Mehrzahl MitarbeiterInnen des ersten Arbeitsmarkts - die Menschen mit Behinderung arbeiten jedoch nicht auf dem ersten Arbeitsmarkt … auch wenn es auf den ersten Blick so aussehen mag.

 

Wir hatten in Henris Schulzeit immer schon den Gedanken, das er später nach Möglichkeit an einem Ort arbeiten kann, in dem es nicht nur, aber auch Menschen mit Einschränkung/Behinderung gibt. Mir fiel es schwer, mir vorzustellen, dass sich Henris Leben vorrangig in den in Deutschland weit verbreiteten „Schutzräumen“ für Menschen mit Behinderung (Förderschule, WfMB) abspielen soll. Dennoch: Wir wollen offenbleiben und immer zuallererst Henri im Blick haben. So kam es ja auch zu unsrer Entscheidung, dass Henri die letzten Jahre der Schulzeit auf einer Förderschule verbracht hat.

 

Die ersten drei Monate bei MLL boten einerseits Raum für das gegenseitige Kennenlernen und Förderung der Gruppenstruktur. Andererseits wurde auch viel geschrieben, zum Beispiel Bewerbungen 😊. Mir gefällt der Umgang mit den Jugendlichen sehr – das Fahrtraining, das ich gestern beschrieben habe, ist nur ein Teil des Konzepts, so viel Selbständigkeit wie möglich anzulegen. 

 

Seit Januar arbeitet Henri in der Jugendherberge in Saarbrücken, er kümmert sich um das Ein- und Ausräumen der Spülmaschine, deckt den Tisch, schneidet Obst und Gemüse. Da er immer noch nicht so richtig gesprächig ist, wird mein Interesse daran, wie so ein Arbeitstag in der Jugendherberge aussieht, leider nicht ganz befriedigt. Es scheint jedoch – wie Henris Betreuer Michael in Telefonaten immer wieder berichtet – gut zu laufen 🤞.

 

Was ich aber sagen kann, dass nun noch einmal mehr Kompetenz im Umgang mit den öffentlichen Verkehrsmitteln gefordert wird. Henri fährt nicht mehr mit dem Sammeltaxi nach Homburg, sondern mit dem Linienbus. In Saarbrücken nimmt er beim Busterminal am Hauptbahnhof eine der Buslinien in Richtung Universität und steigt an der Jugendherberge aus. Bisher ist er (erst) einmal falsch eingestiegen und eine einstündige Runde durch Saarbrücken gefahren. Irgendwann hat er dann bemerkt, dass er wohl den falschen Bus genommen hat … und zum Handy gegriffen. 15 Minuten später kam er wohlbehalten in der Jugendherberge an 👏.

 

Im nächsten Blogbeitrag berichte ich mal etwas von unseren Kindern – seit 2 Monaten sind alle volljährig. Dabei wollten wir doch eigentlich die Zweijährigen oder zumindest Kleinkinder nie ausgehen lassen 😉.

 

 

 

Gestern Abend war es in der Bexbacher Toskana besonders schön - so viel Nebel im Vorfrühling

(19. März 2023)

 

 

 

Alles da: Drachen, Lineal und so ein unglaublicher Himmel -  Schön, dass du bei uns bist, lieber Henri ❤️!

(19. März 2023)

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Was macht der Henri eigentlich? Zum Beispiel nutzt er die öffentlichen Verkehrsmittel

Was macht der Henri jetzt eigentlich? fragen Bekannte und Menschen, die wir länger nicht gesehen haben. Diese Frage bewirkt bei mir regelmäßig einen Stimmungsschub in die richtige Richtung. 

 

Anfang 2020 hatte ich mir hier im Blog erstmals meinen Kummer um Henris Förderung an der Förderschule von der Seele geschrieben. 

Grundtenor der Beiträge für die, die damals noch nicht hier waren oder sich nicht mehr so gut erinnern:

Henri fühlte sich an der Förderschule sehr wohl (ein ganz großes Plus und eigentlich die Basis von allem anderen), jedoch hatte ich mir die versprochene individuelle Förderung anders vorgestellt. Henri hat dann aber – was die Verbesserung der Kulturtechniken angeht - von den langen Schließ- und Homeschooling-Zeiten profitiert und zu Hause so viel gelernt wie lange nicht – jeden Tag vier Stunden lernzielorientierter Privatunterricht am Esstisch. Die Tage, Wochen und Monate waren für Henri klar strukturiert - mit viel Abwechslung und auch genügend Ruhe und Zeit zum Nichtstun, Kugelbahnbauen, Dick & Doof gucken und Fotos bearbeiten, löschen und neu ordnen. 

 

Wir waren in der Zeit viel draußen und haben statt Fitness-Studio zu Hause Sport gemacht. Es wäre alles gut gewesen, wenn Henri nicht seine Freunde in der Schule und bei der Jugendfeuerwehr, einfach alle seine Kontakte vermisst hätte. Als Einzelkind wäre die Zeit mit seinen Homeoffice-Eltern bestimmt noch schlimmer gewesen ;-). So gab es zumindest längere Besuche der großen Geschwister und dank ausgiebiger Tests und Masken hatten wir trotz vieler Einschränkungen zumindest ein recht intensives Familienleben. 

 

Seit einem Dreivierteljahr liegt die Schulzeit hinter Henri und uns. Ausgerechnet an seinem letzten Schultag, der mit einer kleinen Feier und einem letzten Zusammensein mit seinen KlassenkameradInnen begangen wurde, war ich nach Tagen mir starken Symptomen Corona positiv. Es hat mir leidgetan, Henri an diesem besonderen Tag nicht auch begleiten zu können. Damals konnte er sich nicht vorstellen, nach den Ferien nicht mehr zur Schule zu gehen und Erklärungen über die sich anschließende berufsvorbereitende Maßnahme bei MLL waren für ihn völlig abstrakt und ohne konkreten Inhalt. 

 

Bevor ich in meinem nächsten Blogbeitrag darüber berichte, was Henri jetzt eigentlich macht, beschreibe ich heute erst einmal, wie Hin- und Rückweg nach Saarbrücken sind - denn das ist das erste Erfreuliche 😊.   

 

Schon bevor es bei MLL losging, haben wir erfahren, dass Henri (wie seine Freundin L., ebenfalls DS) erst einmal ein sogenanntes Fahrtraining macht. L. hatte mit der Maßnahme zwei Jahre früher begonnen und ich fand es so klasse, dass sie mit dem Zug nach Saarbrücken fährt – alleine und ohne Begleitung. Ich konnte mir damals kaum vorstellen, dass Henri sich jemals selbständig mit öffentlichen Verkehrsmitteln bewegen könnte. 

 

Als sein Betreuer Michael zu Beginn der Maßnahme auch für Henri das Fahrtraining ankündigte, hatte ich die Sorge, dass es vielleicht bald wieder abgebrochen wird, weil es für Henri eine Stufe zu krass ist. 

 

Michael hatte einen Fahrplan erstellt, nach dem Henri jeden Tag von unserem kleinen Dorf nach Saarbrücken und zurück fahren sollte. 

Am ersten Tag holte Michael ihn bei uns zu Hause an der Haustür ab und ging mit ihm zusammen 5 Minuten Fußweg zur Bushaltestelle. Von dort fuhren sie mit dem Anrufsammeltaxi zum Hauptbahnhof in Homburg und von dort dann mit dem Zug nach Saarbrücken. Vom Bahnhof aus sind es noch 20 Minuten Fußweg bis zu MLL. 

Am Nachmittag ging es dann mit den gleichen Verkehrsmitteln zurück und um 17.00 Uhr kam Henri zum ersten Mal zurück. An zweiten Tag hat Michael bereits an der Bushaltestelle auf ihn gewartet…weil es wirklich gut klappte, wurde die Begleitung immer weiter reduziert und bereits nach zwei Wochen fuhr Henri selbständig mit dem Zug nach Saarbrücken. 

Ihr könnt euch denken, dass nicht immer alles reibungslos lief und Henri auch mal im falschen Zug oder am falschen Bahnhof war … aber er hat sich immer per Handy gemeldet und nach Unterstützung gefragt. Nie hat er bei mir oder Dirk angerufen, sondern immer bei Michael oder seinen KollegInnen. Handyortung und WhatsApp-Video machen es möglich, herauszufinden, wo Henri sich gerade aufhält. Bis auf einen einzigen Vorfall ganz am Anfang ist Henri immer ruhig geblieben und die Zugfahrt am nächsten Tag wieder mit Zuversicht angegangen. 

 

Nach ein paar Wochen und viel Lob von Michael wurde mir bewusst, dass Henri es wirklich geschafft und eine ganz neue Stufe der Selbstständigkeit erreicht hat. Wenn er heute nach Hause kommt, ist er immer gut gelaunt und der Stolz ist nicht zu übersehen … und auch ansteckend 😊. Dann geht er erst mal eine Runde mit Juri – ein Ritual, das beiden guttut. 

 

Wenn ich daran denke, wie er zu Förderschulzeiten (man muss schon sagen) „transportiert wurde“… Der Kleinbus hatte jeweils einen Fahrer und eine Helferin und hielt jeden Morgen bei uns vor dem Haus – die ersten drei Jahre über eine Stunde vor Schulbeginn (bei einer Fahrzeit von nur 15 Minuten). Die Morgenrunde des Busses begann immer bei uns – im Laufe der nächsten Stunde sind dann SchülerInnen aus Orten der Umgebung zugestiegen.

Die wenigen Schritte vom Haus zum Bus ging Henri mit seinem Ranzen auf dem Rücken. Die Helferin nahm ihm den Ranzen ab, verstaute ihn im Kofferraum und half Henri in den Bus. Bei der Rückkunft das Gleiche: Ausstieg aus dem Bus mit Hilfe, Helferin zieht Ranzen auf den Rücken – Eltern nehmen ihn an der Haustür in Empfang.

Diese Hilfe war für mein Empfinden immer völlig überdimensioniert und das Gegenteil von Selbständigkeitstraining. Auf der anderen Seite hatten Fahrer und Helferin bestimmt den klaren Auftrag eines sicheren und risikoarmen Transports und waren immer sehr bemüht. Ich hätte ihnen sagen können, dass Henri weder beim Ein- und Aussteigen noch beim An- und Ausziehen des Ranzens Hilfe braucht – aber ihn einfach zu lassen, wäre mit ihrem Selbstverständnis wohl nicht vereinbar gewesen. Nach anfänglichem Unverständnis über diese „Überversorgung“ gelang es mir bald, das Bemühen der beiden wertzuschätzen und so hatten wir trotz unterschiedlicher Vorstellung davon, was ein Mensch mit Einschränkung braucht, jahrelang ein freundliches Verhältnis zu den beiden. 

 

Die beiden und auch Henris Lehrerinnen würden bestimmt staunen, wenn sie wüssten, wie Henri sich heute fortbewegt. Ich hätte es ja selbst kaum für möglich gehalten, aber wie schon so oft hat Henri uns überrascht. Ich sollte daraus lernen, dass ich ihm immer etwas mehr zutrauen sollte, als mein erstes Bauchgefühl sagt. Wie gut, dass Henri selbst die Zuversicht hat, die mir manchmal fehlt! 

 

Henri und das Sammeltaxi (14. März 2023)

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Nach über zwei Jahren: Es geht weiter ⭐️

Soo lange kommt es mir nicht vor… Seit zwei Jahren habe ich nicht mehr geschrieben, aber der Welt-Down-Syndrom-Tag am 21. März ist Anlass, diesen Blog fortzusetzen und die Website zu aktualisieren. 

 

Manchmal bekomme ich Nachrichten von Müttern, bei deren ungeborenem Kind – wie bei uns vor fast 22 Jahren (fast eine Generation!) - Trisomie 21 und/oder ein Herzfehler festgestellt wurde. Ich freue mich immer, wenn sie mir schreiben, dass henri-mittendrin.de ihnen Mut gemacht hat, sich auf das Leben mit ihrem Kind einzulassen. Vor allem auch deshalb, weil es „zu unserer Zeit“ noch wenig (positive) Informationen gab und es mir selbst bei meiner Entscheidung gegen die Abtreibung geholfen hätte, sehen oder gar erleben zu dürfen, dass das Leben auch nach der Geburt eines behinderten Kinder weitergeht – viel schöner als angenommen. 

 

Auch wenn es auf unserer Seite an anderer Stelle sicher schon steht… wir dachten vor 22 Jahren wirklich, unser „schönes Leben“ sei zu Ende. Die Entscheidung für das Kind, das im Mai 2002 im Alter von 23 Wochen noch keinen Namen hatte, war die richtige. Wer Henri und uns auf unserem Weg begleitet hat, weiß warum. 

 

In den nächsten Blogbeiträgen werde ich berichten, wie es die letzten beiden Jahre weiterging - es gibt viel Gutes und Überraschendes zu berichten 😊. 

 

Liebe Grüße und einen schönen Restsonntag euch allen

 

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Welt-Down-Syndrom-Tag 2021

Nun sind schon seit über einem Jahr 24/7 zusammen. So lange schon besucht Henri die Schule nicht, arbeiten Dirk und ich ausschließlich online. Homeschooling nimmt hier einen breiten Raum ein: Henri hat viel gelernt in diesem Jahr - der ganz auf ihn zugeschnittene intensive Privatunterricht bringt deutliche Lernerfolge zutage :-). Das regelmäßige Lernen und Üben gibt aber auch Struktur, ist Herausforderung und Bestätigung zugleich. Daneben sind wir fast täglich auf unseren ausgedehnten Spaziergängen unterwegs - auch das gibt Struktur und entspannt.

 

Mit den Corona-Regeln und -Kontaktbeschränkungen nehmen wir es weiterhin sehr genau. Weil uns bewusst ist, dass wir eine Corona-Infektion nicht sicher verhindern können, wollen wir zumindest die Mittel, die uns zur Verfügung stehen, bestmöglich nutzen.

Wenn Marie und Elias uns besuchen kommen, halten sie vorher eine Woche strikte Quarantäne, sodass wir uns alle relativ sicher fühlen. In wenigen Tagen steht ein Besuch der beiden an und Henri und Amelie freuen sich schon riesig auf das, was vor einem guten Jahr noch selbstverständlich war - alle zusammen ❤️(@ Henri :-). 

 

Mittlerweile haben Henri, Dirk und ich jeweils eine Impfung. Henri gehört aufgrund der Trisomie 21 zur Priorisierungsgruppe 2 und mit ihm dürfen zwei Kontaktpersonen geimpft werden. Wir haben es so geplant, dass Henri, wenn er nach der zweiten Impfung vollen Impfschutz hat, wieder zur Schule gehen darf. Er freut sich so sehr darauf!

 

Seit Corona ist die Zeit knapper denn je - aus diesem Grunde ist es auch so still hier auf der Seite. Zu Hause  sieht es dagegen ganz aus: Gar nicht still, viel Leben, Kontakt, Diskurs und auch Diskussion. Manchmal wünsche ich mir ein wenig Abstand - und ich glaube, das geht uns allen so.

 

Eigentlich wollte ich euch noch ein paar Fotos aus dem letzten Jahr zeigen - wir waren viel draußen und unterwegs. Aber ich muss es es wieder verschieben. Die Weihnachtskalender für die Verwandtschaft sind auch noch nicht gemacht und werden - wenn überhaupt - bestenfalls Osterkalender 🙈.

 

Zum Welt-Down-Syndrom-Tag ⭐️ grüßen wir euch mit einem kleinen Video, das Elias für Henri erstellt hat. 

 

 

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neun Corona-Monate später ⭐️ Ein Weihnachtsgruß ⭐️

Es muss an Corona gelegen haben, dass es hier so lange still war.

Die letzten Monate waren eine ganz neue Erfahrung für uns alle. Seit März war Henri genau eine Woche in  der Schule. Leider sind die Infektionszahlen nur kurz nach Henris vorsichtigem Wiedereinstieg im Oktober wieder so sehr ins die Höhe gegangen, dass uns ein Schulbesuch nach Gesprächen mit Hausärztin und Kinderkardiologin zu riskant erschien. Weil Dirk und ich von zu Hause und online arbeiten, ist die Betreuung  in unserem Falle leicht zu regeln. Dirk macht seine Vorlesungen nur noch online (er hat jetzt endlich sein eigenes Büro :-) und auch ich bin ganz auf Online-Unterricht umgestiegen. Nur Amelie hat ein (den Umständen entsprechendes) "normales" Leben - schon seit Pandemiebeginn besucht sie die Schule nur mit FFP2-Maske und hält trotzdem Abstand - drinnen wie draußen.

So viel und lange räumliche Nähe hatten wir noch nie. Die Wohnung in Offenburg steht leer, wir sind fast immer zu viert zusammen. Henri vermisst die Schule, seine Schulfreunde, seine Feuerwehr, das Hip-Hop und... soo sehr den Schulbus. Seit 9 Monaten ist er von früh bis spät (und es wird immer später) mit uns zusammen. 

In der Gestaltung (s)eines Tagesplanes werden wir immer besser. Handy- und Laptop-Zeiten wechseln sich ab mit regelmäßigen Spaziergängen, Lernen und einem täglichen Sportprogramm, das ihm endlich etwas von dem sehnlichst erhofftem Muskelzuwachs bringt ;-).

Wir alle versuchen, das Beste aus dieser Situation machen, wobei das Einhalten der Regeln und Kontaktreduzierungen uns vielleicht ein bisschen leichter als anderen fällt. Denn neben der Solidarität mit dem Ganzen (der Gemeinschaft aller Menschen in unserem Land, zu denen eben auch viele verletzliche und besonders schützenswerte gehören), haben wir auch eine persönliche Betroffenheit. Uns geht es ganz konkret auch um Henris Schutz: Er hat schon so viele schwere und auch kritische Situation heil überstanden und es ist uns wichtig, sein Risiko so klein wie möglich zu halten. Dass wir selbst -  allein aufgrund unseres Alters - mittlerweile auch zur Risikogruppe gerechnet werden, kommt noch hinzu. Die Einschätzung, wie gefährdet Henri ist, schwankt von Monat zu Monat ... von Arzt zu Arzt ... und es gibt auch Ärzte, die es heute anders sehen als vor ein paar Monaten. Man könnte ihnen vorwerfen, dass sie ihre Meinung immer wieder ändern und sich nicht einig sind. Jedoch sehe ich es so, dass sie das Risiko aufgrund ständig neuer Erkenntnisse neu bewerten. Man weiß eben immer noch viel zu wenig und die Fallzahlen von Kindern mit Down-Syndrom in Kombination mit einem komplexen Herzfehler sind so gering, dass keine validen Schlüsse daraus gezogen werden können. Ich halte es  nicht nur als selbstverständlich, sondern auch notwendig, dass Ärzte und auch Wissenschaftler ihre Meinung ändern dürfen. Letztendlich bleibt die Entscheidung, was wir zulassen, in unserer Hand. Ich empfinde dabei eine große Verantwortung, die mich oft auch drückt. Ständig muss abgewogen und entschieden werden, wie viel Risiko zu verantworten ist und was nicht geht, auch wenn es schmerzhaft ist. Es sind ja nicht nur Henris Kontakte, die es außerhalb der Kernfamilie quasi nicht mehr gibt. Auch Amelie hat Einschränkungen, die wenig andere Jugendliche ihres Alters haben. Außer zu ihrem Freund hat sie seit Monaten keine persönlichen Kontakte mehr. Es ist nicht leicht für sie - umso froher sind  wir, dass sie die gemeinsame Entscheidung zum Schutz ihres Bruders mitträgt.

 

Dieser Heiligabend ist nicht nur erste, den wir nicht zusammen im Schwarzwald verbringen, sondern der erste, bei dem einer fehlt. Für Marie als Online-Studentin war die freiwillige Quarantäne in Tübingen gut zu machen. Als sie vorgestern bei uns ankam, war sie seit zwei Wochen ohne soziale Kontakte. Elias dagegen hatte in Heidelberg leider nicht die Möglichkeit einer ausreichenden Vorquaratäne und schweren Herzens haben wir gemeinsam entschieden, dass er die Weihnachtstage zum ersten Mal nicht mit uns, sondern in Heidelberg mit seiner Freundin verbringt. Aber dank der sozialen Medien werden wir auch heute und die nächsten Tage Verbindung sein und die gemeinsame Zeit hoffentlich im Januar nachholen können. 

 

Die Zeit ist an Heiligabend noch ein bisschen knapper als sonst und bevor ich mich verabschiede, möchte ich euch noch ein paar Fotos aus den vergangenen Monaten zeigen. Wir haben die Sommermonate für noch mehr Spaziergänge und gemeinsame Ausflüge genutzt - einmal war sogar die liebe Oma dabei. 

 

26. April 2020

Homeschooling - Der Schwerpunkt liegt bei uns zu Hause eher auf Lesen und Schreiben, aber manchmal wird auch gerechnet.

 

 

28. April 2020

Bildbearbeitung - eine von Henris liebsten Beschäftigung .-)

 

 

 

9. April 2020

Homeschooling-Projekt: Henri pflanzt Kresse - dass er sie auf seinem Quarkbrot wirklich essen würde, hätten wir nicht gedacht.

 

 

10. April 2020

Wieder ein Homeschooling-Projekt: Wir backen ein Osterlamm 🐑.

 

20. April 2020

Eines der vielen Selfies am Selfiebaum ;-)

 

27. April 2020

Henri liebt Muskelshirts - er sieht damit schon während des Trainings, wie die Muskeln größer und stärker werden :-)

 

31. Mai 2020

 

Der Steinbackofen macht einfach die beste Pizza 🍕😋.

 

 

2. Juni 2020

Das alljährliche Oma-Enkel-Erdbeerernten gehört einfach dazu .

 

21.Juni 2002

Abschlussbild einer Wanderung mit der Familie meines Bruders. Wenn wir mit ihnen wandern, geht sogar Amelie mit :-).

 

 

 

11. Juli 2020 - Wir feiern Omas 82. Geburtstag ❤️.

 

7. August 2020 - Stein am Rhein 🇨🇭

 

8. Juni 2020 - Mit Oma und den Kindern auf meiner geliebten Mainau ❤️.

 

 

 

Eigentlich wollte ich euch hier und noch Henris 18. Geburtstag und andere schöne Momente zeigen. Beim nächsten Blogeintrag hohe ich es nach.

 

Wir wünschen euch allen frohe Weihnachtstage - ob ihr mit euren Lieben und Liebsten räumlich oder "nur" im Herzen zusammen seid. Macht das Beste draus und schaut mit Zuversicht nach vorn. Freut euch an dem, was euch niemand nehmen kann - es gibt so vieles, das uns Glück und Zufriedenheit schenken kann. Genießt sie, die großen und auch die kleinen Glücksmomente. Weihnachtliche Grüße 🎄🎄🎄aus dem Saarland ⭐️⭐️⭐️. 

 

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Welt-Down-Syndrom-Tag #corona #risikogruppe #ausgangsbeschränkung

Der erste Welt-Down-Syndrom-Tag, für den ich kein Plakat, keinen Post, nicht einmal ein Foto vorbereitet habe. 

Die letzten 14 Tage stehen bei uns zu Hause ganz im Schatten von Corona. Dirks Hochschule hat geschlossen und ich habe alle Unterrichte abgesagt. Homeschooling ist angesagt und funktioniert bei beiden Kindern eigentlich ganz gut. Die Klavierlehrerin kommt nicht mehr und Sport findet nur noch innerhalb des Hauses statt.

Als unser Ministerpräsident gestern das Inkrafttreten von Ausgangsbeschränkungen angekündigt hat, waren wir (erst einmal) erleichtert. Er hat mit seinen Maßnahmen eigentlich genau das verordnet, was wir schon seit 10 Tagen in freiwilliger Quarantäne leben. Henri ist aber nicht eingesperrt, er kann sich nicht nur hier im Haus, sondern auch im Garten und vor allem auch auf unseren täglichen Spaziergängen bewegen, als wenn nichts wäre... 

Natürlich ist etwas und das spürt er auch - er hat feinste Antennen für das, was um ihn herum vor sich geht... dabei muss nichts ausgesprochen werden. Wenn er ein bisschen hustet oder sich die Nase putzt, registriert er jeden auch noch so bemüht unauffälligen Blick von mir. Er sagt dann Ich habe mich nur ein bisschen erkältet oder Mama, ich bin nicht krank. Das Wort Erkältung hat seit mittlerweile drei Wochen eine völlig neue Qualität. Vor Corona hatten wir Henri gesagt, dass er sich warm anziehen muss, weil er sich sonst erkältet. Heute ist es umgekehrt und Henri versichert uns der elterlichen Beruhigung willen, dass er nur erkältet ist. 

Wir haben mit Henri besprochen, dass es wichtig ist, dass er sich nicht mit dem Corona-Virus ansteckt. Wir hätten die Gefahr anders nennen können oder womöglich Symptome beschreiben, aber da er Corona zwangsläufigständig hört und liest, ist es wohl besser, das Virus bei seinem richtigen Namen zu nennen. Henri weiß, dass er sehr krank würde, wenn er sich mit dem Virus anstecken würde und hält daher ganz vorbildlich alle Regeln vom richtigen Händewaschen über das Desinfizieren der Hände bis hin zur Niesetikette ganz genau ein. Da er das Haus nur mit uns zusammen verlässt oder mit der Fahne in den Garten geht, sollte es mit dem Abstand eigentlich auch kein Problem geben. 

Wie krank er werden könnte, weiß Henri nicht, aber vermutlich spürt er die Bedrohung. Henri hat das Down-Syndrom und einen komplexen angeborenen Herzfehler und gehört damit ohne Einschränkung zur Risikogruppe, die - wenn es gut läuft - durch die Solidarität der Allgemeinheit geschützt und vor lebensbedrohlichen Situationen bewahrt werden soll. Zur Ausgangsbeschränkung kam es, weil dieser Zusammenhang leider nur einem Teil der Nichtbetroffenen klar ist - mit der Maßnahme sollten auch diejenigen zur Einhaltung der Regeln gebracht werden, die der Meinung sind, Corona ginge sie nichts an, weil in ihrem Falle mit dem sog. milden Verlauf zu rechnen sei.  Eigentlich hatte ich die Erwartung, dass sich endlich auch das Verhalten der Nichtbetroffenen ändert, wenn Vertrauen in die Einsicht der Bürgerinnen und Bürger durch Auflagen ergänzt wird. Aber es gibt trotz Ausgangsbeschränkung immer noch viel zu viele, die meinen, sie sei eigentlich nur für die Risikogruppen gemacht. In der vergangen Nacht wurden im Saarland von der Polizei 25 Corona-Partys (Unwort des Jahres oder zumindest eines davon) aufgelöst und auch in unserer Spielstraße ist von der Ausgangsbeschränkung nicht zu spüren - ganz im Gegenteil, dort ist mehr los denn je 😓. Wenn wir das Haus zum Spazierengehen verlassen oder Henri mit der Fahne in den Garten möchte, muss ich darauf achten, dass Henri gegenüber der Sicherheitsabstand eingehalten wird .... was bei in Gruppen spielenden Kindern nicht einfach ist. Dass ich mich nun einerseits permanent unter Kontrollzwang und andererseits unter Erklärungsdruck für meine Vorsicht fühle, macht die Situation nicht leichter. Ich weiß, dass es gerade vielen Menschen ähnlich geht wie mir - sie sind wie wir besonders betroffen, weil sie (oder ihre Angehörigen) zur #risikogruppe gehören. Alle machen die gleiche Erfahrung wie ich und bitten um mehr Verantwortungsgefühl der Gemeinschaft gegenüber. Die warnenden Stimmen der Risikogruppe werden immer lauter - in Zeitungsartikeln und als Aufrufe in den sozialen Medien - und ich hoffe für sie und Henri, dass sie bald auch die erreichen, die sich jetzt ungeachtet strenger Maßnahmen immer noch sicher zu fühlen scheinen.

 

Ich füge einen Text ein, der die Situation vielleicht etwas anschaulicher schildert und den einen oder anderen zum Nachdenken bringt.

 

DIE Risikogruppe

Immer wieder höre ich in den Nachrichten, DIE Risikogruppe.
Und dann wird von Oma und Opa gesprochen...nach einer kurzen Pause folgen dann eventuell noch chronisch Erkrankte und Immunschwache...Wenn überhaupt. 

Zu Oma und Opa können die meisten von uns noch eine Assoziation herstellen.Man hat seine eigenen Großeltern vor Augen. Klar,würde man Oma oder Opa schützen wollen. Das betrifft zwar einen auch nicht selbst,aber zum Schutze von ihnen,würde man den Kontakt zu ihnen einschränken oder erst einmal aussetzen. 
Chronisch Kranke und Immunschwache hingegen..Ja mein Gott,wer kann das schon sein? Und ganz ehrlich,wenn es so sein soll,dann wären DIE auch von einer Grippe schwer erkrankt oder vielleicht gestorben....
Schlimm,ja, aber wirklich betroffen macht es gefühlt nur wenige,weil die Mehrheit keinen persönlichen Bezug zu DER Risikogruppe hat, außer eben Oma und Opa. 

DIE Risikogruppe- ihr fehlt ein Gesicht.

Es sind nicht nur ältere Menschen,die vom Virus hart getroffen werden könnten. 
Es ist die Mama von 2 Kindern,die gerade die Chemotherapie hinter sich gebracht hat und sich zurück ins Leben gekämpft hat, zu ihren 2 Söhnen und ihrem Mann.Es ist das 8 Jährige Mädchen,welches herztransplantiert ist und medikamentös immunsupprimiert ist,um eine Abstoßung des wertvollen neuen Organs zu verhindern. Es ist der Papa,der an COPD leidet und dessen Lunge bereits alles dafür tut,dass er noch ein,vielleicht zwei Jahre mit seinen Kindern so gut es geht erLEBEN darf.

Sie ALLE sind DIE Risikogruppe. Sie ALLE leben unter uns, mal mehr mal weniger offensichtlich. DIE Risikogruppe ist kein Neutrum, es sind MENSCHEN, mitten unter uns. Dein Nachbar, dein Freund, der Bekannte,Kinder,Jugendliche, Mamas und Papas. Sie ALLE sind auf ihr Umfeld angewiesen,dass ihr Körper stabil bleibt,da sie durch ihre Geschichte bereits anfälliger geworden sind .

Mit DEINEM bewussten Verhalten schützt Du nicht DIE Risikogruppe. Du schützt die MENSCHEN in Deinem Umfeld, und VORALLEM die,die auf DEIN Handeln und DEINE Umsicht angewiesen sind. Du schützt also nicht nur Oma und Opa,sondern auch Laura (die Mama nach der Chemo), Melina (8 Jährige nach Herztransplantation und immunsuprimiert), Michael (Papa mit der Lungenerkrankung COPD) und ALLE anderen,die sich bereits zurück ins Leben kämpfen. Sie ALLE sind auf DICH angewiesen, heute mehr denn je ! 

DIE Risikogruppe beschränkt sich also nicht nur auf Deine Oma und Opa, es ist DEIN Umfeld, was auf DICH angewiesen ist. Laura, Melina, Michael und alle anderen die auf DICH angewiesen sind,werden es Dir danken,dass Du nicht nur DICH schützt, sondern auch sie,damit sie ihren Familien weiterhin erhalten bleiben💖🙏 
Für Dich gesunden Mensch mag es im Alltag etwas Einschränkung sein, für die Risikogruppe kann es über Leben und Tod entscheiden!

Bitte teilt diesen Beitrag,damit die Risikogruppe endlich ein Gesicht bekommt !
Unsere Solidarität ist heute mehr gefragt denn je!

 

Quelle: https://www.facebook.com/jokathy87/posts/2843238729078484

 

 

23. Februar 2020 - Henri beim Fahnenstehen im Garten

Corona ist noch ganz weit weg.

 

23. Februar 2020 : Henri und die Kugelbahn

Henri baut die Bahn vollkommen selbständig und in verschiedenen Varianten nach Plan auf. Ich selbst bekäme nicht mal eine Min-Bahn hin und sein Vater müsste wohl auch erst einmal üben. Henri ist richtig stolz auf sein Können und hat sich gern fotografieren lassen, um seinem neuen Logopäden anhand der Fotos von einer seiner Lieblingsbeschäftigungen im Haus berichten zu können. 

 

8. März 2020 - Wir wandern vom Schlossberg aus nach Kirrberg 

Nachdem Henri bei YouTube eine für ihn neue Sportart entdeckt hat, versucht er nun mit Dirk das Ringen zu üben. 

 

8. März 2020 - In der Fischerhütte stärken wir uns mit einem Heißgetränk für den Rückweg.

Auf dem Foto rechts sieht man Henri in seiner Nichts-hören-wollen-Stimmung ;-).

 

14. März 2020 - Opas Geburtstagsfeier fällt aus und wir wandern durch Wiesental. Die Fotos links und rechts oben sind "Auftragsfotos" : Henri mag Fotos mit der Sonne im Rücken und hat am Sonnenstern so viel Gefallen wie ich. 

 

Meine Eltern und ich waren nicht von Anfang einer Meinung, aber schon eine Woche später gilt im Saarland die Ausgangsbeschränkung und es war sicher die richtige Entscheidung, den Geburtstag abzusagen. Maries Besuch im Saarland sollte eigentlich nur wenige Tage dauern. Am 16. März - ihrem geplanten Abreisedatum -  haben aber nicht nur die saarländischen Schulen geschlossen, sondern auch Maries Uni in Montpellier. Und so sind wir ganz unverhofft auf einmal wieder eine richtige Großfamilie. Nur Elias fehlt - er hat letzte Woche noch in Heidelberg gearbeitet und zu Henris Schutz entschieden, die nächsten Wochen nicht nach Hause zu kommen. So schwer es mir gefallen ist, mich für längere Zeit von ihm verabschieden zu müssen, so froh war ich, dass auch für Elias Henris Gesundheit über allem steht. 

 

15. März 2020 - Wir sind wieder in Kirrberg auf der Höhe unterwegs

Wie traurig, dass wir nicht einfach bei Oma und Opa vorbeifahren können. Zwar ist zu diesem Zeitpunkt noch keine Rede von Ausgangsbeschränkungen, aber der besondere Schutz soll nicht nur Henri, sondern auch den Großeltern zugute kommen. Mittlerweile leben auch sie in freiwilliger Quarantäne und werden von den Kindern mit den Dingen des täglichen Bedarfs versorgt. 

 

17. März 2020 - auf unserer Runde durchs Wiesental

 Position und Haltung von Kind und Hund bestimmt immer Henri ... das ist der Grund, warum alle Henri-Juri-Fotos so ähnlich sind ;-). 

Die Auszeit von Schule und Beruf beschert uns nicht nur Homeoffice und Homeschooling, sondern viel Zeit in der Natur. Auch die Kamera wird gerade wieder richtig genutzt. 

 

 

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Henris Förderung an der Förderschule - Eindrücke, Meinungen, Überzeugungen, Reaktionen und Gegenreaktionen

3. März  (-21. März ... Wieder hat es von Beginn bis zur Fertigstellung des Artikels drei Wochen gedauert.)

Drei Wochen nach meinem Blogartikel zur Förderschule melde ich mich hier zurück und danke erst einmal für so viele unterstützende und bestärkende Kommentare. Nie zuvor hatte ein Artikel eine solche Resonanz - jeder Kommentar hat mir gezeigt, dass es richtig war, diesen Schritt zu tun und dazu zu stehen. Er (und noch viel mehr die Unzufriedenheit und Ratlosigkeit dahinter) brannte mir lange auf der Seele, lag im Magen, machte den Kopf schwer und hat auch im Nachhinein viel freigesetzt - auch schwer Verdauliches. Auch wenn der Beitrag Förderschule, die Zweite und Letzte hieß, muss es nun doch einen weiteren geben ... nicht um meine Kritik zu erweitern, relativieren oder einzelne Aspekte noch einmal besonders zu betonen, sondern um ein paar Worte zu den Reaktionen darauf zu schreiben. 

Es hat mich überrascht, gefreut und oftmals sehr berührt, wie engagiert und manchmal sehr persönlich mein Beitrag kommentiert wurde. 

Einige habe mir auch in privaten Nachrichten geschrieben, wie betroffen und traurig sie beim Lesen  des Artikels waren. Mir ging es ebenso, als ich in den Kommentaren von den Erfahrungen anderer Eltern gelesen habe: Was Kindern mit geistiger Behinderung und deren Eltern - zum Teil vor vielen Jahren - widerfahren ist, beziehungsweise auch in diesen Zeiten als ganz normaler Schulalltag  beschrieben wird, ist erschütternd. Ich wünschte, dass diese Erfahrungsberichte mit großer Offenheit aufgenommen würden, insbesondere auch von den sog. Inklusionsskeptikern. Nicht alle, die von schlechten Erfahrungen berichten, sind dogmatische Inklusionsfanatiker (wie sie oft abwertend genannt werden) - es sind Eltern, die unglücklich sind mit der Förderung ihres Kindes und kein Gehör für Ihre Sorgen und noch weniger für Ihre Forderung nach Bildung  finden. Schaut euch an, wie ähnlich die Kommentare Betroffener sind: Was Andrea über ihren Alltag und den Dialog Eltern-Schule im Blindeninternat in den Achtzigern schreibt oder Angela über die Beschulung ihres mittlerweile 46-jährigen Sohnes. Wie intransparent es - zumindest für Familien, bei deren Kind Förderbedarf festgestellt wurde - auch an der Regelschule zugehen kann, beschreibt Tanja in ihrer Antwort auf den Kommentar der Förderschullehrerin. Frieda schreibt von ihrem Entsetzen und dass mein Bericht sich eins zu eins mit ihren Erfahrungen deckt. Auch Gaby berichtet, dass ihr Sohn in einer sog. Außenklasse der Förderschule kaum Lesen und Schreiben lernte und ihr von der Lehrerin erklärt wurde, dass man sich am Schwächsten der Klasse orientiere. Erschütternd auch, wasTineD (die mit ihrem Sohn vor zwanzig Jahren die gleichen Erfahrungen gemacht hat) von den Gepflogenheiten in den Transportbussen schreibt - dass ihre Versuche, das Rauchen der Fahrer zu unterbinden öffentlich mit einem Leserbrief mit den folgenden Worten kommentiert wurde: Die Kinder dürfen ja froh sein, dass sie heutzutage nur noch ein bisschen vergast werden. Nein, im Henris Bus wird nicht geraucht - das wäre schon allein aufgrund des Nichtraucherschutzgesetzes nicht möglich. Aber allein der Gedanke daran, wie es  dieser Mutter damals wohl ergangen sein, lässt mich erschaudern. Die Kommentare betroffener Eltern ähneln sich - auch der heutige von Bettina, die beschreibt, dass nicht Lehrer, sondern sie selbst ihrem Sohn das Lesen und Schreiben beigebracht hat. Schlimm auch zu lesen, welche Erfahrungen Diatsi als externe Therapeutin eines Kindes mit Down-Syndrom macht. Wie sie ihren Eindruck hinsichtlich Wertschätzung und Umgang mit Kindern mit Down-Syndrom beschreibt - die Vorstellung von dem Jungen, der Tag für Tag einen Turm baut um ihn am Ende der am Ende der Stunde wieder umzuwerfen ist zum Weinen.

Meine aufrichtige Bitte an alle Förderschullehrerinnen, die hier mitlesen und womöglich den Eindruck haben, dass ich und all die anderen Eltern und Mütter Förderschulen diskreditieren wollen. Seien Sie doch bitte so offen, die Kritik auf sich wirken zu lassen und - was ich als hilfreichste Methode empfände - stellen Sie sich vor, das Kind, für dessen Bildung die Eltern kämpfen, wäre Ihr Kind und ob Sie als studierte Förderschullehrerin die gängige Art des Unterrichts auch für Ihr Kind als die beste ansehen würden. Bestimmt würden auch Sie Ihrem Kind zu Hause reichlich Gelegenheit zum Erlernen lebenspraktischerTätigkeiten geben und wären froh, wenn diese nicht Hauptschwerpunkt der schulischen Bildung wären. 

In vielen Kommentaren wurde nicht nur mangelnde Förderung des eigenen Kindes  beklagt, sondern auch das Bildungssystem im Allgemeinen kritisiert. Danke auch für diese Gedanken, die unsere persönliche Sorge um Henris Bildung in einen breiteren Kontext gestellt haben. Weniger hilfreich finde ich Vorwürfe für unsere Entscheidung, Henri auch im kommenden Schuljahr an dieser Schule zu belassen. Niemand von denen, die uns deshalb - teils in harschen Worten - kritisiert haben, kennt Henri und seine Geschichte so gut, als dass ihm/ihr ein solches Urteil zustände. Was Henris sowohl körperliche als auch seelische Gesundheit und Entwicklung betrifft, sind wir nie den einfachsten Weg gegangen - es war von Beginn an immer ein ständiges Abwägen und Ringen um den besten Weg. Auch wenn wir Kritik an Henris Förderung haben und öffentlich gemacht haben, heißt das nicht, das ein Schulwechsel alternativlos ist. Die Gründe habe ich sowohl im Blog als auch in einem Kommentar ausführlich erläutert - ihr dürft sicher sein, dass wir uns bestmöglich informiert haben und diese Entscheidung (wie alle andere auch) wohlüberlegt war. 

 

 

 

 

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Förderschule - die Zweite (und Letzte)

Nicht nur, weil wir es heute in dem längsten aller Schule-Eltern-Gespräche so vereinbart haben: Dies ist der zweite und zugleich letzte Eintrag zur Thematik Förderschule / Förderbedarf geistige Entwicklung. 

Ich hatte es schon geschrieben - die Sorge um Henris kognitive Förderung und der scheinbar aussichtslose Kampf für mehr Kulturtechniken in der Schule hat mich so sehr umgetrieben, dass ich froh und vor allem erleichtert bin, dass es nun zu Ende ist. Ich hatte geschrieben, weil ich das Gefühl hatte, in der Schule kein Gehör für meine Fragen und Wünsche zu finden. Von unseren Erfahrungen habe ich berichtet, sowohl mit unserer  Förderschule als auch von Erfahrungen und Erkenntnissen in diesem Bildungssystem, zu dem neben Regel- auch Förderschulen gehören. So hat mich die landesweite Regelung hinsichtlich Zeugnissen für geistig behinderte Kinder - ohne zu übertreiben - in meinem Rechtsempfinden erschüttert. Bis ich mich selbst überzeugt hatte, wollte ich nicht glauben, dass Kinder wie Henri nur Anspruch auf ein Jahres-, nicht aber auf ein Halbjahreszeugnis haben. Auch wenn es in meinem Blog möglicherweise nicht so klar formuliert war: Dass unsere Schule für diese Situation keine Verantwortung trägt, sondern nur geltendes Recht umsetzt, war mir bewusst. Ich kann mir denken, dass Nichtbetroffene es möglicherweise für nebensächlich halten - für mich ist es nur ein offenkundiges Indiz, dass in diesem Bildungssystem (wie in vielen anderen Bereichen, erwähnt sei nur die Situation pflegender Angehöriger) noch längst keine Gleichbehandlung herrscht. Falls jemand einen Hintergrund zu dieser für mich nicht nachvollziehbaren Regelung hat, freue ich mich über einen entsprechenden Kommentar. 

Sehr zeitnah hatten wir heute ein Gespräch in der Schule - dass sich sowohl die Klassenlehrerin als auch eine Vertreterin der Schulleitung dreieinhalb Stunden Zeit genommen haben, mit uns nicht nur über den Blogeintrag, sondern auch über unsere Kritikpunkte zu reden, sehe ich als ein positives Signal. Von unserer Seite ist nun alles gesagt - ich hatte mir für den letzten Blogeintrag viel Zeit gelassen und habe den Eindruck, alles, was uns wichtig ist, formuliert zu haben. Für das heutige Gespräch hatte ich nochmals wichtige Punkte zusammengefasst und dankenswerterweise die Gelegenheit, sie alle anzusprechen. Meinem Eindruck nach gilt das auch für die Lehrerin, die ebenfalls ausführlich die ihr wichtigen Grundsätze, ihre Didaktik und auch ihre Kritikpunkte erläuterte. In dem wohl längsten Schule-Eltern-Gespräch aller Zeiten haben wir (oft gegensätzliche) Standpunkte erörtert, um gegenseitiges Verständnis gerungen und auch Missverständnisse ausräumen können. Am Ende war dann - so habe ich es empfunden - alles gesagt und man wird sehen, wie es weitergeht. Auch wenn es anstrengend und - für beide Seiten - immer wieder schmerzhaft war, finde ich es doch gut, dass am Ende jeder die Gelegenheit gehabt hatte, seine Positionen darzulegen und zu vertreten. Uns ist bewusst, dass viele unserer Wünsche Wünsche bleiben werden. Dass wir es geschafft haben, am Ende in versöhnlicher Stimmung und mit der Aussicht auf eine Fortsetzung des Dialogs auseinanderzugehen, stimmt mich zuversichtlich. 

 

Eines noch, weil ich sowohl im Blog als auch heute im Gespräch gefragt wurde, warum wir für Henri keine Alternative zu dieser Schule sehen. Ich hatte es sowohl im Blog als auch in einer Antwort auf einen Kommentar geschrieben. Henri geht - abgesehen vom frühen Aufstehen ;-) - sehr gerne in diese Schule! Er mag seine Lehrerinnen und die Klassenkameraden. Er ist dort gut integriert und hat - im Gegensatz zu inklusiven Schulen - keine Einzelstellung. Er gehört dazu und ist auf dem Pausenhof nicht mehr alleine. 

Kurz: So wichtig uns Kulturtechniken sind - Henris Wohl steht an erster Stelle. Es würde mir das Herz brechen, eine Entscheidung zur treffen, von der ich wüsste, dass sie für Henri vor allem Schmerz und Trauer um das, was er aufgeben musste, bedeuten würde. 

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Keine Halbjahreszeugnisse für G-Kinder / Henris Förderung an der Förderschule

Heute kommt er nun also - der längst überfällige, in mehreren Anläufen entstandene erste Bericht über unsere Erfahrungen an der Förderschule - am 11. Februar ergänzt durch einen verstörenden Vorfall.  Vorab sei gesagt, dass mit Förderschule immer unsere Förderschule gemeint ist bzw. unsere Erfahrungen dort beschreibt. 

Seit mittlerweile 1,5 Jahren besucht Henri eine Förderschule für körperliche und motorische Entwicklung. Die meisten der Kinder, die dort lernen, haben neben ihrer körperlichen auch eine kognitive Beeinträchtigung. So wie Henri, bei dem aufgrund des komplexen Herzfehlers und seiner Rückenerkrankung einerseits und der Trisomie 21 andererseits Einschränkungen auf beiden Gebieten gegeben sind. Zur Erklärung der Begrifflichkeiten: Seit einiger Zeit wird nicht mehr von geistig behinderten Kindern gesprochen, sondern von von Kindern mit einer kognitiven Beeinträchtigung  bzw. Kindern mit Förderbedarf geistige Entwicklung.  Auf die Verwendung bzw. auch Vermeidung bestimmter Begrifflichkeiten bin ich ja bereits im vorletzten Blogbeitrag eingegangen. 

Ich habe lange gezögert, unsere Erfahrungen in diesem Rahmen öffentlich zu machen. Aber jetzt ist die Zeit da für einen Zwischenbericht. Wer kein behindertes Kind hat oder sich im Rahmen einer pädagogischen Tätigkeit mit Teilhabe und Inklusion auseinandersetzt, kann sich nicht vorstellen, wie der Alltag an Förderschulen aussieht und was Eltern wie uns beschäftigt. Natürlich kann ich nur für uns und von unseren Erfahrungen sprechen. Jedoch weiß ich, dass wir damit nicht alleine stehen - ich weiß es von persönlichen Berichten anderer Eltern, aber auch von Blogs, in denen (fast immer die) Mütter von ihren Erfahrungen und Sorgen berichten und andere kommentieren, dass es ihnen ganz genauso geht. Manche kämpfen bis zum letzten Schultag für die Bildung ihrer Kinder - sie reiben sich dabei auf und tun alles, um ihrem Kind das zu ermöglichen, was für jedes Kind ohne Behinderung selbstverständlich ist: Lernen zu dürfen! Und damit die Chance zu bekommen, Kompetenzen zu entwickeln, die für den Rest des Lebens nicht nur im Beruf, sondern auch im Alltag hilfreich sind (Lesen und Schreiben zum Beispiel, darauf komme ich noch). Wie wertvoll diese Möglichkeit zu lernen ist, das lernt man erst richtig schätzen, wenn man wie wir ein Kind hat, bei dem es seitens der Schule auf einmal ganz andere Prioritäten und Maßstäbe gibt. Anders als man es von seinen anderen Kindern (ohne Einschränkung) kennt und u.U. auch anders, als man es in Zeiten einer inklusiven Beschulung erlebt hat. 

 

Der Übersichtlichkeit halber gliedere ich diesen Blogbeitrag und beginne mit den Eckdaten: 

 

1.Klasse und Personal

 

Henri ist in einer Klasse mit sechs Schülern. Es handelt sich um eine - wie die Klassenlehrerin sagt - reine G-Klasse, also Kinder mit einer kognitiven Beeinträchtigung, die aber zusätzlich auch eine körperliche und/oder motorische Beeinträchtigung haben. Die Klasse wird unterrichtet von der Klassenlehrerin (Förderschullehrerin) und einer sog. pädagogischen Fachkraft. Zusätzlich gibt es noch eine Integrationsassistentin, die einer bestimmten Schülerin, die im Rollstuhl sitzt, zugeordnet ist. Sechs Kinder und drei Erwachsene also. Häufig sind Kinder krank, dann verschiebt sich das Verhältnis. Manchmal ist auch eine Lehrerin krank, dann gibt es nur eine Lehrerin und die Assistentin für die gerade anwesenden Kinder.  

 

 

2.Transparenz und Erreichbarkeit

 

Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, dann zuerst (und vor allem anderen!) Transparenz. 

Ich kenne nicht alle Vornamen von Henris Mitschülern, Familiennamen gar keine. Denn es gibt  keine Klassenliste, auf der die Kinder und deren Elternhäuser mit Kontaktdaten zu finden sind. Es gab auch nie ein Angebot, sich auf einer solchen Liste einzutragen. Ich kenne den Grund nicht, aber es könnten (?) Datenschutzgründe sein. Bevor wir Henri an der Schule angemeldet haben, habe ich gefragt, ob ich vielleicht einmal hospitieren und Henri einen Tag begleiten könnte. Aus Gründen des Datenschutzes wollte man dieser Bitte nicht nachkommen. Zu dem Zeitpunkt dachte ich noch, dass es dann aber bestimmt einmal einen Tag der Offenen Tür / ein Gläsernes Klassenzimmer o.ä. gäbe, an dem Eltern die Möglichkeit haben, ein bisschen Schul- und Klassenluft zu schnuppern. Auch das ist an der Schule nicht möglich - als Eltern ist man aber nicht nur deshalb außen vor. 

 

Wie allgemein bei behinderten Kindern (Ich nenne sie jetzt einfach mal so.) üblich, wird auch Henri jeden Morgen zuverlässig von einem Schulbus abgeholt und nach Schulschluss wieder nach Hause gebracht. Der Bus hat neben dem Fahrer noch eine Hilfskraft, die Henri den Ranzen abnimmt und ihm ins Auto hilft. Wenn wir mit Henri unterwegs sind, ist Henri natürlich selbst für seine Sachen zuständig und steigt auch alleine ein und aus. Aber das Buspersonal meint es sicher gut mit den behinderten Kindern und ich wollte diese eigentlich unnötige Unterstützung bis heute nicht kritisieren. Den Bus erwähne ich, weil es aufgrund dieser Einrichtung keinen direkten Kontakt zwischen Eltern und Schule gibt. Wenn Eltern alle angebotenen Termine wahrnehmen, sind sie pro Jahr viermal an der Schule: Einmal zum Elternabend, jeweils einmal pro Halbjahr zum sog. Förderausschuss und außerdem zu dem sehr öffentlichkeitswirksam gestalteten Sommerfest, an dem regelmäßig nicht nur die örtliche Prominenz, sondern auch überörtliche Redner Grußworte an die Gäste richten - zuletzt unser Ministerpräsident. 

 

Es ist an Regel- und Privatschulen allgemein üblich, dass das Elternhaus zu Beginn eines Schuljahres eine Liste mit benötigten Lehrwerken, Heften und Materialien bekommt. Die Eltern besorgen die Sachen und können im Laufe des Schuljahres verfolgen, wie diese Materialien genutzt werden. Zum Beispiel auch, wenn die Kinder Hausaufgaben machen. Was für uns vorher selbstverständlich war, gilt jetzt nicht mehr. Wir können keinen Blick in Hefte oder Bücher werfen oder uns zeigen lassen, was Henri gelernt/ gemacht hat.  An der Förderschule werden die Materialien von der Schule angeschafft und bleiben auch dort - immer. Ich weiß nicht, womit Henri arbeitet und kenne - bis auf eine Ausnahme - kein einziges Buch oder Heft. Ich weiß nicht, mit welchen Büchern er in der Schule arbeitet und auch nicht, ob er Hefte benutzt. Die Ausnahme ist das sog. Erlebnisheft. Darin schreibt Henri zwei- bis dreimal pro Woche in der Schule in wenigen Sätzen auf, was er gemacht hat. Oft bleibt keine Zeit für einen Eintrag oder es reicht nur für einen Satz. Auch zu Hause schreibt er in dieses Heft, dann aber meist ausführlicher - zu Hause scheint mehr Zeit zu sein. Das Schreiben ins Erlebnisheft ist Henris einzige Hausaufgabe - es gibt sonst keine Hausaufgaben. Gäbe es Hausaufgaben, hätte ich mehr Einblick, was er in der Schule gerade macht und könnte es zu Hause mit ihm vertiefen. Hätte er seine Bücher und Hefte  - wie unsere nicht behinderten Kinder -  in seinem Ranzen (den er ja dank Fahrservice nicht schleppen muss), hätten wir (ohne Mehrbelastung der Lehrer) deutlich mehr Einblick in den Schulalltag. Es wären nicht einmal erklärende Worte notwendig. Wie sehr würde ich mich freuen, ich könnte den Ranzen zusammen mit Henri ausräumen und mir zeigen lassen, was er gemacht hat! Alles wäre transparenter, wenn Henri zu Hause über die Schule reden würde. Da er aber so gut wie nichts erzählt, ist die Schule für uns mittlerweile tatsächlich das, was sie nach des Rektors Worten beim Einschulungsgespräch bestimmt nicht ist: Eine Blackbox.

 

Die Kommunikation zwischen Schule und Elternhaus läuft fast ausschließlich über das MIA-Heft (Spiralheft im DIN A4-Format mit jeweils zwei Seiten für fünf Schultage für Mitteilungen, Information und Aufgaben.) Nachdem wir uns mit Henris Klassenlehrerin etwa drei Monate über kurze Mitteilungen im MIA-Heft ausgetauscht hatten und ich den Eindruck hatte, es gäbe ein gewisses Vertrauensverhältnis, habe ich sie nach einer Möglichkeit gefragt, wie ich sie persönlich erreichen kann. Von allen anderen Schulen kenne ich es so, dass wir eine E-Mail-Adresse und/ oder eine Telefonnummer haben, um die Lehrer im Bedarfsfalle erreichen zu können. Man möge mir glauben, dass ich dies nie ausgenutzt habe und mit Anrufen bei Lehrern äußerst sparsam war. Wenn mir etwas auf dem Herzen lag, habe ich es in der Regel in einer E-Mail formuliert und der Lehrerin / dem Lehrer  überlassen, ob sie mich anrufen oder mir lieber schreiben mag. Ich war dabei immer wieder erstaunt und auch dankbar, wie schnell und offen mit meinen Anliegen umgegangen wurde. Auch an Amelies Gymnasium gestaltet sich der Kontakt so, wie ich es von unseren Großen an der Waldorfschule kenne. 

Umso überraschter bin ich, dass Henris jetzige Lehrerin es kategorisch anlehnt, mir auch nur eine Kontaktmöglichkeit zu nennen. Die Lehrer seien über die Schule sehr gut erreichbar und wenn ich ein Anliegen hätte, könne ich mich jederzeit mit dem Sekretariat in Verbindung setzen. Warum dies so strikt gehandhabt wird, wollte ich wissen und habe doch nur die Antwort bekommen, dass dies an der Schule eben so sei. Ich sprach von meinen bisherigen Erfahrungen und versicherte ihr, dass sie sich verlassen könne, dass ich sie ganz sicher nicht belästigen würde - es blieb bei einem Nein. Sie sei über die Schule erreichbar. Sie kenne es auch nur so, an ihrer letzten Schule sei es ganz genauso gewesen. Darüber habe ich mich nur kurz gewundert, denn mir ist schnell eingefallen, dass ihre letzte Schule natürlich auch eine Förderschule war. Daraufhin habe ich in meinem Umfeld bei über zwanzig befreundeten Eltern und Lehrern eine kleine Umfrage gemacht und durfte dabei feststellen, dass mein Wunsch nach der Möglichkeit einer persönlichen Kontaktaufnahme alles andere als abwegig ist. Für andere Eltern ist es normal, die Klassen-/ Bezugslehrer ihrer Kinder erreichen zu können - an der (unserer) Förderschule legen die Lehrer ganz offensichtlich mehr Wert auf Privatsphäre als an anderen Schulen tätige Lehrer. Wobei mir nicht einleuchtet, inwieweit es die Privatsphäre verletzt, wenn man Eltern eine personalisierte Schul-E-Mail-Adresse gibt. Eine solche habe ich nur von der stellvertretenden Schulleitung, aber diese Lehrerin mag ich nicht anschreiben, wenn es um Aktuelles geht. Da ich nicht bereit bin, persönliche Anliegen an eine allgemeine Schuladresse zu schreiben, wird es für uns auch weiterhin nur die Möglichkeit geben,  zu den Öffnungszeiten des Sekretariats bei der Schule anzurufen und um Rückruf zu bitten. 

Wenn ich von der Lehrerin angerufen werde, dann nur anonym - also auf die gleiche Weise, auf die mich Vertreter und Verkäufer kontaktieren. Einmal wurde die Verbindung unterbrochen und in einem ersten Impuls dachte ich mir, ich rufe sie schnell zurück - ging natürlich nicht. Für anonyme Anrufer mit unterdrückter Rufnummer gibt es keinen Rückruf. Ich empfinde diese an der Förderschule offenbar gängige Praxis weniger als persönliche Kränkung, sondern vielmehr als Ausdruck der allgemeinen Haltung den Eltern gegenüber. Wie so vieles andere geht auch die Kontaktaufnahme nur in eine Richtung. Von zwei befreundeten Förderschullehrerinnen (die an allgemeinen Schulen unterrichten) weiß ich, dass es durchaus auch anders sein kann. Sie freuen sich, wenn Eltern interessiert sind an der Förderung ihrer Kinder und schätzen deren Engagement. Für sie sind die Eltern Teil einer guten Förderung und werden daher einbezogen. 

Die strikte Haltung der Lehrerin rührt nicht etwa von einem unsympathischen Wesen - wenn wir sie sehen, ist sie eigentlich immer freundlich und zugewandt. Sie scheint eher der Tatsache geschuldet zu sein, dass an der Förderschule eine ungewöhnlich starre Grenze zwischen Lehrern und Eltern gezogen wird, die durch zu viel Entgegenkommen den Eltern gegenüber aufgeweicht werden könnte. Hier die Lehrer  - dort die Eltern. 

 

! Aktuell - ein Einschub vom 11. Februar 2020, der alles, was ich bisher (vom 15. Dezember bis heute) geschrieben  habe, in einem neuen Licht erscheinen lässt. 

Was mangelnde Transparenz und das Fehlen von Absprachen bewirken können, schildere ich nun an einem Beispiel, das sich heute zugetragen hat. Zunächst und zum besseren Verständnis, der Rahmen des Ganzen. Henri isst jeden Tag im Speiseraum der Schule zu Mittag - das Essen wird von einer Großküche bezogen. An den sog. langen Tagen bekommt Henri ein eigens für ihn zusammengestelltes, glutenfreies Essen. An den sog. kurzen Tagen isst er auch dort, aber nicht das allgemeine Essen, sondern etwas, was ich zu Hause vorbereitet habe, und was dort aufgewärmt wird. Dienstag ist ein kurzer Tag und Henri hatte sich schon am Wochenende Nudeln mit Pesto gewünscht. Wir haben ihm das Essen wie immer in einem Glasgefäß mitgegeben und wegen seiner Vorfreude habe ich mich schon auf sein "Leckeres Essen, Mama!" gefreut...

Als Henri heute nach Hause kam, war er noch wortkarger als sonst und wirkte traurig. Ich fragte ihn, ob es ihm nicht gut gehe und ob er krank oder traurig sei. Sein gutt! war nicht überzeugend, aber es war nichts aus ihm herauszubekommen. Als ich dann das Gefäß auspackte, fiel mir auf, dass es noch ganz voll und unangerührt war. Ich fragte Henri, warum er nichts gegessen habe - er hat immer einen guten Appetit und noch  nie Reste nach Hause gebracht. Aber er stand wie neben sich und gab mir keine Antwort. Ich machte mir Sorgen und rief im Sekretariat, schilderte die Situation und erhoffte mir Klärung. Es war mir ein Rätsel, warum Henri nichts gegessen hat. Die Sekretärin fragte, ob sie vielleicht in der Schule gekocht hätten... Ich gab die Frage direkt an Henri weiter und er nickte, mehr nicht. Bisher ist es einmal vorgekommen, dass die Schüler gekocht haben und die Klassenlehrerin mir zuvor eine Notiz ins MIA-Heft geschrieben hat, dass ich Henri nichts mitgeben müsse. Dieses Mal stand nichts im MIA-Heft: Weder eine Vorankündigung noch eine Notiz, warum Henri nicht gegessen hat. Die Sekretärin sagte, sie lege der Lehrerin, die heute auf Fortbildung gewesen sei, einen Zettel ins Fach. Nach dem Gespräch schaute ich in Henris Erlebnisheft - das Heft, in das er in der Schule und zu Hause einträgt, was er gemacht hat. Heute hat Henri in diesem Heft eingetragen, dass sie Spinat, Püree und Fischstäbchen gekocht haben. Er habe mit M. und M. den Quark gemacht. Unter diesem Eintrag fand ich eine merkwürdige Nachricht der pädagogischen Fachkraft. Das Heft ist nicht für Mitteilungen vorgesehen, es ist Henris Schreibheft und nur er schreibt darin. Für Mitteilungen gibt es das MIA-Heft, in dem diese Woche aber nur eine Info von mir zu finden ist. 

"Henri hat sehr gut gegessen. Er wollte danach noch sein eigenes Essen essen, aber ich habe ihn nicht gelassen. Da flossen dann auch ein paar Tränen. Anscheinend war er der Ansicht, er müßte[sic]sein Essen unbedingt essen u. darf es nicht nach Hause bringen. Liebe Grüße "

Sofort rief ich wieder im Schulbüro, um etwas richtigzustellen. Nie und immer ist Henri der Ansicht, dass er sein Essen nicht nach Hause bringen darf! Eigentlich wollte ich nur richtigstellen, dass ich Henri nicht zum Essen zwingen würde und bat, auch dies der Klassenlehrerin auszurichten. Nachdem ich aufgelegt hatte, brach es dann aus Henri heraus ... er weinte und umarmte mich und endlich verstand ich den Grund für Henris Traurigkeit. Er musste das Essen und die Fischstäbchen essen. Er wollte die Nudeln essen, aber Frau C. habe gesagt, dass er die Fischstäbchen essen müsse. Und dann sagte er noch weinend Fischstäbchen mit Weizen. Wer Henri kennt, weiß, wie diszipliniert er ist. In zahllosen Krankenhausaufenthalten hat er viele schlimme Eingriffe aushalten müssen und ich vermute, das ist der Grund, warum er nie etwas tun würde, wovon wir sagen, dass es ihm schaden kann. Aufgrund seiner Zöliakie rührt Henri kein unbekanntes Essen an, ohne zu fragen, ob es glutenfrei ist. Ich fragte, ob er denn nicht eigene, glutenfreie Fischstäbchen bekommen habe und er verneinte. Dieser Vorfall ist aus meiner Sicht doppelt schlimm. Erstens, weil es ein Unding und pädagogisch indiskutabel ist, ein Kind zu zwingen, etwas zu essen, das es nicht mag - insbesondere, wenn es sich so auf das andere Essen gefreut hat. Dabei noch die strikte und überall vermerkte Zölikie-Diät zu missachten, geht gar nicht. Dass so etwas an einer Förderschule passiert, wo der Betreuungsschlüssel in der Regel besser als bei uns zu Hause ist, ist mir unerklärlich. Zudem finde ich es menschlich enttäuschend, wenn eine pädagogische Fachkraft diese für Henri belastende Situation im Nachhinein so darstellt, als habe Henri die Nudeln nicht essen wollen und sei vielmehr -  ich wiederhole! - der Ansicht, "er müßte[sic]sein Essen unbedingt essen u. darf es nicht nach Hause bringen". Nicht nur, dass meinem Kind Zwang angetan und gesundheitlicher Schaden zugefügt wurde. Es hinterher noch so darzustellen, als sehe das Kind sich gezwungen, das eigene Essen zu essen, weil es von zu Hause so erwartet wird, ist eine unerhörte Verdrehung der Tatsachen. Der heutige Vorfall ist (im Jahr 2020) an keiner anderen Schule denkbar - überall gingen die Eltern gingen auf die Barrikaden, wenn ein Lehrer ihr Kind gezwungen hätte, etwas zu essen, was es nicht mag. Man muss es so offen sagen: Was Henri erlebt hat, konnte nur passieren, weil er geistig behindert ist und seine Interessen nicht ausreichend vertreten konnte. 

Diesen Blogeintrag habe ich bereits im Dezember begonnen und immer wieder ergänzt. Bisher habe ich versucht, mich emotional zurückzuhalten und mich, was die Menschen an dieser Schule betrifft, immer bemüht, das Gute zu sehen. Sie machen vieles anders, als ich es mir wünsche - aber sie meinen es gut... dachte ich. Was heute passiert ist, hätte ich bis heute nicht für möglich gehalten und so kommt es, dass ich die Situation nun auch, was den menschlichen Umgang betrifft,  anders bewerte. Dennoch schreibe ich den Eintrag nicht noch einmal um - nur einen Vermerk werde ich an entsprechender Stelle ergänzen.

3. Der Stundenplan - was Henri lernt

Das ist Henris Stundenplan. Seit diesem Schuljahr ist er in der sog. Werkstufe. Die Werkstufe geht in der Regel über einen Zeitraum von zwei Jahren. Seit dem letzten Elterngespräch, das aber - korrekt ausgedrückt-  kein Elterngespräch, sondern ein sog. Förderausschuss ist, weiß ich, dass sie vor allem dazu dient, die Selbständigkeit der Schülerinnen und Schüler zu vergrößern und sie damit auch auf die Arbeit in der "Behindertenwerkstatt" vorzubereiten. Ich benutze diesen Begriff, weil so auch auf diesem Gebiet unerfahrene Leserinnen und Leser direkt wissen,  was damit gemeint ist - korrekterweise müsste ich Werkstatt für angepasste Beschäftigung sagen.

 

Arbeiten / Praxistag / Einkaufen / Hofdienst 

 

Wie ihr seht, steht das "Fach" Arbeiten jeden Tag auf dem Plan. Auf einem Stundenplan, den uns die Klassenlehrerin beim Elternabend gegeben hat, ist Arbeiten durch Förderunterricht ersetzt. Beim Elternabend, an dem außer uns noch ein Elternteil teilgenommen hat, habe ich mir dazu Klassendienste als Notiz gemacht. Förderunterricht umfasst also vor allem Klassendienste und von daher ist Henris Arbeiten (das er sicher irgendwo abgeschrieben hat) eigentlich ganz zutreffend. Für mich persönlich ist  Förderunterricht mit anderen Inhalten besitzt als Arbeiten oder Klassendienste ... es kommt eben darauf an,  was gefördert werden soll. Für Eltern nicht behinderter Kinder wäre es vermutlich undenkbar, dass ihre Kinder im Rahmen des Förderunterrichts Tafel wischen oder Blumen gießen. Was im Rahmen von Arbeiten bzw. Förderunterricht genau gefördert werden soll, weiß ich nicht. 

 

Aber ich weiß, dass am sog. Praxistag gekocht, genäht und gewerkt wird und zwar (meist) zusammen mit einer sog. Partnerklasse. Die Kinder der Partnerklasse scheinen in etwa das gleiche Alter wie Henri zu haben und manchmal gibt es gemeinsame Aktivitäten. Schon vor Henris Anmeldung haben wir uns interessiert, ob er wohl in die gleiche Klasse kommen wird, in der er auch hospitiert hat. Das konnte zu dem Zeitpunkt aber niemand sagen, denn die Klassen werden jedes Jahr neu zusammengestellt und selbst Angestellte der Schule haben mir gesagt, dass es keine eindeutigen Kriterien gebe, wer in welche Klasse kommt. Man schaut "individuell", wie es passt.

Letztens hat meine Schwägerin mir berichtet, dass sie Henri mit einer Gruppe im Aldi gesehen hat und er sie dort freudig begrüßt habe. Mir hat er noch nie vom Einkaufen erzählt, aber er scheint einkaufen zu gehen.

Ich habe Henri gefragt, was er eigentlich beim Hofdienst macht - und bekam keine Antwort. Natürlich wäre ich - und das muss ich immer wieder betonen - viel besser informiert, wenn Henri zu Hause über die Schule sprechen würde. Er tut es aber nicht oder nur ganz selten. Dennoch trägt Henri nicht die Verantwortung dafür, dass wir uns als Eltern fast durchgehend schlecht informiert fühlen. Da es sich um eine Förderschule handelt und es sicher viele Schülerinnen und Schüler gibt, die zu Hause nichts von der Schule berichten können/wollen, wäre es wünschenswert, wenn von der Schule Infos über die Ausgestaltung der Fächer kämen. Weil ein einstündiger Elternabend einmal im Jahr dafür nicht ausreicht, wäre es sinnvoll, über einen anderen Rahmen nachzudenken. Man könnte häufiger Elternabende (es müsste ja nicht jeden Monat wie an der Waldorfschule sein) oder ergänzende Elterngespräche für interessierte Eltern anbieten. Man könnte die Mitteilungen im MIA-Heft etwas ausführlicher gestalten und es gäbe - wenn dies auch im Interesse der Lehrer wäre - sicher auch noch einige andere Möglichkeiten. Wir würden es jedenfalls sehr schätzen, vom Klassenteam regelmäßig grundlegende Infos über die Inhalte der einzelnen Fächer zu bekommen. Selbst wenn alle Möglichkeiten an einer Überlastung der Lehrer scheitern würden, könnte man es immer noch so handhaben, dass die Kinder ihre Lernmaterialien mit nach Hause nehmen dürfen - wie an jeder anderen Schule auch. 

 

Sachunterricht

 

Laut Plan hat Henri einmal pro Woche Sachunterricht. Was dort gemacht wird, weiß ich nicht. Am Elternabend habe ich mir nur Geocashing notiert. Nach meinen Recherchen funktioniert das mit einem Handy. Da Henri sein Handy nicht mit in die Schule nimmt, müssten sie das mit schuleigenen Handys tun... was ich mir nicht so richtig vorstellen kann. Es wäre doch klasse, wenn Henri ein Sachheft / einen Ordner hätte,  anhand dessen er mir vom Unterricht berichten könnte.

 

Kunst / Musik

 

Zum Fach Kunst habe ich mir auf dem Elternabend zwei Notizen gemacht: Andy Warhol und Keith Haring. Machen die Schüler Bildbetrachtungen, malen sie Bilder dieser Künstler ab? Ich habe noch kein Bild gesehen und weiß auch nicht, ob es in der Schule vielleicht eine Sammelmappe mit Bildern gibt.

In Musik wird wohl gesungen und manchmal getrommelt. Diese Woche hat Henri in sein Erlebnisheft geschrieben, was er in Musik gemacht hat. Das Folgende hat er geschrieben: Wir haben gesungen ohne Krimi geht die Mimi ins Bett. Ich kenne das Lied aus Erzählungen meiner Mutter. Ich hatte mir vorgestellt, dass es an der Förderschule eine Möglichkeit gibt, Henris Klavierspiel in irgendeiner Weise einzubeziehen. Dass er zum Beispiel in einer Band mitspielt oder sich bei Festen/Aufführungen einbringen kann. Dies ist in den vergangenen Jahren im Rahmen einer Verabschiedungsfeier einmal geschehen. Die stellvertretende Schulleiterin hatte mir danach eine (nicht anonyme) E-Mail geschrieben und berichtet, wie gut Henri gespielt habe und wie stolz er offensichtlich war, in der Schule vorspielen zu dürfen. Über diese E-Mail war ich gerührt - nicht nur wegen der netten Rückmeldung, sondern auch darüber,  dass sich jemand von der Schule die Mühe gemacht hat, uns zu schreiben - ganz persönlich und sogar mit der Möglichkeit, eine Antwort zu bekommen.

Schon Monate vor dem vergangenen Weihnachtsfest sprach Henri zu Hause davon, bei einer Weihnachtsfeier an der Schule vorspielen zu können (oder meinte er wollen?) Wir haben eigens ein Klavierheft mir leichten Noten angeschafft und über ein paar Wochen zwei Lieder eingeübt. Kurz vor Weihnachten habe ich dann erfahren, dass im Rahmen der schulinternen Weihnachtsfeier dazu leider keine Zeit ist - Henri hatte sich wirklich gefreut und fleißig geübt und es ist mir richtig schwergefallen, ihm zu erklären, dass alles ein Missverständnis war und leider keine Zeit für sein Vorspiel ist. Vielleicht würde es ihm gefallen, wenn ich ihn zu dieser Weihnachtsfeier begleiten könnte, dachte ich mir und fragte bei der Lehrerin nach. Bei der Weihnachtsfeier gebe es aber leider keinen Platz für Eltern, weil es raumtechnisch nicht möglich sei. Wehmütig dachte ich an das Adventssingen an der Waldorfschule zurück, wo wir jahrelang zusammen mit Kindern, Eltern und Lehrern gesungen haben. Nicht alle hatten einen Sitzplatz, aber alle haben mitgesungen. Diese gemeinschaftliche Miteinander vermisse ich sehr.

Da das Vorspiel bei der Weihnachtsfeier nun also ausgefallen war, schlug uns die Klassenlehrerin vor, dass Henri bei dem für Januar geplanten  Neujahrsempfang für die Schüler und Eltern der Klasse spielen könne - ein kleinerer Rahmen, aber eine tolle Gelegenheit. Henri freute sich richtig, endlich vorspielen zu dürfen und übte zwei seiner Lieblingsstücke besonders intensiv. Fast jeden Tag sprach er von seiner - wie er es nannte - Aufführung. Kurze Zeit vor dem "Empfang" (an dem fünf Schüler, die Lehrerin, die Assistentin und ich als einziges Elternteil teilgenommen haben)  haben ich dann erfahren, dass das Vorspiel leider nur möglich wäre, wenn Henri sein eigenes Keyboard mitbringen würde. Weil er aber kein Keyboard, sondern nur ein Klavier hat und das schuleigene Klavier nicht "einfach" innerhalb des Schulgebäudes bewegt werden kann, musste auch dieses Vorspiel ausfallen. So schade für Henri!

 

 

Schwimmen

 

Das Fach Schwimmen stand eigentlich schon im letzten Schuljahr auf dem Programm. Warum Henri dennoch kein Schwimmen hatte, weiß ich nicht. Dieses Jahr nun hat er ganz offiziell  Schwimmen - schade nur, dass es bisher seltener statt- als nicht stattgefunden hat. Der Grund für die  häufigen Ausfälle: Oft sind Kinder krank und dann lohnt es für die anderen nicht. Auch wenn eine der beiden Lehrerinnen krank ist, findet kein Schwimmen statt. Diese Woche wird das Schwimmbad renoviert - kein Schwimmen

Henri ist ein recht guter Schwimmer - er trainiert zweimal wöchentlich im Schwimmverein. Deshalb hatte ihm die Klassenlehrerin zu Anfang des Schuljahres in Aussicht gestellt, dass er an den Paralympics in Berlin teilnehmen und dafür auch im Rahmen des Schwimmunterrichts trainieren könnte. Am Tag des Neujahrsempfangs habe ich nachgefragt und erfahren, dass die Anmeldefrist für Berlin leider verstrichen ist. Dafür sei aber eigentlich die Schwimmlehrerin zuständig. Warum Henri nicht angemeldet wurde - ich weiß es nicht. Wieder einmal weiß ich es nicht. Und wieder schade für Henri! Zum Trost  wurde er dann aber kurzfristig für eine Art Schwimmwettbewerb der K-Schulen im Saarland (nähere, über das Datum hinausgehende Infos gab es weder von der Schule noch im Netz) angemeldet. Wie viele Schüler dort waren, weiß ich nicht. Auf meine Nachfrage hin habe ich erfahren, dass insgesamt zwei Schulen teilgenommen haben und Henris Schule Zweiter wurde... 

 

Deutsch und Mathe

 

Einmal in der Woche hat Henri Deutsch und einmal Mathe. Ich weiß nicht, was Henri im Fach Deutsch lernt. Vielleicht hat jemand die Idee, ich könne ja in seinen Büchern und Heften nachsehen. Das ist aber, wie bereits beschrieben,  an Henris  Förderschule leider nicht möglich. Sämtliches Lehrmaterial bleibt nur in der Schule und ich weiß nicht einmal, ob Henri dort Bücher und Arbeitshefte hat und - falls ja - was und wie er daran arbeitet. Es gibt auch keine Hausaufgaben, die bei Regelschülern den Zweck haben, dass das in der Schule Erlernte zu Hause gefestigt wird.  

Auch im Rahmen der Freiarbeit, die einmal wöchentlich auf dem Plan steht, darf Henri  - je nach zeitlicher Verfügbarkeit - manchmal Deutsch lernen. So sagte es die Lehrerin in dem einzigen Gespräch in diesem Schuljahr. Von der Ausgestaltung dieser Freiarbeit habe ich nur eine vage Vorstellung - ich weiß nur, dass Henri dabei vor allem selbständiger werden soll. 

 

Bevor ich weiter berichte, gehe ich auf die meiner Meinung nach große Bedeutung der Kulturtechniken Lesen und Schreiben ein. Wie wichtig und wertvoll es ist, lesen und schreiben zu können, kann man sich leicht im Selbstversuch klarmachen. Stellt euch vor, ihr geht aus dem Haus - zur Arbeit, zum Einkaufen, zum Sport oder zum Essen in ein Restaurant. Wenn ihr nicht selbst Auto fahrt, nehmt ihr den Bus oder den Zug. Daneben gibt es aber auch den Bereich der persönlichen Kontakte und dabei ständig Situationen, in denen man mit Menschen in Kontakt treten möchte, die gerade nicht da sind. Man sucht ihren Namen in der Kontaktliste und ruft an oder schreibt eine Textnachricht. Und wenn es gut läuft, kommt schon bald eine Nachricht zurück: Eine Antwort auf eine Frage oder ein paar liebe Zeilen, die einen vielleicht animieren, zurückzuschreiben. Stellt euch vor, wie euer Leben aussähe, wenn ihr mit Buchstaben und Zahlen nichts anzufangen wüsstet. 

 

Man muss doch nicht Deutschlehrerin sein, um zu begreifen, welche Möglichkeiten einem Menschen fehlen, der diese Kompetenzen nicht hat. In unserem Fall war es so, dass ich mit Henri von Beginn der Grundschule an am Nachmittag das Lesen und Schreiben gelernt und geübt habe. In der Grundschule hatte er stets Lehrer und Lehrerinnen, die in Zusammenarbeit mit Förderschullehrerinnen bemüht waren, mit Henri die Kulturtechniken zu erweitern und zu trainieren. Als nicht weniger engagiert haben sich dabei auch die "ganz normalen" Lehrer gezeigt - also die ohne spezielle förderpädagogische Ausbildung. Sie hatten in der Regel ein sehr gutes Gespür davor, wo Henri steht und was möglich ist. Henri hat in diesen Jahren im Rahmen seiner Möglichkeiten am normalen Unterricht teilgenommen und wurde in Förderstunden individuell und seinem Bedarf entsprechend gefördert. Im Rahmen des normalen Unterrichts hat eine Integrationsassistentin mit Henri umgesetzt, was jeweils auf dem  Förderplan stand. Weil Henri im großen Spektrum der Trisomie nicht eines der besonders begabten Kinder ist, war es zwar eine Kraftanstrengung ... aber es hat sich gelohnt (!) und ich bin heute noch allen dankbar, die mich dabei unterstützt haben, Henri Grundkenntnisse im Lesen und Schreiben beizubringen. Henris Rechtschreibung ist immer noch stark ausbaufähig und auch das Lesen ist längst nicht so so wie bei anderen Kindern. Wie hilfreich aber auch Basics sein können, erlebe ich Tag für Tag und bin so froh, dass ich ihm diese Möglichkeit gegeben habe. Zum Beispiel hat er,  als wir in Heidelberg am Bahnhof standen, auf ein Plakat gedeutet und zu seinem Papa gesagt Guck mal, "Jugendherberge" - wir waren dort. Keiner hatte ihn aufgefordert, den Text auf dem Plakat zu lesen, es ist ihm einfach so ins Auge gefallen - wie wohl jedem anderen Kind auch. Seit zwei Jahren ist Henri im Besitz eines Handys - er nutzt WhatsApp und noch ausgiebiger die Suchfunktion von Google. Er sucht im Netz nach Michel aus Lönnerberga und Dick und Doof, nach Vollmond und Wetter-Apps. Ich bin immer immer überrascht, wie gut er sich auf seinem Handy auskennt und wie er es schafft, Seiten, die ihn interessieren, aufzurufen. 

 

- All das ginge nicht ohne Lesen und Schreiben - 

 

Natürlich kann man auch ohne Lesen und Schreiben ein zufriedenes Leben haben, aber den Kindern, die die Fähigkeit haben, sollte das Erlernen zugestanden werden: Ob sie nun behindert oder normal begabt sind. 

 

Jetzt komme ich zurück zur Gestaltung des Stundenplans. Fähigkeiten, die man nicht regelmäßig trainiert, verkümmern. Ich bin sicher, dass das, was Henri in den letzten neun Schuljahren gelernt hat, verloren ginge, wenn es nicht regelmäßig wiederholt würde. Weil ich einmal Deutsch pro Woche für viel zu wenig halte und auch nicht weiß, was er in Deutsch macht, bleibt mir nichts anderes übrig, als mit Henri weiterhin auch zu Hause zu üben. In Buchhandlungen, aber auch im Internet habe ich viel gutes Material gefunden - Henri profitiert besonders von Büchern und Heften aus dem Bereich Deutsch als Fremdsprache für Jugendliche. Was andere, inklusiv beschulte Kinder mit einer geistigen Behinderung täglich in der Schule lernen und üben dürfen, läuft bei uns zu Hause - nach der Schule.

 

4. Individuelle Förderung?

 

Zweimal im Jahr gibt es an der Schule ein Gespräch zwischen Lehren und Eltern , den sog. Förderausschuss.  Es dauert jeweils eine Stunde, die Lehrerinnen stellen darin den sog. Förderplan vor und fragen, ob man einverstanden ist. Im letzten Fördergespräch habe ich gefragt, ob es nicht möglich ist, dass in Henris Fall der Schwerpunkt mehr auf die Kulturtechniken gelegt wird. Ich berichtete, wie Henri an der allgemeinen Grund- und später an der Montessorischule täglich Lesen und Schreiben gelernt hat. Als ich von unseren Erfahrungen an den anderen Schulen berichtete, wandte die Lehrerin ein, dass ich die beiden Schulen nicht vergleichen dürfe, weil die aktuelle Schule eben eine "Förder"schule sei. Und ich hatte gehofft, dass die Gegebenheiten an der Förderschule dank eines (wie ich finde) hervorragenden Personalschlüssels quasi ideal sein müssten, individuell zu fördern ... genau das preisen Förderschulen doch als großen Vorteil ihrer Schulen an.

Für mich ist das paradox: Während die Klassenstärke in Henris Förderschulklasse bei sechs Kindern liegt, war er an den allgemeinen Schulen eines von 24 bis 38 Kindern. Auch wenn es dort neben Klassenleitung nur eine Förderlehrerin (für nicht mehr als fünf Stunden pro Woche) gab, hatte Henri dank seiner Integrationsassistentin viel Gelegenheit, das zu lernen, was ihm später dabei zugute kommt, ein möglichst selbständiges Leben zu führen. Dort war es machbar, dass Henri kontinuierlich an den Kulturtechniken arbeitet. Und weil er jetzt an einer "Förder"(!)schule ist, soll ich das nicht erwarten dürfen? Dazu mit der Begründung, dass Henri ja den anderen Schülern in den Kulturtechniken überlegen ist und man sich immer am allgemeinen Klassenniveau orientieren müsse. Wenn in einer normalen Grundschulklasse Raum für Binnendifferezierung ist - warum nicht an einer Förderschule mit einer hervorragenden personellen und räumlichen Ausstattung? Ich verstehe es nicht.

Der Knackpunkt bei der Diskussion ist die Frage, wo Henri aktuell Förderbedarf hat. Das Klassenteam meint, er sei nicht selbständig genug. Er bräuchte oft eine extra Aufforderung, damit er seine Sachen aus dem Ranzen holt oder seinen Tisch freiräumt. Manchmal hätte er einfach keine Lust und sei zu bequem. Diese  Bequemlichkeit sei vor allem bei Kindern zu beobachten, die zuvor inklusiv beschult worden seien. Diese Kinder seien gewohnt, dass die Integrationsassistentinnen alles für sie regeln und deshalb seien sie weniger selbständig. Das Klassenteam ist der Auffassung, dass in der Werkstufe  im Allgemeinen und auch bei Henri im Besonderen vor allem auf eine Verbesserung von Selbständigkeit und Arbeitshaltung hingewirkt werden muss. Als ich das zum ersten Mal hörte, kam mir spontan unsere Amelie in den Sinn... dass sie immer wieder etwas vergisst, im Haus liegen lässt oder oftmals vom Tisch aufsteht, ohne den Gedanken zu haben, sie könne beim Abräumen helfen. Sie ist diesbezüglich weniger ordentlich und diszipliniert als ihr Bruder. Beide Kinder zeigen, was Arbeitshaltung im Alltag betrifft, ein völlig normales Verhalten ... absolut nichts Außergewöhnliches. Der Unterschied ist, dass sich dies bei Amelie nicht auf ihren Lernstoff an der Schule auswirkt und wie selbstverständlich (und zurecht!) davon ausgegangen wird, dass sich ihre Arbeitshaltung auf dem Weg zum Erwachsenwerden anpassen wird. Natürlich kann es nervig sein, wenn ein Kind langsam ist und/oder keine Lust hat, für die Schule zu arbeiten - nur käme bei einem nicht behinderten Kind keiner auf die Idee, daraus einen besonderen Förderbedarf abzuleiten. Bei Henri dagegen sollen die beiden letzten Schuljahre dazu dienen, ihn so vorzubereiten, dass er, wenn er in der Werkstatt anfängt, dieses unerwünschte Verhalten nicht mehr zeigt.

Wer tatsächlich meint, Henri mangele es an Einsatz und Arbeitshaltung, ist eingeladen, bei uns zu Hause zu beobachten, mit wie viel Umsicht, Geduld, Disziplin und Durchhaltevermögen er seine große Kugelix-Kugelbahn aufbaut,  mit mir das freie Schreiben übt und nicht zuletzt zwischen 45 und 60 Minuten am Stück Klavier spielt. Diesbezüglich taugt er zweifellos als Vorbild für viele seiner Altersgenossen. Aber auch Haushaltstätigkeiten gehören zu seinem Alltag: Zu Hause saugt er fast täglich Flur und Küche, räumt die Spülmaschine selbständig ein und aus, deckt den Tisch, bringt den Kompost weg und geht fast täglich eine kleine Runde mit Juri. Es wird Henris Wesen und Bedürfnissen nicht gerecht, dass so viel wertvolle Schulzeit für die Verbesserung von Akzeptanz bei unliebsamen Aufgaben, Zunahme der Eigenaktiviät und Steigerung des Arbeitstempos (Förderplan) verwendet wird 😢. 

 

Vor einem guten halben Jahr gab es ein Sommerfest an der Schule, zu dem die Bevölkerung eingeladen war. Sogar der Ministerpräsident Tobias Hans hielt ein Grußwort und lobte die moderne Pädagogik - zum Beispiel den Einsatz vom PCs, Laptops und auch neu angeschafften Tablets. Diese Schule sei modern aufgestellt und die Schüler lernten  mit fortschrittlichen Lehrmitteln. Er betonte, wie wichtig Förderschulen seien und dass die Eltern für die Beschulung ihrer Kinder einen Anspruch auf diese Wahlmöglichkeit hätten. Weil ich nicht sicher war, ob Henri tatsächlich nie mit einem dieser Lehrmittel gelernt hat, sprach ich beim Neujahrsempfang die Klassenlehrerin an. Mir hätte es besser gefallen, wenn Henri nur nie davon erzählt hätte... Aber in seiner Klasse werden die vom Ministerpräsidenten gelobten Tablets tatsächlich nicht eingesetzt. Warum nicht, fragte ich die Klassenlehrerin. Weil darauf kindische Apps, so wie für den Kindergarten, installiert sind. Tablets werden also bei den älteren Schülern nicht genutzt, weil die Software zu kindisch ist?  Mmmh - ein Tablet kann doch auch mit altersgemäßen Apps ausgestattet und so zu einem modernen Unterrichtselement werden? Laptops soll es auch geben an der Schule - aber vielleicht hält man diese bei geistig behinderten Kindern wie Henri für fehl am Platz. An der Schule kann auch ein Hauptschulabschluss abgelegt werden - vielleicht sind PCs, Laptops und Tablets diesen Kindern vorbehalten. Ich weiß es (wieder einmal)  nicht. 

Henri würde profitieren, wenn man ihm die Möglichkeit geben würde, seine Kenntnisse am Laptop auch in der Schule zu verbessern - zum Beispiel mit Einführung eines Textverarbeitungsprogramms. Dankenswerterweise durfte er fast ein Jahr  ein- bis zweimal in der Woche im Rahmen des Unterrichts (Deutsch und Freiarbeit) an seinem eigenen Laptop mit einem Schreibprogramm arbeiten, das wir zu Hause schon seit Jahren verwenden. Das Mildenberger Silbenprogramm ist für Henri eine tolle Möglichkeit, anhand eigens für ihn erstellter Texte das Lesen und Schreiben zu üben. Ich verfasse Texte, die Henris Lebenswirklichkeit abbilden und die er dann  - ähnlich ich wie bei einem Diktat, aber in Schriftform - Wort für Wort aus dem Gedächtnis abschreibt

Dies Art von Lernen, für die im Laufe eines Schultags nun leider keine Zeit mehr ist (sein soll), ist für Henri in vielerlei Hinsicht wertvoll: Er lernt den Umgang mit modernen Medien, er verbessert mit Texten, die ihn wirklich interessieren, kontinuierlich seine Rechtschreibung  und übt sich gleichzeitig auch darin, eine Sache zu Ende zu bringen. Ich schreibe die Texte immer so, dass sie in ca. 45 Minuten zu bearbeiten sind. In der Schule hat die Zeit meist nicht gereicht und er hat nur angefangen, aber zumindest durfte er damit arbeiten. Nachdem er in den letzten Wochen den Laptop öfter nicht ausgepackt hat, weil keine Zeit war oder die vorgesehene Zeit fürs Waffelbacken (kein Witz!) benötigt wurde, hat die Lehrerin nun gesagt, dass sie Henri stattdessen lieber in seiner Selbständigkeit fördern würde. Das Arbeiten mit dem Laptop könne er ja schon, nun solle es vor allem um die Verbesserung des eigenständigen Arbeitens gehen. Sie hat mir auch den Namen des Lehrmaterials genannt, mit dem sie gerne arbeiten möchte bzw. schon angefangen hat. In dem kurzen Gespräch im Stehen ( und im Rahmen des Neujahrsempfanges )blieb aber keine Zeit, näher darauf einzugehen. Nach dem, was sie dazu gesagt hat, scheint es sich um Übungen zu handeln, die dem Niveau (einzelne Wörter hören und schreiben) entsprechen, auf dem Henri vor 8 Jahren an der Montessorischule angefangen hat. Mit Sicherheit kann ich es nicht sagen, aber ich werde auch keine Möglichkeit haben, es herauszufinden. Es sei denn, ich google nach dem Material, kaufe es und erschließe es mir zu Hause selbst. Die Lehrerin erklärte mir an diesem Tag auch,  wenn Henri selbständiger werde, könne er  in der Werkstatt eine anspruchsvollere Tätigkeit tun. Außerdem sei er in seiner Klasse, was Lesen und Schreiben angeht, sowieso der Beste(!) ... Für die Schule liegt klar auf der Hand, dass es bei Henri vor allem um die Vorbereitung auf die Arbeit in der Werkstatt geht und seine Kulturtechniken - zumindest im Vergleich zu denen seiner Mitschüler - so gut sind, dass deren Förderung zurückstehen  muss. 

Damit ihr eine Vorstellung habt, wie gut es mit dem freien Schreiben bestellt ist, zeige ich hier ein paar Auszüge aus unserem Chatverlauf.

 

Seit ich auf Henris Handy und Laptop eine Kinderschutz-App installiert habe, geht es oft bei unseren Chats oft um die erneute Freischaltung des Handys. Er weiß, dass man nur mit einem Passwort Zugang zur App hat und fragt mich oben danach (Beswort). Wie lieb er dabei schaut ❤️.

 

 

Wenn die voreingestellte Zeit abgelaufen ist, erscheint auf dem Handy oder Laptop eine rote Ampel und nichts geht mehr. Es besteht die Möglichkeit, bestimmte Anwendungen von der Sperre auszunehmen, zum Beispiel WhatsApp oder Fotos. Man könnte auch YouTube zur erlaubten Ausnahme machen - dann könnte ich aber auch gleich die App deaktivieren. Oben ist die Zeit vorbei und Henri erklärt mir, was er gerne am Handy machen würde. Und natürlich weiß er, dass ich bei Fotos und Wetter-Apps (er hat gleich drei) öfter mal ein Auge zudrücke :-).

 

 

An diesem Tag haben Dirk und ich einen Ausflug nach Heidelberg gemacht und Elias war bei den Kindern zu Hause. Bevor er zu seinem eigentlichen Anliegen kommt, macht er erst einmal gute Stimmung ;-). 

 

Ich bin mir bewusst, dass man diese Chats ganz unterschiedlich bewerten kann. Manche sagen vielleicht, dass die Schreibleistung so schwach ist, dass man die Zeit doch besser für hauswirtschaftliche Tätigkeiten nutzen soll. Für mich zeigen sie vor allem, dass Henri sich (wenn auch mit Fehlern) nicht nur schriftlich ausdrücken kann, sondern auch die Kompetenz hat, durch Nachhaken und, wenn es sein muss, auch Liebesbekundungen ;-) zum Ziel zu kommen. Ohne diese Fähigkeit würde ihm ein großer Teil dessen, was für uns alle selbstverständlich ist, fehlen. Dass er schreiben und mit dem Handy umgehen kann, kommt ihm aber nicht nur kommunikationstechnisch zugute. Es vermittelt ihm auch Selbstbewusstsein und ein Stückweit Normalität - er macht das, was seine Altersgenossen auch machen. 

 

5. Hausaufgaben / Leistungsnachweise / Arbeiten / Lernstand

 

Auch hier spreche ich ausschließlich von unseren Erfahrungen an der Förderschule. Henri ist - wie bereits geschrieben - in einer Klasse mit Kindern, die meist nicht nur eine deutliche kognitive, sondern dazu auch eine körperliche Beeinträchtigung haben. Mittlerweile ist ist er in der sog. Werkstufe. Möglicherweise treffen einzelne Punkte nicht auf alle Schüler zu - dazu kann ich nichts sagen.  

 

Im letzten Schuljahr hatte Henri einige wenige Male Hausaufgaben auf. Ich muss zugeben, dass ich den Eindruck habe, sie wurden der Mutter zuliebe aufgegeben. Wenn die Lehrerin mitbekommen hat, dass wir auch außerhalb dieser seltenen Hausaufgaben zu Hause zusammen gelernt haben, habe ich im MIA-Heft Hinweise bekommen, dass man die Kinder nach einem langen Schultag (bis 15 Uhr) nicht auch zu Hause noch belasten soll. Die Lehrerin hat dafür die kurzen Tage vorgeschlagen.

Seit diesem Schuljahr hat Henri gar keine Hausaufgaben mehr. Mittlerweile vermisse ich sie auch nicht mehr und komme damit sogar gut klar, denn so bleibt  zu Hause auch Raum für unser eigenes Lehrmaterial. Darüber hinaus haben wir  mit der Klassenlehrerin so besprochen, dass Henri zweimal in der Woche zu Hause in sein Erlebnisheft schreibt und er dieses als eine Art Konzept für seinem Beitrag im  Morgenkreis verwenden darf. Ich bin froh, dass Henri diese Möglichkeit gegeben wird. So kann er Schreiben und freies Sprechen gleichermaßen üben. 

 

An der Förderschule gibt es weder Klassenarbeiten noch individuelle Lernstandsüberprüfungen - wenn es sie doch geben sollte, dann schulintern und den Eltern nicht zugänglich. Womöglich gibt es dafür eine pädagogische Begründung, vielleicht in dem Sinne, dass man die Kinder nicht überfordern oder stressen soll, weil sie es eh schon schwer haben. Das ist aber nur eine Vermutung. Zu Hause empfinde ich solche zusammenfassenden "Tests" eher als Motivation und für Henri auch Möglichkeit der Selbstbestätigung. Wenn man zum Beispiel tagelang an Präpositionen gearbeitet hat (es fällt Henri immer noch schwer, zu entscheiden, ob es nun in, zu, nach etc. heißen muss), ist es für ihn eine tolle Erfahrung, wenn er diese in einem fließenden Text richtig einsetzen kann. Und wenn nicht, gibt es natürlich keinen Daumen runter, sondern einen neuen Versuch. Ich traue mir durchaus zu, abspüren zu können, ob das Üben Henri überfordert. Um es klar auszudrücken: Weder als Mutter noch als Lehrerin bin ich unerfahren. 

 

Gestern habe ich etwas Neues über die Gepflogenheiten an Förderschulen gelernt. Geistig behinderte Kinder (Schüler aus dem G-Bereich schrieb die Klassenlehrerin) bekommen ein Jahreszeugnis, aber kein Halbjahreszeugnis. Wenn sie doch eines bekommen sollten, dann eventuell, weil sie mit lernbehinderten (nicht so stark eingeschränkten) Kindern in einer Klasse sind und man sie im Sinne einer Gleichbehandlung nicht schlechter stellen will. Henris Klassenkameraden sind allesamt geistig behindert und deshalb hat keiner ein Zeugnis bekommen. Nur der Schulschluss an diesem Tag war für alle Kinder (auch geistig behinderten)  gleich. Warum die Schule bereits um 11 Uhr zu Ende war, weiß ich nicht.

Ich hatte kein Zeugnis im Sinne einer Benotung der einzelnen Fächer erwartet. Eher hatte ich  mich auf einen Entwicklungsbericht gefreut, in dem festgehalten ist, wie und was Henri im ersten Halbjahr gelernt hat. Dadurch, dass wir so wenig mitbekommen, wäre mir ein solcher Bericht sehr wichtig gewesen. Wir hatten zum Beispiel im Förderausschuss besprochen, dass Henri bezüglich seines Umgangs mit Geld und auch Uhrzeit gefördert werden soll. Das Klassenteam wollte Henri unterstützen, den Wert des Geldes etwas besser einschätzen zu lernen und auch vertrauter mit der Uhrzeit zu werden. Weil wir zu Hause weder beim Thema Geld noch bei Uhrzeit eine Veränderung festgestellt haben, war ich schon gespannt, wie das Klassenteam dies einschätzt. Aber leider leider bekommen "G-Kinder" kein Halbjahreszeugnis und so fällt diese Informationsquelle aus. Ich möchte - falls das es nicht deutlich wurde - ergänzen, dass Kinder aus dem G-Bereich nirgendwo Halbjahreszeugnisse bekommen, es sich also nicht um ein schulinterne Entscheidung handelt, sondern landesweit (vermutlich aufgrund einer Vorgabe des Kultusministeriums) so gehandhabt wird. Meines Erachtens widerspricht dies dem Gleichbehandlungsgrundsatz und es gibt keinen Grund, einem Kind mit einer kognitiven Behinderung etwas zu verwehren, was allen anderen zugestanden wird. Wenn jemand von den LeserInnen Hintergründe diesbezüglich hat, freue ich mich über einen Kommentar.

An der Schule sind für jedes Kind pro Jahr exakt zwei Gespräche, genauer genauer gesagt Förderausschüsse (klingt seltsam im Plural) eingeplant. Tag und  Uhrzeit werden nicht, wie an anderen Schulen üblich, vereinbart, sondern vom Klassenteam vorgegeben. Aufgrund der Vielzahl der Schüler ließe sich das auch gar nicht anders machen. Natürlich haben wir den angebotenen Termin wahrgenommen - wenn es nur den einen gibt, muss man es möglich machen. Im Nachhinein haben wir erfahren, dass es offenbar zwei unterschiedliche Arten von Gesprächen gibt: Förderausschuss ist nicht gleich Elterngespräch. Förderausschuss findet genau zweimal im Jahr statt, Elterngespräche sind wohl offener angelegt. Obwohl die Klassenlehrerin für unseren Förderausschuss mehr Zeit als üblich eingeplant hatte, war schon nach einer halben Stunde klar, dass die restlichen Themen in der verbleibenden halben Stunde nicht zu schaffen sind. Die Lehrerin hatte die ganze Zeit die Uhr vor sich im Auge und ich die Wanduhr... ihr Angebot für einen weiteren Termin haben wir dankend und sehr dankbar angenommen. Diese Fortsetzung wäre dann wohl - wenn ich die Klassenlehrerin heute richtig verstanden habe - keine Fortsetzung des Förderausschusses, sondern ein Elterngespräch gewesen. Weil die Eltern des Folgetermins, für den wir das Gespräch / vielmehr den Förderausschuss,  pünktlich beendet hatten, nicht gekommen sind, hätten wir von unserer Seite aus auch gerne an diesem Tag weiterreden können - aber unser Termin war vorbei und weil uns ein zweiter in Aussicht gestellt worden war, war uns das auch recht. Leider ließ es sich bis heute nicht einrichten - wir warten immer noch.

 

6. Was ist eigentlich mit den anderen Eltern?

 

Das habe ich mich auch lange gefragt. Bei unserem ersten Elternabend im letzten Schuljahr waren außer der Lehrerin, Dirk und mir noch zwei weitere Elternteile und ein Betreuer einer Wohngruppe anwesend. Ich habe seitdem immer wieder nachgefragt, warum sich die anderen Eltern so selten blicken lassen. Sie kennenzulernen ist mir vor allem ein Bedürfnis, weil ich mir auch außerhalb der Schule Kontakt zwischen Henri und seinen Klassenkameraden wünsche. Mir wurde gesagt, dass der Einzugsbereich der Schule relativ groß ist und nicht jeder ein Auto hat. Außerdem seien längst nicht alle Eltern so engagiert wie wir. Wir kommen von einer Schule, deren Einzugsbereich ebenso groß ist und wo die Treffen der Kinder mit teilweise  hohem Aufwand für die Eltern verbunden waren. Kontakte und gegenseitige Einladungen gab es trotzdem. Daran kann es also nicht (allein) liegen. Von früher und aus anderem Zusammenhang kenne ich zwei Elternhäuser unserer Förderschule: Die Kinder sind nicht in Henris Klasse und beide haben - genau wie Henri - keine Kontakte außerhalb der Schule. Beide Elternhäuser bedauern dies genau wie wir. Mittlerweile bin ich auch nicht mehr sicher, ob es wirklich nur an dem großen Einzugsbereich oder  einer wenig interessierten Elternschaft liegt. Ich frage mich, ob die Elternschaft an der Förderschule  tatsächlich so anders ist als einer "normalen Schule". Rein statistisch gesehen müssten Behinderungen doch in allen Schichten und sozialen Kontexten gleich oft vorkommen. Warum also ist es für Eltern nicht behinderter Kinder völlig normal, dass die Kinder sich auch außerhalb der Schule sehen und für Eltern behinderter Kinder an der Förderschule die Ausnahme? Eltern nicht behinderter Kinder sprechen oft von der Belastung, wenn sie die Kinder tagein- tagaus durch die Gegend (zu ihren Freundinnen und Freunden) karren. Was Henri betrifft, ist bei uns das Gegenteil der Fall: Ich gäbe so viel darum, Henri zu einem Klassenkameraden fahren zu können oder einen Schulkameraden mit zu uns nach Hause zu nehmen! Von der Schule habe ich immer wieder gehört, dass sie diesbezüglich leider nicht viel tun können. Ob es Zufall ist oder Datenschutzgründe hat, dass keine Klassenliste existiert? Sind die anderen Eltern wirklich so wenig interessiert oder ist es vor allem auch ein Kommunikationsproblem zwischen Schule und Eltern, dass außerschulische Kontakte zwischen den Eltern so rar sind? Hat die Schule eigentlich ein Interesse daran, dass die Schüler nicht nur gut versorgt sind, sondern sich am Nachmittag auch mal verabreden und Freundschaften pflegen können? An anderen Schulen gibt es Tage mit gemeinsamen Unternehmungen, Kennenlerntage, gemeinsame Ausflüge usw. Nachdem bei dem Neujahrsempfang von der Elternschaft nur ich anwesend war, bat die Lehrerin mich um Verständnis dafür, dass es solche Angebote in Zukunft nicht mehr gäbe. Weiterhin bestünde aber die Möglichkeit, dass die Lehrerin Kontaktanfragen an andere Eltern weiterleite. Das könnte sich dann wohl so gestalten, wie wenn das Sekretariat Kontaktanfragen an die Lehrerin weiterleitet (#Datenschutz, #Privatsphäre). 

 

7.Last but not least, die entscheidende Frage: Wie geht es eigentlich Henri?

 

Henri fühlt sich offenbar wohl an  der Förderschule. Abgesehen vom frühen Aufstehen scheint er gerne in die Schule zu gehen. Da er so gut wie gar nicht über die Schule redet, bleibt uns nur, von seiner Stimmung auf seine Zufriedenheit zu schließen. Und dem, was die Lehrerinnen in den seltenen Elterngesprächen berichten, Glauben zu schenken: Henri mache meist einen frohen Eindruck und sei in der Klasse gut integriert. Wir haben auch das Gefühl, dass die Lehrerinnen einen guten Umgang mit ihm haben und die menschliche Beziehung gut zu sein scheint. Bei aller Kritik soll diese positive Seite nicht unerwähnt bleiben. Seit heute (11.02.; siehe oben) frage ich mich nun, ob ich nicht zu gutgläubig war. Sie machen es anders, aber sie meinen es gut ... hatte ich gedacht. Was heute passiert ist, ist dermaßen enttäuschend, dass ich die Situation nun auch, was den menschlichen Umgang betrifft,  anders bewerte.

Die Förderschule hat einen großen Vorteil und zwar im Schulalltag: Weil alle behindert sind, ist es für die Schüler viel weniger schwer, Anschluss zu finden. In der Waldorfschule war Henri beliebt, fast alle mochten ihn und wenn er Unterstützung brauchte, war immer mindestens ein Kind für ihn da. Trotzdem stand er in den Pausen oft allein auf dem Schulhof - nicht, weil die Kinder nichts mit ihm zu tun haben wollten, sondern weil die Interessen sich immer weiter auseinanderentwickelt haben. Dies war für uns der entscheidende Grund, ihn auf der Förderschule anzumelden. Er sollte in der Schule keine Sonderstellung mehr haben, sondern ein "ganz normaler Junge" sein dürfen. Insofern haben wir ein Ziel - nämlich die Zufriedenheit Henris, die über allem steht - erreicht. Unsere Hoffnung, dass der Besuch einer Förderschule ihm auch am Nachmittag mehr Kontakte bringt, hat sich dagegen nicht erfüllt. In eineinhalb Jahren Förderschule hatte er kein einziges Mal Besuch und wurde auch nicht eingeladen - nicht einmal zu einem Kindergeburtstag. Bei den beiden anderen Familien, die ich in einem anderen Zusammenhang  kennengelernt habe, ist es übrigens genauso: Keine Kontakte außerhalb der Schule. Bis einschließlich letztem Jahr hat Henri zu jedem seiner Geburtstage Kinder eingeladen, machmal haben wir ein richtiges Kinderfest gefeiert. Die Gegeneinladungen wurden im Laufe der Jahre immer weniger bis es zuletzt keine mehr gab, gar keine. Wie muss es sich wohl für ihn anfühlen, nie zu einem Geburtstag eingeladen zu werden? Zumal er bei seiner "kleinen" Schwester sieht, welch großen Raum gegenseitige Einladungen und Besuche einnehmen. Hätte Henri nicht den Schwimmverein, das Hip-Hop und die Jugendfeuerwehr ... seine Kontakte außerhalb der Schule wären nur auf auf seine Kernfamilie beschränkt.  Vielleicht sagt jemand, dass das bei behinderten Kindern halt so ist ...  das macht es aber nicht besser und traurig ist es trotzdem. 

 

 

Was wollt ihr eigentlich? Die Hauptsache ist doch, dass es Henri gut geht ...

 

Keine Frage - dass es Henri gut geht, dass er sich wohl fühlt und gerne in die Schule geht, ist das Allerwichtigste. 

Aber: Ist das nicht bei allen Kindern so? Ist es nicht bei allen Kindern am wichtigsten und Grundlage allen Lernens, dass sie sich in ihrer Schule wohlfühlen?  Zumindest in unserer Familie stand das Wohlergehen der Kinder immer an erster Stelle. "Dennoch" war und ist es es uns wichtig, ihnen auch Bildung und Wissen zuteil werden zu lassen. Bei einem nicht behinderten Kind käme keiner auf den Gedanken,  die Vermittlung von Lesen, Schreiben und Allgemeinbildung zu vernachlässigen, weil es ja die Hauptsache ist, dass es ihnen gut geht. Beides darf nebeneinander stehen und das Trainieren der Kulturtechniken ändert nichts am Befinden des Kindes, jedenfalls nicht im negativen Sinne. 

 

Was könnte an der Förderschule besser sein - ein Fazit

 

- Transparenz:

Wir möchten wissen, was Henri in der Schule lernt und regelmäßig seine Arbeitsmaterialien sehen. Wir möchten auch wissen, mit wem er in einer Klasse ist, hierbei wäre eine Klassenliste hilfreich. Wir wünschen uns einen Tag der Offenen Tür, ein Gläsernes Klassenzimmer o.ä. - die Möglichkeit, zu erleben, wie und was unser Kinder lernt. Was für alle anderen Schulen selbstverständlich ist, sollte auch für die Förderschule gelten. Wir können nicht nachvollziehen, warum die Eltern an der Förderschule vom Schulgeschehen weitgehend ausgeschlossen sind. 

 

 

- Kontakt: 

Wir hätten gerne die Möglichkeit, Henris Lehrerin per E-Mail, Kurznachricht oder Telefon erreichen zu können. Wir wünschen uns Kontakt zu anderen Eltern und vor allem auch außerschulische Kontakte für Henri. Wir wünschen uns auch Möglichkeiten der Begegnung zwischen Lehrern und Eltern - ein Miteinander auf Augenhöhe.

 

 

- Austausch / Mitsprache / vertrauensvolles Miteinander zum Wohle des Kindes

Wir wünschen uns mehr Austausch und Abstimmung, was die "Förderziele" betrifft. Wir möchten einbezogen werden, wenn es um die Formulierung von Förderzielen geht. Einen bereits fertigen Förderplan auf die Nachfrage "Sind sie einverstanden?" abzunicken ist uns zu wenig. Austausch setzt aber auch voraus, dass man Eltern auch eine gewisse Kompetenz zutraut. Dies scheint in unserem Falle nicht gegeben - trotz jahrelanger Erziehungsleistung und Erfahrung im Unterrichten.

 

Ergänzung, 11.02.2020:

Wir wünschen nicht nur, sondern erwarten, dass weder unser Kind noch andere gezwungen werden, etwas zu essen, was sie nicht essen mögen.

Wir erwarten, insbesondere an einer Förderschule,  auf den besonderen Schutz unseres Kindes vertrauen zu können. Ich wiederhole, was ich oben schon geschrieben habe: Der heutige Vorfall ist (im Jahr 2020) an keiner "normalen" Schule denkbar, jedenfalls nicht im 21. Jahrhundert. Überall gingen die Eltern gingen auf die Barrikaden, wenn ein Lehrer ihr Kind gezwungen hätte, etwas zu essen, was es nicht mag. Man muss es so offen sagen: Was Henri erlebt hat, konnte nur passieren, weil er geistig behindert ist und seine Interessen nicht ausreichend vertreten konnte. 

 

- Individuelle Förderung / deutliche Erhöhung des Umfangs der Kulturtechniken Lesen und Schreiben im Stundenplan / moderne Medien

Wir wünschen uns individuelle Förderung und dass auch die Förderschulzeit genutzt wird, auf dem bereits Erlernten aufzubauen. Mangelnde Förderung der Kulturtechniken damit zu begründen, dass es sich um eine Förderschule handelt und man daher Rücksicht auf andere Kinder nehmen müsse, die noch weniger können, finden wir völlig unangebracht und Henris Interessen und Anspruch auf individuelle Förderung nicht dienlich. Keine Schule ist personell so gut ausgestattet wir die Förderschule. Wenn Binnendifferenzierung und die Vermittlung von Bildung in Großklassen an Regelschulen möglich ist, sollte dies auch an der Förderschule machbar sein - zumal diese Schulen mit individueller Förderung werben. Statt Arbeiten, Hofdienst und anderen hauswirtschaftlichen Tätigkeiten  wünschen wir uns, dass die verbleibende kostbare Schulzeit mehr für Lesen und Schreiben genutzt wird. Denn Tischdecken, Saubermachen, Aufräumen lernt Henri wie jedes andere unserer Kinder bei uns zu Hause. Schulbesuch sollte - auch bei behinderten Kindern! - vor allem der Vermittlung von im Alltag unabdingbaren  Kulturtechniken und einer gewissen Allgemeinbildung dienen. Bei Kindern wie Henri sollten Arbeiten, Saubermachen, Nähen, Kochen usw. neben den Kulturtechniken nur einen untergeordneten Raum einnehmen.

Wir wünschen uns auch, dass der beim Sommerfest vom Ministerpräsidenten angepriesene moderne und fortschrittliche Unterricht( !) an dieser Förderschule auch unserem Sohn zugestanden wird. Wir erwarten, dass Henri - auch wenn er eine geistige Behinderung hat - im Rahmen des Unterrichts mit modernen Medien (PC, Laptop, Tablet) in Kontakt kommt und seine zu Hause erworbenen Grundkenntnisse erweitern kann. Es darf nicht sein, dass an einer Förderschule dafür keine Zeit bleibt, weil zum Beispiel Waffelbacken  oder Basteln wichtiger sind. Übrigens hat mir erst kürzlich eine Mutter, die mir bisher eine überzeugte Anhängerin vom System Förderschule zu sein schien, geschrieben, dass ihr Sohn, ebenfalls Down-Syndrom, nicht lesen und schreiben könne. Als Begründung schreibt sie: "Es hat noch niemand einen richtigen Zugang zu ihm gefunden" und dann: "Für mich ist und bleibt die Förderschule ein Kindergarten für ältere". Ist das nicht traurig?

Ich habe in den vergangenen zwanzig Jahren viele Lehrerinnen (und Lehrer) kennenlernen dürfen - beruflich wie privat. Bei keiner von ihnen könnte ich mir vorstellen, dass sie  für das eigene Kind einen Stundenplan, wie ihn Henri hat, akzeptieren würde. Wenn die Lehrer der Förderschule in unserer Situation wären und ein Kind mit einer geistigen Behinderung hätten - sie würden nicht nur verstehen was uns umtreibt, sondern für die Bildung ihres Kindes kämpfen - ganz sicher!

 

Wir wünschen Henri, dass man ihm das gleiche Recht zu lernen zugesteht wie anderen, nicht behinderten Schülern. Er soll nicht das Gleiche lernen wie alle anderen, sondern dort abgeholt werden, wo er steht. Der Rückzug auf die Vermittlung von hauswirtschaftlichen Tätigkeiten und die Vorbereitung auf die Werkstatt reduziert Menschen auf ihre Behinderung, übersieht wertvolles Potential und behindert dessen Entwicklung.

 

Nachtrag: Als Henri heute zu Bett gegangen ist, schaute er mich mit ernstem Blick an und fasste das Geschehene in seinen Worten zusammen:

 

Heute bin ich traurig ... Essen ...  Fischstäbchen - morgen bin ich wieder froh. 😥 🤗❤️

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Unser Kind hat eine Behinderung - eine neue Folge von "Frag mich doch" (@ Aktion Mensch)

Mein Erfahrungsbericht zur Pränataldiagnostik ist nun schon ein ein paar Jahre alt und es fällt mir immer noch schwer, meine eigenen Zeilen zu lesen. Dass es mir gelingen würde, in einem öffentlichen Raum darüber zu sprechen, habe ich mir anfangs nicht vorstellen können. Als wir im Oktober von Aktion Mensch für ein Gespräch im Rahmen der YouTube-Reihe Frag mich doch für ein Gespräch angefragt wurden, haben wir dennoch zugesagt. Ein solches Video mit einer sog. "betroffenen" Familie hätte es mir vor mittlerweile 17 1/2 Jahren leichter gemacht, mich mit der erst einmal schockierenden Nachricht abzufinden und vielleicht sogar etwas Vorfreude aufkommen lassen. Die lange Zeit von der Diagnose Down-Syndrom in der 24. Schwangerschaftswoche bis zur Geburt wäre ganz bestimmt weniger belastend gewesen, wenn wir die Gelegenheit gehabt hätten, Familien wie unsere kennenzulernen. Wir hätten erleben können, dass ein Kind mit Down-Syndrom garantiert nicht weniger Freude und Glück in eine Familie bringt als ein Kind ohne Behinderung. 

Auch wenn ich deutlich wahrnehme, dass mir das Schreiben mehr liegt als das spontane Sprechen vor laufender Kamera ;-),  zeige ich euch hier das Frag-mich-doch-Video, das am 26.November 2019 online ging.

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(K)ein ganz normaler Junge - Wandern im Wallis

Im September fragte ein Redakteur von Aktion Mensch an, ob wir uns vorstellen können, bei einer Folge Frag mich doch mitzumachen. In dieser auf dem YouTube-Kanal von Aktion Mensch veröffentlichten Serie geht es um alles, was mit Inklusion zu tun ... und machmal leider auch gar nix zu tun hat. Nach ein paar Vorgesprächen war klar, wir sind dabei und schon knapp drei Wochen später haben wir uns auf den Weg nach Bonn gemacht - einerseits ziemlich aufgeregt, andererseits mit der Gelegenheit, einmal öffentlich über unsere persönlichen Erfahrungen mit Pränataldiagnostik sprechen zu können. 

Wer Henri kennt, weiß, dass er wenig mitteilsam ist und flüssige Gespräche mit ihm eher die Ausnahme sind ;-). Dennoch, wir bleiben dran - so auch im Auto, als ich auf das Thema des Drehs zu sprechen komme. Ich sage Henri, dass es vor allem um Behinderung gehen wird und es schön wäre, wenn er auch mitspricht - und sich nicht mit dem Standard"satz" Keine Ahnung!  entzieht. Ganz schnell zeigt sich, dass Behinderung nun gar kein Thema ist, worüber er gerne sprechen würde. Ich versuche es mit einfachen Worten Aber du weißt schon, dass du behindert bist? Eigentlich war klar, wie die Antwort aussehen würde: Bin nicht behindert. Und dann sagt er uns, wie er sich selbst sieht (sehen möchte?!):

 

Ein ganz normaler Junge - sagt er wörtlich.

 

Wir reden dann auch noch über das Down-Syndrom, aber auch das haben andere Kinder und nicht er. Bestimmt gibt es LeserInnen, die einwenden, dass es nicht gut ist, mit dem Kind so offensiv über die Behinderung zu sprechen und vor allem auch, sie so zu benennen. Ich gehe soweit mit, dass Mensch mit Behinderung eine gute Alternative ist, aber es wäre doch völlig unnatürlich, wenn ich Henri fragen würde, ob ihm bewusst ist, dass er ein Mensch mit Behinderung ist? Im Rahmen dieses Blogeintrags habe ich im Internet recherchiert und ganz unterschiedliche Bewertungen zu dieser Frage gefunden. Raul Krauthausen,  (Wer ist das?), Inklusionsaktivist, empfiehlt übrigens behinderter Mensch, weil der Begriff auch im Sinne von wird behindert verstanden werden kann - dazu unten mehr. 

Als wir letzte Woche mit Henri im Fitnessstudio waren, hörte ich, wie sich zwei Menschen über die Arbeit in einem inklusiven Kindergarten der Lebenshilfe unterhielten. Immer wieder fiel Kinder mit Beeinträchtigung und Kinder ohne Beeinträchtigung - beide haben die Kinder in genau zwei Gruppen unterteilt: Die mit und die ohne Beeinträchtigung. Weil sie einen offenen Eindruck machten, habe ich nachgefragt, ob der Begriff behindert mittlerweile auch bei der Lebenshilfe obsolet ist. Nein, nein, antwortete mir die Auszubildende bei der Lebenshilfe, aber sie wolle mit Respekt von den Kindern sprechen und behindert sei irgendwie diskriminierend. Auch ihr Gesprächspartner sprach von Wertschätzung und dass er diese Kinder nie behindert nennen würde. Ich habe dann auch über meinem Standpunkt gesprochen und dass ich es Henri gegenüber keineswegs als respektlos empfinde, wenn ich jemandem von meinem Leben mit meinem behinderten Kind berichteHenri hat gleich mehrere Einschränkungen, die ihn im Alltag behindern - insofern würde auch Kind mit Beeinträchtigungen passen. Mir ist nur nicht klar, warum diese Bezeichnung respektvoller sein soll? Beide Begriffe beschreiben Defizite, die ihm das Leben im Vergleich zu dem nicht behinderter Kinder oft richtig schwer machen. Da gibt es aber noch ein andere Beschreibung, die ich von meiner Freundin, der Förderlehrerin kenne, auch wenn sie sie selbst ungern verwendet: Kinder mit besonderem Förderbedarf ... das ist richtig positiv :-), denn man könnte dieser Gruppe sogar die Hochbegabten zuordnen ;-). 

Je älter Henri wird und je mehr Erfahrungen wir mit ihm in einem oftmals nicht inklusiven Umfeld machen, umso mehr bin ich überzeugt, dass es wenig hilfreich ist, einfach den Begriff behindert für tatsächlich bestehende Einschränkungen verschiedenster Art durch einen anderen Ausdruck zu ersetzen in der Annahme, man bringe den betroffenen Menschen auf diese Weise mehr Respekt entgegen und wirke so gleichermaßen auch Diskriminierung entgegen. Es ist doch nicht das Wort behindert, das diskriminiert, sondern die Haltung den Menschen gegenüber. Den größten Dienst erweisen wir ihnen, wenn ihnen weitestgehende Teilhabe an einem Leben ermöglichen, das für Nichtbehinderte selbstverständlich ist. Ist es für einen Menschen im Rollstuhl nicht viel hilfreicher, wenn zum Beispiel Bahnhöfe und Züge endlich barrierefrei gestaltet werden als sie social correctness geschuldet Menschen mit Beeinträchtigung oder gar Menschen mit besonderen Fähigkeiten zu nennen? 

 

In den letzten Tage habe ich viele Artikel und Meinungen lesen und mir auch Videos von Betroffenen angesehen, die sich alle mit der Frage beschäftigen, welche Bezeichnungen für einen Menschen mit Behinderung am passendsten und vor allem nicht diskriminierend ist. Klar nennt man sie am besten beim Namen ;-) (wie es in einem Cartoon vorgeschlagen wird) - aber es gibt doch ständig Situationen, in denen der Name leider nicht ausreicht, um den in diesem Fall entscheidenden Aspekt zu verdeutlichen. Wenn mich jemand fragt, warum ich abends keine Termine mache, ist es für den Fragenden nicht gerade einleuchtend, wenn ich sage, dass mein Sohn Henri heißt und 17 Jahre alt ist. Dagegen versteht jeder den Hinweis,  dass er Down-Syndrom hat oder (für diejenigen, die den Begriff nicht kennen) behindert ist und daher - auch wenn er schon 17 ist -  am Abend Hilfe braucht und nicht alleine Abendbrot macht und im Anschluss zu einer angemessenen Zeit zu Bett geht. Natürlich sind die meisten, die uns als Familie nicht kennen, erst einmal betroffen und Rückfragen sind selten. Aber sie wären nicht weniger irritiert, betroffen oder machmal auch geschockt, wenn ich sagen würde, Henri sei ein Kind mit Beeinträchtigung / ein Kind mit besonderem Förderbedarf / ein Kind mit besonderen Fähigkeiten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass auch nur bei einem einzigen, dem ich von Henri und unserem Leben mit ihm erzähle, der Eindruck entsteht, ich hätte keinen Respekt vor ihm. Das ist keine Frage der Wortwahl - und selbst wenn ich Downie sage, spüren doch alle meine Liebe und Verbundenheit mit meinem Kind. 

 

Ich verlinke einen Blogartikel von Raúl Krauthausen, in dem er seine Gedanken zu dem vermutlich gut gemeinten Satz Ich sehe dich gar nicht (mehr) als Behinderten. beschreibt. Er schreibt: Immer wieder versuchen Menschen, oft Menschen ohne Behinderungen, mich von meiner Behinderung zu trennen. ... Wenn man solche Dinge zu mir sagt, dann ist es wahrscheinlich gut gemeint. Oder vielleicht denkt man, es wäre nett und motivierend. Aber ich empfinde es nicht so. Im Gegenteil. Meine Behinderung beeinflusst mich immer und überall. Ich kann (und will) sie nicht einfach ablegen, wie ein unbequemes Hemd oder einfach ignorieren, wenn ich vor einer Stufe stehe. 

 

Rauls Behinderung ist keine kognitive (geistig sagt man nicht mehr, wie ich seit ein paar Tagen weiß), dennoch empfinde ich es bei Henri ähnlich. Nur, dass nicht Treppenstufen, sondern andere Hürden (kognitiver und leider auch sozialer Art), ihn immer und überall beeinflussen. Mir spricht der Artikel aus der Seele und ich würde gerne noch mehr daraus zitieren - lest ihn am besten selbst. Zum Schluss nur noch Raúls Bitte an seine LeserInnen: 

 

Ignoriert unsere Behinderungen nicht. Wir brauchen keinen Trost. Wir brauchen Empathie und eine barrierefreie Welt.

 

Dazu passen sehr gut meine Erfahrungen im Umgang mit Menschen ohne Behinderung. Es geht um die Einschätzung, dass Henri eigentlich ein ganz normales Kind ist - denn jedes Kind ist anders. Ich fühle mich mich immer noch (!) unter Druck, wenn ich von Eltern nicht behinderter Kinder, aber auch im weiteren Umfeld höre, dass alles, was mich im Umgang mit Henri immer wieder ratlos macht, auch bei Kindern ohne Behinderung vorkomme. Die vermeintliche Normalität von Henris Verhalten macht es mir in diesen pubertären Zeiten ganz besonders schwer. Wir haben jeden Tag Situationen, die in dieser Art bei einem nicht behinderten Kind nicht vorkommen und Kommentare wie Das ist doch bei anderen Kindern genauso, denn jedes Kind ist anders. mögen als Trost gemeint sein, sind meinem Empfinden nach eher ein Ausdruck von Unverständnis. Ich tausche mich manchmal aus mit Müttern, die auch ein Kind mit Down-Syndrom haben. Die Situationen, die mich und unsere Familie immer wieder an unsere Grenzen bringen, gibt es so ähnlich auch in anderen Familien mit pupertierenden Jugendlichen mit Down-Syndrom. Für mich ist es immer wieder tröstlich oder zumindest erleichternd, zu hören, dass auch diese Mütter um Lösungen für Schwierigkeiten ringen, die sie von ihren nicht behinderten Kindern nicht kennen.

 

Ein Beispiel: Schon seit Wochen sprechen wir darüber, dass es Ende Oktober eine inklusive Disco für Menschen mit und ohne Behinderung geben wird. Zum ersten Mal seit Tannheim soll Henri endlich wieder einmal Gelegenheit haben, so richtig abzutanzen und wir sagen sogar andere Termine ab, damit sie Henri nicht entgeht. Auch Henri freut sich und überlegt sich schon am Tag zuvor, wie er sich cool anziehen könnte. Eine gute Stunde vor der geplanten Abfahrt, Henri müsste nur noch duschen und sich anziehen - kippt plötzlich die Stimmung. Henri sitzt auf dem Sofa und ist plötzlich nicht mehr ansprechbar. Die Zeit wird immer knapper ... jetzt müsste er sich schon richtig beeilen, wenn wir pünktlich sein wollen, sagen wir ... Es gibt Momente, wo der Schalter plötzlich wieder umspringt und eine scheinbar verfahrene Situation sich zum Guten wendet. Manchmal genügt es, wenn ich alles andere ausblende und mich völlig auf Henri einlasse, ihm die richtige Frage stelle oder seine Stimmung mit dem genau richtigen Satz zusammenfasse. Mama lieb! sagt er dann, umarmt mich und wir sind wieder ein Team. An diesem Tag soll es nicht sein, alle Bemühungen bleiben erfolglos ... irgendwann geben wir auf und per WhatsApp sage ich der Bekannten, die uns eingeladen hat, mit schlechtem Gewissen ab. Sie hat keine Tipps für bessere Erziehungsmaßnahmen, sondern Verständnis und berichtet von einer ähnlichen Situation, die sie erst kürzlich mit ihrem Sohn hatte. Er hat übrigens auch Down-Syndrom...

 

Unsere Kinder sind "anders anders" und der Grund  liegt nicht darin, dass wir sie falsch erzogen haben ... wie mich vor zehn Jahren ein Therapeut glauben machen wollte. Ein Therapeut, der jede Verhaltensauffälligkeit von Kindern und Jugendlichen mit Down-Syndrom den Eltern bzw. mangelnder erzieherischer Kompetenz anlastet. Übrigens der gleiche, der meinte, wir würden unserem Sohn Chancen vorenthalten, wenn wir innerlich von vornherein ausschlössen, dass Henri mal Mathematik-Professor wird (#allesistmöglich).

 

Was wünsche ich Henri: Als erstes offene Menschen um ihn herum. Dass er mit oder trotz seiner Besonderheiten, Einschränkungen - seiner Behinderung -  teilhaben darf an einem Leben, das für die Menschen / Kinder aus einem Umfeld selbstverständlich ist. Ich bin sicher, er hat eine Vorstellung von ganz normaler Junge - und er fühlt und betrauert, dass er es nicht ist... und schon gar nicht behindert.  Es hilft ihm und uns nicht, wenn Menschen sagen, dass er doch eigentlich ein ganz normales Kind ist - dagegen ist es ein großes Geschenk, wenn er weitgehende Normalität im Miteinander erleben darf. Dazu braucht es keine sonderpädagogische Zusatzausbildung - eine offene und emphatische Haltung reicht völlig aus. Es gibt vieles, was besser sein könnte in Henris Alltag, aber es gibt auch Erfahrungen, die uns in Sachen Teilhabe Mut machen:

Ich hatte schon geschrieben, dass Henri seit einem halben Jahr zum Hip-Hop geht - mit viel Freude und ganz ohne Assistenz. Dass die anderen Kinder jünger sind, scheint ihn nicht zu stören und wir freuen uns mit ihm, wenn er sich freitags nach dem Klavierunterricht ohne Aufforderung seine kurze Sporthose anzieht (die er offenbar besonders cool, vielleicht auch sportlich findet ;-) und sich für die Abfahrt zum Hip-Hop bereithält.

Ähnlich ist es auch bei der örtlichen Jugendfeuerwehr, der er seit dem Sommer angehört. Die BetreuerInnen integrieren ihn, so wie er ist - mit seinen Eigenheiten scheinen sie einen guten Umgang gefunden zu haben. Zum Beispiel, als Henri beim Ausflug in den Freizeitpark plötzlich sein Capt'n-Sharky-Lineal vermisst hat und (was sehr selten vorkommt) sogar Tränchen geflossen sind, wie sie uns beim Abholen berichten. Sie hatten schon auf der Hinfahrt im Bus bemerkt, dass das mit Flüssigkeit gefüllte Lineal kein gewöhnliches Messinstrument, sondern für Henri das beste Entspannungsutensil überhaupt ist, und konnten so im ( für Henri) nahezu größten Notfall mit Verständnis reagieren. Dass Henri das Lineal auf der Rückfahrt wieder zur Verfügung hatte, lag daran, dass er es zusammen mit seinem Handy, in dem eine Visitenkarte mit Mamas Kontaktdaten steckt,  hatte liegen lassen. Als die Parkinfo des Parks anrief und mich fragte, ob ich die Mutter von Henri sei, ist mir erst einmal der Schreck in die Glieder gefahren. Sie konnte ja nicht wissen, dass Henri mit der Feuerwehr unterwegs ist und die Mutter nicht im Park, sondern bei der Gartenarbeit ist. Gerade noch rechtzeitig vor Abfahrt des Busses erreichte ich die Betreuerin, auf ihrem Handy.  - Glück für Henri, dass sie das Lineal samt Handy (das er nicht vermisst hatte) gleich abholen konnte.

 

 

30. September 2019 / Opposition Studios in Bonn

Cool sein, wird für Henri immer wichtiger. Auch vor den Dreharbeiten für Frag mich doch gibt er sich ziemlich cool... zumindest bis es richtig losgeht ;-). Die Atmosphäre und das Team ist wirklich entspannt - dennoch war es für uns alle auch aufregend und das freie Sprechen über sehr emotionale Themen fällt mir vor laufender Kamera schwerer als im Vorgespräch. Auf der Rückfahrt gibt sich Henri bei Kaffee und Kakau wesentlich lockerer  als während des Drehs. Und ich frage mich, was das wohl für ein Video wird und ob es mir gelungen ist, mich so auszudrücken, dass bei den  ZuschauerInnen ankommt, was mir ein Anliegen ist.  

 

4. Oktober 2019 

An unserem ersten Tag im Wallis wandern wir vom Saas Almagell  aus nach Plattjen hoch über Saas Fee. Es ist eine lange Wanderung, die viel Ausdauer erfordert. Henri darf diesen ersten Tag ganz entspannt mit Oma und Opa und kleinen Spaziergängen verbringen. 

 

5. Oktober 2019

Am zweitenTag geht es von Saas Almagell aus über den Kapellenweg nach Saas Fee. An der Kapelle zur Hohen Stiege treffen wir uns zur Mittagsrast.

 

5. Oktober 2019 / Kapelle zur Hohen Stiege in Saas Fee

Wie so oft sitzt Henri etwas abseits von der Gruppe. Die Stimmung steigt, als er die Idee bekommt, dass ich ihn und seine liebste Cousine Marielle fotografiere, damit er ein neues Foto für seinen Startbildschirm hat. Henri ist glücklich - auch wenn sein großer Wunsch, dass Marielle nur mit ihm und mit keinem sonst befreundet ist, auch durch das schönste Foto zu zweit natürlich nicht erfüllt werden kann. 

 

5. Oktober 2019

Als Amelie mitbekommt, dass ich das Licht gerade so schön finde, möchte sie auch Fotos ... und zwar nicht nur von ihr, sondern auch zusammen mit Elias und Marielle. Henris gerade noch gute Stimmung fällt mit einem Mal in den Keller, als er beobachtet, dass Amelie nun mit Marielle am gleichen Baum steht wie er zuvor. Erst einmal ist er regelrecht erzürnt, später traurig und fast untröstlich. 

 

5. Oktober 2019 - auf dem Heimweg nach Saas Almagell 

#Freunde - Henri wünscht sich eine Freundin nur für sich. Wie gut, dass er so liebe Geschwister hat, die ihn oft besser trösten können als die Mama. 

 

6. Oktober 2019 Kreuzboden / Saas Grund 

Für heute ist der Höhenweg geplant, eine traditionsreiche Wanderung am Berg entlang - das Wetter ist gut und alle freuen sich auf die schöne Tour. Als wir auf Kreuzboden aus der Gondel steigen, habe ich keine Zweifel, dass Henri den Weg mit der Gruppe anderen mitgehen wird und freue mich, wir noch einmal alle zusammen wandern :-). Ich flitze nur noch schnell die 200 Meter rüber zu meinem Lieblingssee, um vor dem Start ein paar Fotos zu machen. Derweil setzt sich Henri neben die Rutsche am Kinderspielplatz ... schweigt und steht nicht mehr auf. Auch nicht, als ich vom See aus zu ihm zurückkomme, dann vorgehe (die Gruppe ist bereits unterwegs), um ihn zu motivieren, aufzustehen und wieder zurück, um ihn abzuholen. Dirk und Elias stehen neben ihm und geben alles und auch Marie bietet Unterstützung an - sie und Kirsten kommen zurück, obwohl sie mit der Gruppe bereits eine Wegstrecke gegangen sind. Henri sitzt unbeweglich auf seinem Platz und schweigt - rien ne vas plus...

Am Ende fahren Dirk und Elias mit Henri mit der Gondel zurück ins Tal. Ich darf oben bleiben und gehe dann allein den Rückweg zu Fuß. Es tut mir gut und entschädigt mich ein wenig für den ausgefallenen Höhenweg.

 

7. Oktober 2019 - Mattmarksee  (2197 m)  

Der Rest der Gruppe hat für heute eine anspruchsvolle Tour geplant, die Henri nicht mitgehen könnte. Dirk, Elias, Henri und ich fahren wir mit dem schönen Schweizer Postauto zum Mattmark und machen uns dann auf den Weg zur Schwarzbergalp. Am Anfang der Wegstrecke gibt es zwei Tunnel - einen Fußgängertunnel mit Lichtschächten, direkt am steilen Hang zum See hinab. Daneben ist ein Tunnel für Baustellenfahrzeuge, ohne Lichtschächte und verboten für Fußgänger. Links oben seht ihr die Brüder am Anfang des Tunnels. 

 

7. Oktober 2019 - Schwarzbergalp

Richtig schön ist es hier oben - auch wenn die Wanderung heute kürzer ausgefallen ist, genieße ich es, hier zu sein. Es ist Dirks vorläufig letzter Tag und auch Elias wird heute Abend mit ihm nach Deutschland  zurückfahren. 

 

7. Oktober 2019

Auf dem Rückweg gibt es noch zwei Schreckminuten ... Wie immer geht Henri mit einem Abstand von etwa 15-20 Meter hinter uns her. Dirk und Elias gehen vorne und wie auf fast jeder Wanderung halte ich als eine Art Bindeglied die Verbindung zu Henri. Als ich mich im Tunnel umdrehe, wundere ich mich, dass Henri nicht hinter mir ist. Ich renne zurück zum Anfang des Tunnels und weil Henri nicht zu sehen ist, vermute ich, dass er sich einen Spaß machen wollte und den anderen Tunnel genommen hat. Ich rufe hinein ... immer lauter ... Henri antwortet nicht ... ich schreie... immer lauter... Keine Antwort. Direkt neben mir der Hang hinunter zum Stausee. Ich habe Angst, und wage nicht, hinunterzusehen. Da kommt Elias zurück, ruft mit lauter Stimme in den Tunnel hinein - aber auch er bekommt keine Antwort. Ich bitte ihn, den Hang hinab zu schauen  - er  tut es, auch wenn er sich sicher ist, dass Henri den anderen Tunnel genommen hat. Dann rennt er in den zweiten Tunnel, holt Henri ein, sieht, wie er mit schnellem Schritt auf den Ausgang zueilt. Aus dem Tunnel heraus gibt Elias die erhoffte Entwarnung. Vermutlich wollte Henri uns überholen, vielleicht wollte er auch einfach nur den anderen Tunnel von innen sehen. In dieser Situation erlebe ich das sonst einfach nur nervige Nichtantworten  ganz anders und stehe völlig neben mir - die Erleichterung kommt viel später als bei den anderen. Der große Bruder nimmt erst mich in den Arm und später den kleinen ins Gebet. 

 

 8. Oktober 2019 - Weissmieshütte 

Wieder fahren wir mir der Gondel auf Kreuzboden und wandern von da aus hinauf zur Weissmieshütte. Es ist der erste Tag, an dem ich mit den Henri und Amelie alleine bin, denn auch Marie und Kirsten sind am Morgen abgereist. Der relativ steile Aufstieg klappt prima - Henri ist motiviert und ich bin erst einmal erleichtert. Oben angekommen möchte Henri Fotos: Erst ein Foto mit Marielle und dann eines mit Marielle und Jakob. Ganz wichtig für ihn: Amelie auf keinem Foto sein dabei. Ich schlage vor, das wir erst ein Cousins-/Cousinenfoto mit allen Vieren machen und danach bekommt Henri seine gewünschten Fotos. Amelie ist außer sich, zieht sich hinter die Hütte zurück und es dauert eine Stunde, bis sie wieder gesprächsbereit ist. Auch dass Henri sich mit ausgestreckter Hand entschuldigt und sich dann in gebührendem Abstand neben sie setzt, kann sie nicht umstimmen. Und wieder mal gibt es kein gemeinsames Foto für Omas Kalender... 

 

8. Oktober 2019

Auch der Rückweg zum Kreuzboden ist für Henri kein Problem. Die anderen gehen vor und Henri und ich bilden das Schlusslicht der Gruppe. Auf Kreuzboden grillen und picknicken wir alle zusammen an der Feuerstelle. Henri findet schnell Anschluss an die andern Kinder, macht seine Scherze und Amelie ist voller Vorfreude auf die Trottifahrt. Alles wieder gut :-). Nach dem Picknick fahren die Kinder (außer Henri, der bis zu seiner nächsten Wirbelsäulenkontrolle im Sommer nicht fallen darf) mit den Monster-Trottis ins Tal, einige Erwachsene fahren mit der Gondel und nehmen Henri mit und ich darf den Weg hinunter ganz für mich genießen - ich mag diesen Weg über die Triftalp so sehr und bin dankbar, dass mir diese Auszeit gegönnt ist.

 

11. Oktober 2019 - Zermatt! 

Dirk ist zurück aus Offenburg und ich bin voller Vorfreude auf Zermatt! Henri bleibt heute bei Oma und Opa, Amelie geht mit der Gruppe einen anspruchsvollen Weg, den ich mir mit meiner Höhenangst nie und nimmer zutrauen würde und Dirk und ich gehen den traumhaft schönen 5-Seenweg. Soo  wunderschön - vom Glücksgefühl kommt es der Zeit in Island ziemlich nahe. 

 

11. Oktober 2019 - Zermatt

Ein Ausflug nach Zermatt ist nicht gerade ein Schnäppchen. Für den Zug und die Bergbahn auf Sunnegga werden pro Person 60 € fällig. Daher und auch weil er keine besondere Bindung zu Zermatt  hat, ist Dirk, was diesen Ort betrifft, immer sehr zurückhaltend. Weil er weiß, dass es für mich ein wahrer Sehnsuchtsort ist,  lässt er sich auch dieses Jahr wieder motivieren, mich zu begleiten :-).

 

12. Oktober 2019 - Furggalp / Saas Almagell 

Heute sind wir mit der Familie meines Bruders unterwegs. An unserem letzten Tag zieht es uns auf die Furggalp. Noch einmal genießen wir die Schönheit des Wallis in vollen Zügen. Ach, ich könnte noch bleiben!

 

12. Oktober 2019 - (keine) Freunde

Immer wieder überkommt Henri eine tiefe Traurigkeit ... manchmal kündigt es sich an, manchmal unvermittelt und für uns kaum nachvollziehbar: Dass er sich nicht richtig erklären kann, macht es noch schlimmer. Alles, was er in solchen Situationen sagt, ist Freunde! An diesem Tag fällt es ihm wohl besonders schwer, die Nähe und Freundschaft zwischen Amelie und Marielle zu erleben. Er setzt sich abseits, den Kopf in den Händen. Ich bin froh, das Amelie sich ihn zuwendet - auch der Versuch zu trösten, kann helfen.

 

12. Oktober 2019

Zum letzten Mal auf dem Weg ins Tal. Für die anderen bildet der Erlebnisweg den krönenden Abschluss des Urlaubs. Ein alpiner Weg mit zwei Hängebrücken und einigen gut gesicherten Felspassagen, der traumhafte Aussichten auf die Saaser 4000-er Bergwelt bietet, Schwindelfreiheit voraussetzt und laut outdooractive gut geeignet ist, die eigene Höhenangst zu testen. Dies habe ich bereits vor zwei Jahren erledigt und so ist Henri nicht der alleinige Grund, dass Dirk und ich mit ihm und den Hunden den Waldweg hinunter nach Saas Almagell gehen.

 

13. Oktober 2019

Die Heimfahrt fährt uns am Genfer See vorbei - schon wieder ein Ort, an den ich bald zurückkommen möchte. Henri ist guter Dinge, freut sich auf zu Hause und ist in Schmuse- und Fotografierstimmung. 

 

14. und 22. Oktober 2019 - Alltag im Wiesental 

 

 

23. Oktober 2019 im Fitnessstudio

Mittlerweile hat Henri seine eigene Mitgliedskarte und macht die Übungen weitgehend selbständig. In der Regel beginnt er mit 45 Minuten Ausdauertraining auf dem Laufband oder Fahrrad - ohne Kopfhörer wäre er wohl weniger motiviert. Es folgt Krafttraining an den Geräten, bei dem Henri immer wieder seine Arm- und Beinmuskeln begutachtet ;-). Zum Schluss lässt er es auf dem Laufband auslaufen. 

 

 

26. Oktober 2019 - Henri, wie er sich selbst gerne sieht

Eine Familie im Baugebiet hat zum Lichterfest eingeladen - und Henri macht sich cool :-).

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Freunde

Freunde - Tag für Tag begleitet uns dieses Wort - Henri sagt es leise vor sich hin, er flüstert es, wenn er mit traurigem Blick auf dem Sofa liegt und ich ihn frage, wie es ihm geht. Mit diesem einen Wort ist alles gesagt - es braucht keine weiteren Worte. Ein schwacher und nur kurz vorhaltender Trost kann sein, wenn ich mit ihm zusammen seine Freunde auf- und dabei an den beiden Händen abzähle. "Siehst du,  sooo viele Freunde hast du  - sage ich und fühle mich mies, weil wir doch beide wissen, dass die Kinder/ Jugendlichen ihn zwar mögen - aber Freunde sind es nicht. Es sind immer die gleichen Kinder, die er dann aufzählt: Zwei Nachbarskinder, zwei Kinder aus der Reha in Tannheim (zu denen er seitdem keinen Kontakt mehr hat) , seine Cousine, sein Cousin und Juri, der wohl am ehesten die Kriterien für einen Freund erfüllt. Der Hund ist jedenfalls immer für ihn da und er kann auch trösten.

Die meisten Kinder sind nett mit Henri und machmal spielen sie auch mit ihm - er wird nicht ausgegrenzt und gehört doch nicht dazu. Wie sich Dazugehören anfühlt - das erlebt Henri bei uns zu Hause, auch wenn er seine Oma besucht und wir uns mit der Familie meines Bruders treffen - da ist er tatsächlich mittendrin. Dass man auch außerhalb der Familie ein Gefühl der Zugehörigkeit (man könnte es auch Teilhabe nennen) haben kann, erlebt er jeden Tag, wenn Amelie mit Freundinnen telefoniert, chattet, sich mit ihnen verabredet, am Wochenende bei ihnen schläft oder zu Geburtstagen eingeladen ist. Manchmal schreibt er WhatsApp-Nachrichten an seine "Freunde" (die jedoch in Wahrheit Amelies Freunde sind) , fast immer mit dem gleichen Inhalt:  Amelie hat keine Freunde. Sie schafft es selten,  darüber zu stehen, in der Regel nicht ... ich kann sie ja verstehen. 

Freunde, vielmehr Henris immer stärker werdender Wunsch nach Freundschaften war der wichtigste Grund, warum wir ihn vor einem guten Jahr an der Förderschule angemeldet haben. Ich hatte gehofft, dass er in der Schule mehr Austausch hat, aber auch, dass er wie andere Kinder manchmal  Besuch haben wird, dass er sich mit anderen Kindern treffen kann - ein Stückweit Normalität hatte ich ihm gewünscht. Im vergangen Jahr hatten wir nicht einmal Besuch von einem Kind seiner Schule, es gab kein einziges Treffen nach der Schule.  Henri wurde seit zwei Jahren nicht zu einem Kindergeburtstag eingeladen, weder von Mitschülern noch von anderen Kindern. Die Lehrer sagen, Kontakte nach der Schule seien schwierig, die Schule hätte einen relativ großen Einzugsbereich. Es seien auch nicht alle Eltern so engagiert und man könne das auch nicht zwingen. In der Förderschule gibt es einen (ebenfalls geistig behinderten ) Jungen, den Henri unglaublich gerne mag - ein Besuch dieses Jungen bei uns zu Hause wäre das Größte für ihn. Ich suche seit Monaten Kontakt mit den Eltern und die Mutter schrieb mir, sie sei beschäftigt, sie habe keine festen Arbeitszeiten, ihr Vater sei krank... Ich war zäh, habe immer wieder angeboten, M. abzuholen und wieder heimzufahren oder Henri zu M.  zu fahren ... ich würde alles tun, um Henri diesen Gefallen zu tun - aber es soll wohl nicht sein. Zum Konzept der Förderschule und wie es Henri dort geht, schreibe ich mal einen extra Blogbeitrag. Für heute sei nur gesagt, dass er dort leider keine Freunde gefunden hat. 

Schon vor den Sommerferien habe ich einen Aktionsplan mit einem klaren Ziel entworfen. Wir müssen das Kind unter die Leute bringen sagte ich mir und bin mit Dirks Unterstützung schon ein gutes Stück weitergekommen. Zunächst habe ich mir überlegt, was er gerne tut und dabei ist mir das Tanzen eingefallen - seit über drei Monaten geht er schon zum Hip-Hop des örtlichen Turnvereins - ihm gefällt's und mir auch, wenn ich ihn am Freitagnachmittag nach dem Training gut gelaunt abhole. Die Trainerinnen sind richtig nett, offen und bemüht - und auch wenn Henri dort wohl keine Freunde finden wird (in seiner Gruppe sind Mädels etwa zwischen 8 und 12) , ist das Tanzen neben Schwimmen und Fitnessstudio ein schöner Sport und Ausgleich für ihn.

Beim Nachdenken darüber, was Henri interessiert, ist mir natürlich auch Feuerwehrmann Sam eingefallen und ich fragte mich, ob es wohl möglich wäre, dass Henri mal bei der Jugendfeuerwehr reinschnuppert. Ich hätte kaum gewagt, zu fragen, aber Dirk war mutiger und sie haben ihn tatsächlich aufgenommen. Dafür bin ich den Leitern der sehr aktiven Jugendfeuerwehr wirklich dankbar! Es gibt dort auch einen weiteren Jungen mit Down-Syndrom, M. ist bereits 18 und nimmt Henri ein bisschen unter seine Fittiche :-). Heute hat die Jugendfeuerwehr einen Ausflug in einen Freizeitpark gemacht und auch Henri war dabei ... ohne Assistenz, aber dennoch gut aufgehoben, besser sogar. 

 

Ich teile diesen Blogeintrag auf Facebook, wo er vielleicht auch von Menschen in unserer näheren Umgebung gelesen wird. Wenn jemand von euch eine weitere gute Idee hat, wie wir Henri Freizeitkontakte, wie sie für andere Jungs in seinem Alter selbstverständlich sind, ermöglichen könnten, freue ich mich sehr über eure Nachricht. Danke!

 

 

23. August 2019

#Aktionsplan: Erste Kontakte bei der örtlichen Feuerwehr 🚒

 

 

28. August 2019 - Henri feiert seinen 17. Geburtstag

Der Tag beginnt mit unserem traditionellen Singen am Bett, beim Frühstück waren wir noch zu viert. Das schönste Geschenk war ganz sicher sein neues (unzerkratzes ;-) Capt'n Sharky Lineal.  

 

 

28. August 2019

Marie und Elias sind aus Tübingen und Heidelberg gekommen und wir verbringen einen Tag alle zusammen. Das Bootfahrten auf dem Weiher war natürlich Henris Wunsch und die Süßkartoffelpommes im veganen Restaurant auch.

 

30. August 2019  - Silodrom Saarbrücken 

#Aktionsplan ;-): Come together - Open Air Rave für Menschen mit und ohne Behinderung 

War richtig gut und wird auf jeden Fall wiederholt !

 

 

12. September 2019

Wir besuchen Henri bei seinem zweiten Praktikum in der Werkstatt für angepasste Arbeit.

Zwei Wochen hat Henri an diesem Arbeitsplatz verbracht und zeigt uns nun stolz, wie er die zwei Teile zusammenfügt. Alle sagen, die Arbeit gefalle ihm gut - wir haben noch zwei Jahre Zeit gerade erst angefangen, uns zu informieren, was es inner-  und außerhalb der Werkstatt für Möglichkeiten gibt. 

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Unsere Familienseite - endlich aktualisiert

Völlig überholt war unsere Familienseite - die Aktualisierung habe ich seit (mittlerweile) Jahren vor mir hergeschoben. Nun gab es einen Anlass, den guten Vorsätzen endlich Taten folgen zu lassen. Am kommenden Montag sind wir zu einem Dreh für Aktion Mensch in Bonn eingeladen - und zack ist die Seite wieder aktuell :-).

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Familienzeit am Meer

Unsere Familienzeit am Meer ist schon eine ganze Weile her und bevor wir uns auf den Weg in die Walliser Berge machen, berichte ich euch wenig, wie wir die Zeit an der Costa Brava in Katalonien verbracht haben.

Es war unser erster Urlaub, den wir nicht alle zusammen (@ Henri) verbracht haben - auch wenn die Großen manchmal später anreisten oder früher fuhren, gab es in den vergangen Jahren doch immer Zeiten, wo wir alle um den kleinen Tisch auf der Terrasse unseres Bungalows versammelt waren. Nicht nur Dirk und ich, auch Henri und Amelie schätzen es sehr, wenn wir in den Ferien Zeit mit allen Kindern haben. So gut wir verstehen konnten, dass Elias diesen Sommer eigene Wege und gemeinsame mit seiner Freundin ging, so haben wir ihn dennoch vermisst ... und sind richtig froh, dass er in der Schweiz wieder mit uns am Start sein wird :-). 

Das im Bungalow frei gewordene Bett konnte in Bälde neu besetzt werden und Marie war froh, ihrem Liebsten die Costa Brava zeigen können. Er müsse sich im Klaren sein, was auf ihn zukommt, wenn er sich entschließt,  drei Wochen auf engem Raum mit einer doch lebendigen ;-) Großfamilie zu verbringen, war das Einzige, was ich ihm zu bedenken gab ...  was ihn jedoch nicht abhielt, es zu wagen. Nun haben wir die Erfahrung machen dürfen, dass es durchaus auch Vorteile hat, so einen Familie-Plus-Urlaub zu machen. Ganz abgesehen davon, dass wir die besten Köche mit dabei hatten und diese sogar Freude dabei hatten, uns Tag für Tag mit frischen, gemüsigen  und dazu noch gesunden Gerichten zu bekochen, hatte ich den Eindruck, dass wir alle etwas bemühter waren als sonst, unsere Pferchen, wenn sie gerade mal durchgehen wollen, im Zaum zu halten. Man bedenke, dass wir zwei Pubertierende mit an Bord hatten, Zündstoff wäre also reichlich vorhanden gewesen. Dass die Zeit so harmonisch war, habe ich sehr genossen und ich vermute mal, den anderen ging es auch so.

Es ist eine Zeit des Umbruchs gerade und auch die Tatsache, dass wir immer noch zwei Minderjährige zu Hause haben, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir nun nicht mehr die Familie und die Eltern sind wie noch vor fünf Jahren, als Marie und Elias noch zu Hause wohnten. Wenn Henri und Amelie beklagen, dass sie ihre großen Geschwister zu Hause vermissen, kann ich sie gut verstehen - geht es mir doch ganz genauso. Andererseits ist es auch eine Freude, via social media fast täglich mit ihnen in Kontakt und an ihrem Leben in Tübingen und Heidelberg teilhaben zu dürfen wie sie an unserem. Beide kommen auch regelmäßig nach Hause ... aber genauso schön ist es, sie in den hervorragend ausgesuchten Studentenstädten zu besuchen. Manchmal habe ich das Gefühl, durch Maries und Elias' Studentenleben  (mit-)erleben zu können, was mir bei meinem wohnortnahen Studium nicht möglich war oder ich vielleicht auch nur nicht für möglich hielt. Seit vier Wochen macht Marie ein Auslandssemester in Montpellier - ihre vielen Fotos und Stimmungsbilder zeigen, dass ihr Entschluss genau richtig war. Ich genieße ihren Mut und die Freude, sich an einem unvertrauten Ort neu zurechtzufinden und alles zu genießen, was diese lebendige Stadt (neben Vorlesungen auf Französisch ;-) ihr bietet. 

 

Weiter geht es anhand der Fotos...

 

 

20. Juli 2019 - unser erster Urlaubstag

Urlaub von Anfang an:  Gut, wenn man bei Ankunft direkt weiß, wo's lang geht. Bungalow und Pool sind unverändert und wir nehmen den gleichen Weg zum Strand wie schon in den vergangen fünf Jahren. Noch sind wir nur zu viert - so schön, wieder hier zu sein :-). 

 

21. Juli 2019

Wir haben gute Vorsätze und schon am zweiten Tag ist Fitness angesagt - jeden Tag gehen wir vor dem Frühstück zum Ausdauer- und Muskeltraining. Henri hat nicht immer Lust, aber meist lässt er sich dann doch überzeugen. Handy und Kopfhörer sind natürlich immer dabei - warum sollte es ihm auch anders gehen als uns? 

 

24. Juli 2019

Dieses Jahr kommt zu Luftmatratze und Riesenschwimmring ein neues Wasserspielzeug hinzu... Die Ente ist aber auch der Knaller !

 

26. Juli 2019

Wanderung am Camí de Ronda -  es sind phantastische Eindrücke, die mich zweifeln lassen, ob wir den Sommerurlaub  je an einem anderen Ort verbringen werden. 

 

26. Juli 2019

Stellenweise ist der Camí de Ronda ein durchaus anspruchsvoller Weg, der auch Trittsicherheit erfordert. Dirk übernimmt Elias' Rolle und hilft Henri über Stock und Stein. Noch darf er ja nicht fallen, denn die Wirbelsäulen-OP ist erst sieben Monate her. 

 

26. Juli 2019

Henri ist zufrieden - wie gut, dass er auch so gerne wandert.

 

30. Juli 2019 - Roses : Auf dem Weg zum Punta Falconera

Eine unserer liebsten Wanderungen, die wir schon vor Jahren entdeckt haben. Der Weg ist mittlerweile deutlich breiter und besser befestigt - wo Henri früher an Elias' Hand war, gibt es heute Geländer. #todocambia

 

30. Juli 2019

Ich schwärme mal wieder - einfach nur wunderschön ist es  hier!

 

1. August 2019 - Pals

Wieder ein Lieblingsort - auch für Amelie war es dieses Mal keine Frage, ob sie den Ausflug mitmacht. Was vor allem damit zusammenhängt, dass es kaum einen schöneren Hintergrund für unsere Familien- und Porträtfotos gibt als den hellen Sandstein und das das schöne Licht in Pals.  

 

1. August 2019 Making-of

Es hat jahrelange Tradition, dass wir Pals erst dann besichtigen, wenn die Fotos für den neuen Jahreskalender im Kasten bzw. auf dem Chip sind. So fröhlich und fast schon entspannt wie dieses Jahr war es noch nie ... Im Gegensatz zu früheren Jahren macht es den Kindern regelrecht Spaß zu posen.

 

1. August 2019

Auch wenn das offizielle Familienkalender-Shooting vorbei ist ...  im Ort geht das Fotografieren weiter ;-). Außer Dirk greifen alle zur Kamera, wenn sie ein schönes Motiv sehen. 

 

2. August 2019 - Calella de Palafrugell

Wir sind bei katalanischen Freunden eingeladen und dürfen im Traumgarten ihres Ferienhauses katalanische Spezialitäten genießen.  Zuvor aber machen wir eine kleinen Spaziergang auf dem Camí de Ronda - es fühlt sich ganz anders an, hier mit "Einheimischen " (die aber seit ein paar Jahren im Saarland leben) unterwegs zu sein. In Calella de Palafrugell müssen sie an der Strandpromenade auf uns warten bis das Doku-Erinnerungsbild fertig ist. 

 

4. August 2019 - unterwegs am Cap de Creus

Diese Wanderung rund um das Cap machen wir zum ersten Mal - sie ist nicht nur länger als erwartet, sondern streckenweise auch beschwerlich. Henris Stimmung sinkt immer wieder auf den Tiefpunkt, denn er braucht (weil er ja nicht fallen darf) über eine Strecken bei jedem Schritt Hilfe. Gegen Ende kommen wir dann auf eine befestigte Straße und alles ist wieder gut. 

 

6. August 2019

Auch zu Beginn dieses Urlaubs wurde wieder ausgiebig beratschlagt, welche Ausflüge und Wanderungen wir machen und worauf wir vielleicht zugunsten eines neuen Ziels verzichten. Alle waren sich einig , dass Tossa sein muss. Und so sitzen wir wieder - wie jedes Jahr  - auf "unserer Bank" und machen unser Picknick.

 

8. August 2019 

Nach drei Wochen Familienzeit sitzen wir etwas wehmütig, aber dankbar ein letztes Mal am Strand. Schön war es mit euch ihr Lieben! 

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Morbus Scheuermann - Erste Kontrolle nach Korrektur-OP und Wirbelsäulenversteifung im Januar

Die letzten Monate war es ruhig hier auf der Website ... umso mehr gibt es zu berichten. Ich fange heute mal mit der ersten Kontrolle in Neustadt an. Es gibt noch weitere Themen, denen ich - damit es nicht zu viel auf einmal ist - gesonderte Beiträge widmen möchte. 

Mittlerweile sind sieben Monate seit der OP vergan­gen und bereits am 3. Juli waren wir zur ersten Nachkontrolle in Neustadt. Auch wenn Henri schon drei Wochen nach der Wirbelsäulenversteifung völlig schmerzfrei war und das neue Körperschema gut integriert hat, hatte ich wegen seiner Haltung ein wenig Sorge. Er sieht nun nicht mehr ganz so gerade aus wie unmittelbar nach der Operation: Die Schultern sind etwas nach vorne gezogen und der obere Rücken wirkt wieder ein wenig gekrümmt, natürlich weit entfernt von dem Erscheinungsbild vor der Operation. 

Wir sind bereits einen Tag zuvor nach Neustadt gereist und waren schon sehr gespannt, wie Professor Halm das OP-Ergebnis ein halbes Jahr nach OP beurteilen würde. Erst einmal wurden verschiedene Untersuchungen gemacht, zum Beispiel die deutlich strahlenreduzierte EOS-Röntgenaufnahme und eine Raster-Stereographie. 

 

3. Juli 2019 - Schön Klinik Neustadt

Die Wirbelsäule wird mit EOS, einem neuartigen Röntgenverfahren mit deutlich verringerter Strahlenbelastung und Raster-Stereographie vermessen. Vor allem beim EOS ist es wichtig, dass Henri still steht - diszipliniert wie gewohnt geht er die Sache an und kassiert wieder viel Lob.

 

Ich muss gestehen, dass ich mit den unterschiedlichen Werten auf den Untersuchungsbefunden noch immer nicht richtig vertraut bin, was wohl vor allem mit meiner Schwäche in der 3-D-Wahrnehmung zusammenhängt. Was die Wirbelsäule betrifft, fällt es mir aber nicht schwer,voll und ganz auf Professor Halms Einschätzung zu vertrauen… und die ist positiv! Alles wie es sein soll :-).

 

24. Oktober 2018 und 3. Juli 2019

Am 24. Oktober hat Professor Halm uns nach dem Erstgespräch in Neustadt versichert, dass es zur Korrektur-OP mit einer langstickigen Versteifung der Wirbelsäule keine Alternative gibt. Es war keine Zweit- sondern eher eine Viert- oder Fünftmeinung. Bei aller Schwere hat er es uns insofern leichtgemacht, als wir nun aufhören konnten, Pros und Contras gegeneinander abzuwägen  - ab diesem Zeitpunkt ging es nur noch darum, wem wir Henri für diesen großen Eingriff anvertrauen. Dass es Professor Halm sein soll, am liebsten in Kombination mit der Sicherheit der Kinderintensivstation des UKSH in Lübeck, war für Dirk und mich gleichermaßen klar. Vor allem für mich war es eine Entlastung, dass wir nun endlich das monatelange Recherchieren und  Einholen von Expertenmeinungen anschließen konnten .

 

 

Die Stäbe sitzen und Henris Haltung wird sich bessern, weil das anfängliche Sportverbot nun deutlich gelockert ist und er mit Übungen zum Muskelaufbau beginnen kann. Er darf jetzt endlich wieder zum Schwimmtraining, was bis zur OP vor einem halben Jahr zweimal wöchentlich auf dem Plan stand. Prof. Halm unterstützte mich auch in meinem Ansinnen, Henri mit ins Fitnessstudio zu nehmen: Der soll mal Bankdrücken machen ;-). In Zukunft soll das Schwimmtraining also durch zweimal Fitness/Woche ergänzt werden. Mittlerweile haben wir auch schon damit angefangen - viel Zeitaufwand, aber zu Henris Wohl (nicht nur den Rücken betreffend).

 

15. Juli 2019

Henris erstes Training im Fitnessstudio. Wie wir macht er erst einmal Ausdauer auf dem Crosser und später Fahrrad - danach geht es an die Geräte. Henri hat große Freude dabei und schaut sich bei jeder Übung gleich mehrmals seine Muskeln an und lässt uns immer wieder fühlen :-).

 

Die nächste Kontrolle wird im Januar sein – ein Jahr nach OP. Henri sieht ihr mit großem Interesse entgegen: Schon vor dem ersten Kontrolltermin hatte er immer wieder gesagt, dass er Henry Halm (Henri spricht von ihm immer mit Vor- und Zunamen, dafür ohne akademischem Titel) fragen will, wann er wieder fallen darf ;-). Stets bewusst, dass er möglichst nicht fallen darf, bewegt er sich immer noch sehr vorsichtig, zum Beispiel beim Wandern auf nicht so gut befestigten Wegen und beim Treppensteigen. Henri möchte unbedingt wieder im Hochbett schlafen, Fahrrad fahren und auch gerne wieder aufs Trampolin. Auch wenn er noch nie aus dem Hochbett gestürzt ist, darf er nur zur Sicherheit bis zur nächsten Kontrolle auch weiterhin nur im normalen Bett schlafen. Das ist unsere Entscheidung, denn wir wollen kein Risiko eingehen und warten lieber geduldig, bis die Versteifungsstrecke so weit verknöchert ist, dass Fallen und Stürzen keine Gefahr mehr für das sehr gute OP-Ergebnis darstellen. 

Das ganze OP-Tagebuch findet ihr hier unter Morbus Scheuermann. 

 

August 2016 vs. August 2019

Eines der drei Bilder links hängt seit drei Jahren bei uns am Kühlschrank. Lange Zeit war es eines von vielen Urlaubsandenken ...  bis Henri ein paar Wochen vor der geplanten Operation begann, es zu kommentieren. Im letzten Herbst und Winter fragte er mich oft, ob ich im Sommer, nachdem er operiert ist, ein Bild mit geradem Rücken von ihm machen kann. Das habe ich ihm versprochen und mein Versprechen im August eingelöst. Was für ein Glück, dass alles gut gegangen ist! 

 

Und weil wir nicht nur die hervorragende Versorgung in der der Schön Klinik sondern auch die Ostsee kennen- und schätzen gelernt haben, zeige ich euch noch ein paar Fotos von dort. Ich muss gestehen, dass ich als langjährige Nordseeliebhaberin immer der Meinung war, die Ostsee wäre so etwas wie zweite Wahl ;-) ... Es ist dort tatsächlich nicht wie an der Nordsee,  jedoch hat die Gegend  einen ganz anderen Zauber. Nicht nur das Meer ist ruhiger - die Eindrücke jedoch nicht weniger intensiv. Oft fühlte ich mich an Effi Briest, eines meiner liebsten Bücher in der Schule -  erinnert.

 

2. und 3. Juli 2019

Im Oktober waren wir im gleichen Hotel  - jedoch konnte ich es kaum genießen. Wir haben beschlossen, zurückzukommen, wenn Henri die OP gut überstanden hat. Es war soo schön und meine Erleichterung spiegelt sich ganz offensichtlich  auch in Henris Augen.

 

3. Juli 2019 - Nach der Kontrolle zieht es uns erst einmal an den Strand 

Am Strand von Pelzerhaken - die Erleichterung ist groß. Trotzdem gibt es, nicht anders als zu Hause,  immer wieder Unstimmigkeiten, Verhandlungen und neue Abmachungen. Und wieder wird uns gezeigt, dass die kleine Schwester nicht die einzig Pubertierende ist - auch Henri (und mit ihm uns) hat es ganz schön erwischt.

 

 3. Juli 2019 - So schön ist die Ostsee!

 

4. Juli 2019 - Lübeck ... ein steinernes Märchen ( so heißt es in einem alten Reisebericht) 

Als Henri im Januar in Lübeck operiert wurde, hatten wir weder die richtige Stimmung noch die Zeit, uns die Stadt anzusehen. Wir waren noch nie da und bisher hatte ich Lübeck nur mit Kinderklinik assoziiert. Mittlerweile ist es für mich eine der schönsten Städte, die ich besucht habe. In keiner großen Stadt habe ich so viele schöne alte Häuser und Backsteinbauten gesehen -  kleine Gassen und unendlich viele Blumen in Bauerngärten und Hinterhöfen lassen einen ganz schnell vergessen, in einer Großstadt zu sein. 

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"Ich habe Freunde" - Familienreha in der Nachsorgeklinik Tannheim

 

Heute gibt es einen richtig langen Blogbeitrag: Vorgestern habe ich damit begonnen und heute - am Tag des Abschlussfests - schreibe ich ihn zu Ende. Im Laufe der Zeit ist der Blog für mich zu einer Art Bildertagebuch geworden - ich mag es, alte Beträge zu lesen, mich zu erinnern und Entwicklungen erkennen zu können. Es geht hier in erster Linie um Henri und unser Leben mit ihm und auch wenn ich sehr für Lebensschutz und Inklusion bin, liegt der Schwerpunkt in diesem Blog auf Henris und unserer Geschichte. Aus diesem Grund schreibe ich auch, was für mich persönlich bedeutend ist ... zumal ich der Überzeugung bin, dass der persönliche Kontakt und Umgang mit behinderten Menschen das wirksamste Mittel gegen Vorurteile und Ausgrenzung sind. 

 

Einleitend ein paar Worte zur Nachsorgeklinik Tannheim:  Auf der Website wird das Konzept folgendermaßen zusammengefasst: Die Nachsorgeklinik Tannheim gibt Familien mit schwer chronisch kranken Kindern neue Kraft und Hoffnung. Sie bietet im Rahmen der Familienorientierten Nachsorge bei der Krebs-, Herz- oder Mukoviszidose-Erkrankung eines Kindes der gesamten Familie eine hoch qualifizierte, vierwöchige Behandlung. Die Nachsorgeklinik Tannheim steht für das von ihr maßgeblich begründete Konzept der Familienorientierten Nachsorge. Unser Leitspruch lautet: „DER PATIENT HEISST FAMILIE“.

Der Alltag der Familien, die hierher kommen, ist in der Regel geprägt von der Erkrankung des Kindes und allem, was an Therapien, Behandlungen und teilweise langen Krankenhausaufenthalten mit oft schweren Operationen damit zusammenhängt. Es sind ja nicht nur die erkrankten Kinder selbst betroffen, oftmals gerät die Welt der ganzen Familie aus den Fugen. Wir kennen es aus eigener Erfahrung  und erleben hier vielfach, was es mit einer Familie und auch den Geschwistern macht, wenn ein Kind (plötzlich) so schwer erkrankt ist, dass die Welt und alle Lebensplanung erst einmal stillsteht und die größte Sorge das Überleben und später die Gesundheit dieses Kindes ist. Als ich im Bekanntenkreis von der bevorstehenden Reha berichtet habe, wurde ich oftmals gefragt, ob hier nicht eine gedrückte und traurige Stimmung herrsche, die einen womöglich noch zusätzlich belastet. Ich kann diese Gedanken nachvollziehen, denn vor unserer ersten Reha im April 2006 habe ich mir ähnliche Fragen gestellt. Noch mehr habe ich den Kontakt mit Familien gefürchtet,  die ein Kind verloren haben. Denn es gibt hier in der Nachsorgeklinik Tannheim auch sog. Verwaistenrehas, die den Familienrehas angegliedert sind und so kommt man auch mit diesen Menschen und Familien in Kontakt. Jedoch haben sich meine Befürchtungen nicht bestätigt und ich war erstaunt, wie viel Lebensfreude hier spürbar ist. Man "zieht sich also nicht gegenseitig noch mehr runter", sondern schätzt es, auf Familien mit ähnlichem Hintergrund zu treffen und sich ohne viele Erklärungen austauschen zu können. Uns eint die Erfahrung, dass Gesundheit und das Leben nicht selbstverständlich ist, sondern von unschätzbar großem Wert. Wenn ich hier kleine Mädchen lachen und tanzen sehe, denen anzusehen ist, dass sie ganz offensichtlich noch vor wenigen Wochen eine Chemotherapie hatten ... und daneben junge Erwachsene aus der Junge-Erwachsenen-Reha oder Reha27Plus, die sich so mit diesen Kindern freuen, dass die eigene Krankheit und die Sauerstoffsonde plötzlich in den Hintergrund zu treten scheinen ...  bin ich zutiefst gerührt und dankbar, was wir und die anderen Familien hier erfahren dürfen. 

Wer uns kennt oder Henris und unsere Geschichte im Blog verfolgt hat, weiß, dass das letzte Jahr alles andere als alltäglich war. Als vor einem Jahr hinsichtlich Henris Morbus Scheuermann plötzlich das Thema Operation im Raume stand und uns schon wenige Wochen später von verschiedenen Ärzten die unbedingte Notwendigkeit einer Versteifung verdeutlicht wurde, stand unsere Welt einmal wieder Kopf - wurde uns doch schnell klar, mit welchen Risiken diese OP verbunden ist, insbesondere bei einem mehrfach operierten Kind mit komplexem Herzfehler. Aber wie schon so oft blieb uns keine Wahl - jedoch hatten wir die Möglichkeit, den besten Operateur für Henri zu finden. Wir sind sehr, sehr dankbar, wie gut Professor Halm und seinem Team Henris Wirbelsäulenversteifung  gelungen ist - eine Riesenlast war nach Professor Halms Anruf am 15. Januar von mir abgefallen. Und dennoch: Ein Jetzt ist alles gut wie nach einem überstanden Infekt oder einer Tonsillen-OP gab und gibt es nicht. So dankbar wir für das durch die Herz-OPs geschenkte Leben und die erfolgreiche Aufrichtung sind - unsere Lebenssituation bleibt besonders  und die Sorge um Henri bleibt. Von daher waren wir sehr froh, dass unser Antrag auf eine weitere Familienorientierte Reha bewilligt wurde und sogar Marie und Elias mitfahren durften.

Damit der Blogeintrag nicht so textlastig wird, werde ich gleich anhand einer Fotostrecke über die Zeit hier erzählen.

Aber vorher berichte ich euch noch von Henri Freunde-Glück 😍. Seit langer Zeit ist das Thema “Freunde” das, was Henri am meisten umtreibt. Wenn er nur Freunde hätte, wäre alles gut - so ist fühlt es sich an und ich gäbe so viel dafür, wenn er er soziale Kontakte hätte wie sie für unsere gesunden Kinder selbstverständlich sind. Wir waren gerade mal eine Woche hier, als Henri mir am Tag des Zwischenfests mit einem Strahlen und klaren Worten verkündete "Ich habe Freunde." - so glücklich hatte ich ihn lange nicht gesehen. Er ist hier fast immer in Kontakt mit Kindern, die ihn mögen und mit ihm im und ums Haus unterwegs sind.  Die vorläufigen  Höhepunkte waren für Henri die Disko nach dem Zwischenfest und die Kinderdisko letzte Woche, wo Henri Kinder und Erwachsenen mit seinem Tanzstil und dem Gefühl für Musik und Rhythmus beeindruckte. Ich habe keine Ahnung, woher er die Inspiration nimmt ... er kennt keine Musikvideos und bewegt sich doch so, als sei Musik und Tanzen schon immer seine Welt. Oft stand er alleine auf der Bühne und genoss die "Henri!-Henri!-Rufe" der anderen Kinder und das Lob seiner Zuschauer. Wir werden zu Hause nach einem Tanzkurs (Hipp-Hopp?) oder  ähnlichem für ihn suchen - vielleicht kann er ja die Bestätigung, die ihm hier so gut tut,  auch zu Hause haben. Ich bin auf diesem Sektor völlig unerfahren - hat jemand aus unserem näheren Umfeld eine Idee, wo Henri so richtig abtanzen könnte? Aber erst einmal freut er sich riesig auf die Disko im Rahmen des Abschlussfests - beim Frühstück heute Morgen hat er mit einem bestimmten Du nich! schon diejenigen benannt, die seiner Meinung nach nicht neben bzw. neben ihm tanzen sollen ;-).

 

Noch von etwas anderem möchte ich vor dem Fototeil berichten. Leider habe ich weder von der Schule noch vom Schlupfloch, der Kindergruppe für die großen Kinder, Fotos, aber beides hat eine große Bedeutung für Henris Rehaerfolg. Im Schlupfloch haben sich Henri und Amelie sehr wohlgefühlt - dort wurden erste Kontakte zwischen etwa gleichaltrigen Kindern geknüpft, die auch am Abend und in der zweistündigen Mittagspause ausgiebig gepflegt wurden, zum Beispiel im Billardraum oder auf dem weitläufigen Klinikgelände. Die ErzieherInnen haben im Umgang mit den Kindern ein bewundernswertes Geschick. Jedes Kind wurde wahrgenommen, mit Stärken und besonderen Bedürfnissen. Nur ein Beispiel: Als Amelie nach einem plötzlichen Todesfall hier in der Klinik einmal sehr niedergeschlagen war, fragte die Erzieherin sie, ob sie vielleicht Lust habe, mit ihr ihr spazieren- oder ein Eis essen zu gehen. Auch für Henris zeitweilige Sturheit und Weigerung in die Schule zu gehen haben sie ganz bald richtigen Umgang gefunden. Sie brauchten keine Rückfrage, um zu wissen, dass in solchen Fällen eine klare Ansage das Mittel der Wahl ist ;-). Darüberhinaus nimmt das Erzieherteam den Eltern auch organisatorisch ganz viel ab: Sie schicken die Kinder vom Schlupfloch aus in die Schule und zu den Therapieterminen und die Eltern haben wirklich Zeit, sich (ganz ohne schlechtes Gewissen) um sich selbst zu kümmern. Besser geht nicht!

 

Genauso verdient auch die Klinikschule eine besondere Erwähnung. Sowohl Amelie als auch Henri hatten hier einen ganz individuell auf sie zugeschnittenen Unterricht - sogar eine Klassenarbeit konnte Amelie hier schreiben um bekam das Ergebnis per E-Mail. Wir kannten die Klinikschule schon von unseren letzten Rehas, waren aber aber auch dieses Mal wieder von der Aufmerksamkeit und Sorgfalt der LehrerInnen beeindruckt. Gerade bei Henri hätte die Förderung besser nicht sein können und ich habe den Austausch über Lernziele und -erfolge, aber auch Grenzen sehr geschätzt. Auch wenn der Unterricht in kleinen Gruppen stattfand, hatte er doch etwas von Privatunterricht. Eine liebevollere und zugleich effektivere Förderung kann ich mir kaum vorstellen und so werde ich zu Hause nicht nur unseren Bezugstherapeuten sondern ganz sicher auch die LehrerInnen der Schule vermissen. 

 

3. Mai 2019

Am ersten Rehatag warten wir vor der Tür des weltbesten Psychos auf das erste Familiengespräch. Es folgen viele weitere in unterschiedlichen Konstellationen - es war nicht immer leichte  Kost... aber so hilfreich, dass wir unseren Bezugstherapeuten am liebsten  mit nach Hause nehmen würden.

 

 

3. und 4. Mai 2019

Die physiotherapeutische Behandlung beginnt für Henri mit dem Gehtest. Er absolviert ihn diszipliniert, wie wir ihn kennen. Rechts sind wir beim Familienspieleabend - oben in der Cafeteria bei Apfelschorle, alkoholfreiem Weizen und leckerer Kirschbowle, darunter im Clubraum. Am ersten Wochenende machen wir unseren ersten Samstagsausflug nach Villingen - es schneit!

 

 

5.Mai 2019

Wir machen einen Sonntagsausflug nach Hinterzarten und gehen dort unseren vom Weihnachtsurlaub vertrauten Weg zum Mathisleweiher. Schnee auch im Mai - damit hatten wir nicht gerechnet ;-).

 

Sporttherapie (links) und freies Training (rechts) 

Links ist Henri bei seiner Lieblingsaktivität im Rahmen der Physik- und Sporttherapie: Das Gehen auf dem animierten Laufband war ihm von der letzten Reha in bester Erinnerung - was wohl auch daran liegt, dass ein Foto davon bei uns am Kühlschrank hängt. Schon lange vor unserer Anreise hat er mich immer wieder gefragt, ob ich ihm auch dieses Mal wieder ein Foto machen kann, mit geradem Rücken. Nach Rücksprache mit den Sporttherapeuten durfte ich bei einem Training dazukommen und das gewünschte Erinnerungsfoto machen :-).

Henri hat fast jeden Tag trainiert: Neben dem Ausdauertraining auf Laufband, Crosser und Ergometer hatte er auch viel Gelegenheit zur Stärkung seiner Rückenmuskulatur. Wie auch in anderen Bereichen waren wir froh, dass er so individuell betreut wurde. 

Rechts ist der Trainingsraum für alle geöffnet und wie so manches Mal fest in der Hand der Veltens ;-). Es gab wohl keine andere Familie, die den Raum mit den Ausdauer- und Kraftgeräten häufiger frequentiert hat :-).

 

Ganz anders als im Hochschwarzwald - und doch so wohltuend: Tannheimer Frühling !

 

10. Mai 2019 - Zwischenfest mit anschließender Disko

Ein ganz großer Tag für Henri: Er tanzt nahezu ohne Pause und ich habe staune über seine Bewegungen und lasse mich von seiner Begeisterung anstecken. Lange habe ich Henri nicht mehr so glücklich gesehen ❤️.

 

12. Mai 2019 - Ausflug zum Kandel

Von da oben hat man eine sehr gute Aussicht ins Glottertal. Unterwegs überfällt mich wieder einmal  Dankbarkeit dafür, dass es Henri so gut geht. Sein guter und belastbarer Zustand zeigt sich nicht nur beim Wandern - auch das Herzecho des Kinderkardiologie-Professors aus München zeigt, wie gut Henri operiert ist. Wie schon der Kollege aus Lübeck zeigt sich Professor Weil sehr erfreut über den Zustand nach den Herz-OPs. Henris komplexer Herzfehler ließe ein anderes Bild vermuten und so spart er nicht mit Superlativen - ähnlich wie Professor Singer bei der vorletzten Reha, als er uns mit einem Ah, das ist also das Wunder von Homburg? begrüßte. Wunder bezog sich unter anderem darauf, dass bei Henri trotz anfänglich eher ungünstiger Prognose letztendlich sogar der Glenn vollständig zurückgelegt werden konnte. Ein solch vollständiger take-down kommt wohl sehr selten vor und Prof. Asfour aus Sankt Augustin hat Henri damit eine nahezu physiologische Herzfunktion ermöglicht. In diesem Zusammenhang sei für neue LeserInnen erwähnt, dass dennoch in einem (un-)gewissen Zeitraum ein weiterer Eingriff nötig sein wird. Denn bei Henri wurde die eigene, viel zu enge Pulmonalarterie durch ein Conduit aus einer Rinderhalsvene ersetzt, das leider nicht lebenslang hält. Aktuell sieht es jedoch nicht so aus, als bestünde in absehbarer Zeit Handlungsbedarf.

Wie auch bei der Wirbelsäulen-OP bin ich froh, dass wir mit der sorgsamen Auswahl der Operateure im Vorfeld alles für einen größtmöglichen OP-Erfolg getan haben. 

 

Nirgendwo fühle ich mich wohler als in der Natur, am liebsten mit der Kamera oder zumindest mit dem Handy. Der Foto-Workshop, an dem Marie und ich teilnehmen, motiviert mich noch mehr, mit der Kamera durch den Wald und die Wiesen zu streifen. Ich besitze kein Makroobjektiv, aber dank eines neu angeschafften Zwischenrings sind mir endlich auch mit normalem Objektiv Nahaufnahmen möglich.

 

Klinikszenen - im Lichtflur auf dem Weg zum Speisesaal, beim immer leckeren Essen, bei einer Leckerei in der Cafeteria, im Schwimmbad und in der Sporthalle. Vor dem ersten Schwimmen nach der Rücken-OP hatte Henri sich ein wenig gefürchtet - aber alles war gut. Er schwamm nach wie vor deutlich schneller als ich - was ihn und mindestens genauso auch mich sehr erfreute :-). 

 

14. Mai 2019

Familie Mack hat alle Familien in den Europapark eingeladen. Dort sind Marie und Elias mit dem Jugendtreff unterwegs und Amelie mit einer Gruppe Teenager, denen keine Achterbahn zu heftig ist ;-). Wir tun uns mit der Familie von Henris bestem Freund Tim zusammen und fahren in aller Ruhe Karussell mit Wiener Walzer im Hintergrund , Elfenbahn und Co. ;-) 

 

18. Mai 2019 - Kutschfahrt mit Herrn Neidinger

Für Henri ist die Kutschfahrt ein absolutes Muss - er freute sich schon zu Hause darauf. Zwar ist er anfangs etwas ängstlich und will sich trotz Einladung des Kutschers erst gar nicht nach vorne setzen (dass er nicht stürzen darf, ist ihm zu jeder Zeit präsent), aber mit etwas Zuspruch geht es dann doch.

By the way... Kürzlich sagte er mir in einem Gespräch über unseren ersten Kontrolltermin in der Schön Klinik Neustadt im Juli: Ich frage Professor Halm, wann ich wieder fallen darf. In der Regel "dürfen die Kinder nach einem Jahr wieder fallen" - ich finde es immer wieder erstaunlich, wie sehr Henri auf das "Fallverbot" achtet und vieles deutlich langsamer und bedächtiger angeht als vor der Wirbelsäulen-OP. So geht er zum Beispiel Treppen nur, indem er sich am Handlauf festhält.

 

Wo ist eigentlich Amelie???

Es fällt sicher auf, dass unsere Jüngste (unser erstes Kind mit richtiger Pubertät, siehe oben, zweites Bild von links ;-) in diesem Blogeintrag trotz großer Fotoauswahl kaum zu sehen ist. Tatsächlich sehen auch wir sie vor allem zu den Mahlzeiten und auch da hat sie es eher eilig und möchte lieber jede freie Minute mit ihren neuen Freundinnen und Freunden verbringen als mit uns am Tisch zu sitzen.  Die Fotos habe auch nicht ich, sondern ihr bester Freund Tim gemacht: Er interessiert sich sehr für Fotografie und es ist ihm gelungen, auch Amelie zu zu begeistern ... sei es als Modell vor oder neuerdings auch Fotografin hinter der Kamera. 

 

19. Mai 2019 auf der Insel Mainau 

Bei diesem Ausflug sind alle dabei und wir genießen erst einmal ausgiebig den engen Kontakt mit den Ziegen :-).

 

Das Licht ist so schön und ich freue mich sehr , dass die Kinder sich zu Porträts bereit erklären.

 

Auf der Mainau wiederholen wir vor dem gleichen Mammutbaum das "Kinderfoto" unserer zweiten Reha im April 2010 ❤️❤️❤️❤️.

 

22. Mai 2019

Kinderdisko - Henri tanzt ... und ist glücklich ☀️!

 

26. Mai 2019 - Sonntagsausflug ins Schwenninger Moos

Wir sind wieder einmal zu dritt unterwegs und staunen über die Frösche und Schafe :-).

 

26. Mai 2019 - auf dem Feldberg

Unser letzter Ausflug führt uns an den Feldberg auf eine Rundwanderung. Das Wetter könnte besser sein, aber es regnet nicht und der frische Wind kommt dem Drachen zugute :-).

 

Oh wie schön ist Tannheim!

An einem der letzten Tage gehen Dirk und ich mal nicht wandern, sondern spazieren ganz gemütlich übers Klinikgelände. Wir erleben alles, was wir sonst nur durch die Fenster des Trainingsraums sehen. 

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Abschluss des OP-Tagebuchs und ganz viel Dank ❤️!

Ihr lieben Begleiterinnen und Begleiter,

dass es mit dem Abschluss des OP-Tagebuchs (hier geht zum vollständigen Tagebuch) so lange gedauert hat, lag nicht etwa daran, dass es kritische Momente oder kleine Rückschläge gegeben hätte – ganz im Gegenteil. Henris Genesung schreitet in großen Schritten voran und wenn man ihm beim Fahnenstehen oder Wandern zusieht, würde man wohl kaum annehmen, dass die große Wirbelsäulen-Operation gerade mal sechs Wochen her ist. 

Henri wurde wie erhofft am 25. Januar – dem 10. postoperativen Tag – aus der Kinderklinik Lübeck entlassen. Es ging ihm ziemlich gut und die Opioide waren zu diesem Zeitpunkt bereits abgesetzt. Als Schmerzmittel hatte er bei Entlassung nur noch Novalgin und Paracetamol nach Bedarf. Wir hatten uns vorgenommen, es von Henris Befinden abhängig zu machen, ob wir die gut 700 km von Lübeck nach Hause in einem Stück zurücklegen oder eine Übernachtungspause machen. Nach ein paar Stunden Fahrt stellten sich leider die vertrauten Schmerzen ein: Wie schon in den ersten Tagen nach OP wurde Henri erst still und begann dann, die Beine gegeneinander zu schlagen. Es hat eine Weile gedauert, bis er zugegeben hat, dass ihm der Rücken weh tut – so kamen wir mit dem Schmerzmittel relativ spät. Wir fanden schnell eine Unterkunft und Henri ist bald eingeschlafen. Am nächsten Morgen waren die Schmerzen zurück – die gleiche Symptomatik und ich machte mir schon ein bisschen Sorgen, denn in den letzten Tagen in der Klinik war Henri fast schmerzfrei. Der Tag der Heimfahrt war jedoch das letzte Mal, dass Henri stärkere Schmerzen hatte, es wurde von Tag zu Tag besser und bald brauchte er nicht mehr als eine Schmerzmittelgabe pro Tag. Bereits drei Wochen nach OP war er schmerzfrei und mobil.

 

25. Januar 2019 - der Tag der Entlassung

Am Morgen packt Henri noch das liebevoll zusammengestellte Paket von Henris ehemaliger Lehrerin an der Montessorischule aus.  Am Nachmittag bekommen wir dann die Papiere und machen uns auf den Weg. Wie gerade er die Stufen hinuntergeht! 

  

Als hätte es ihm jemand gezeigt, geht Henri, seit wir zu Hause sind, in korrekter Haltung in die Knie und auch das Schuhebinden macht er genauso, wie eine andere Patientin in ihrem Video demonstriert. Er fragt jetzt auch nicht mehr Wann kommt Knochen raus? Diese Frage stellte er in Lübeck öfter, nachdem zwar die Schmerzen weniger geworden waren, der Rücken sich aber noch fremd anfühlte. Offenbar hat Henri sein Körperschema bereits „aktualisiert“ und die neue Wirbelsäule mit ihrer deutlich eingeschränkten Beweglichkeit ist integriert.

Henri hatte sechs Wochen Schulverbot, am kommenden Mittwoch ist sein erster Schultag. Noch mindestens ein halbes Jahr darf er nicht am Schulsport teilnehmen, genauso lange muss er auch beim Schwimmtraining pausieren. Die erste Kontrolle wird sechs Monate nach OP in Neustadt sein und wir hoffen sehr, dass die Heilung bis dahin weiterhin erwartungsgemäß voranschreitet. Henri will bei der Gelegenheit auf jeden Fall fragen, wann er wieder Trampolin springen darf;-).

Nachdem nun alles gut überstanden ist, ist es mir ein großes Bedürfnis auch an dieser Stelle noch einmal Danke!  zu sagen.

Dem Operateur, Professor Henry Halm, Chefarzt der Schön Klinik Neustadt/Holstein, der uns bereits bei unserem ersten Termin mit Fachkompetenz und Zuversicht ermutigt hat, die Entscheidung für die Operation zu treffen. Dirk und ich hatten beide spontan das Gefühl, wenn Henri operiert wird, dann von ihm. Wegen Henris komplexem Herzfehler waren die Ausgangsvoraussetzungen anders als bei Patienten ohne Vorerkrankung und uns war im Vorfeld der konkreten OP-Planung schnell deutlich geworden, dass die Operation von in Frage kommenden Operateuren als eher problematisch und risikoreich eingeschätzt wurde. Ein erfahrener Kinderchirurg sagte uns aufgrund des Herzfehlers ab,  ohne dass wir Henri vorstellen konnten. Dass Professor Halm bei der ersten Vorstellung im Oktober letzten Jahres dennoch zuversichtlich war, Henri erfolgreich operieren zu können, hat uns Mut gemacht – zumal wir mittlerweile wussten, welch hervorragenden Ruf er als Wirbelsäulen-Chirurg genießt. Der Weg bis zur OP war nicht ganz geradlinig und es mussten einige Hindernisse überwunden werden – jedes war mit neuen Zweifeln und Ängsten verbunden. Es ist nicht selbstverständlich, dass Professor Halm in diesen Wochen stets E-Mail-Kontakt mit uns hielt und dabei Ruhe und Zuversicht ausstrahlte – vor allem mir war dieser Austausch eine große Hilfe. Der größte Dank gebührt ihm jedoch für die erfolgreiche Operation. Unmittelbar nach OP rief er mich auf dem Handy an – Sein OP erfolgreich, alles, wie es sein soll war ein so erlösender Satz, dass mir die richtigen Worte fehlen,  zu beschreiben, welche Last in diesem Moment von mir abfiel. Seine positive Einschätzung wurde in den nächsten Tagen bestätigt: Die Heilung verlief so gut,  wie wohl kaum jemand erwartet hatte. 

Auch bei Dr. Platz, Oberarzt der Schön Klinik und ebenfalls Operateur, fühlten wir uns im besten Händen. Für das Aufklärungsgespräch hat er sich sehr viel Zeit genommen, keine Frage blieb unbeantwortet. Wir haben wirklich viel Erfahrung mit Aufklärungsgesprächen – keines war empathischer. Dr. Platz war auch nach der Operation mehrmals vor Ort und sichtlich zufrieden mit dem Heilungsverlauf. Vor- und Nachbetreuung durch Professor Halm und Dr. Platz hätten besser nicht sein können. In der Kinderklinik Lübeck war Professor Jan Gliemroth, Neurochirurg und dritter Operateur unser Ansprechpartner. In seine Zuständigkeit fiel auch das Neuromonitoring und der Aufwachtest, bei dem noch unter OP die Reizweiterleitung im Rückenmark (erfolgreich) getestet worden war. Wie die beiden Operateure aus Neustadt war auch Professor Gliemroth vor und nach OP ein kompetenter und offener Ansprechpartner. Als die Operation am Aufnahmetag plötzlich in Frage stand, weil es seitens der Anästhesie (zunächst) keine Freigabe gab, war er vor Ort der erste, der sich zuversichtlich zeigte und damit auch recht behielt.

 

21.05.2017     14.01.2019             22.01.2019                  

Auf dem ersten Foto, das ich bei der Stadtmeisterschaft im Schwimmen gemacht habe,  ist der Rundrücken besonders gut zu erkennen. Das Bild in der Mitte habe ich einen Tag vor OP gemacht. Rechts der neue Rücken,  7 Tage nach OP noch mit Schmerzkatheter.

 

14. Januar 2019                     25. Januar 2015        

                               

Ein Tag vor und 10 Tage nach OP.  Bei dem linken Foto hatte ich Henri gebeten, sich so gerade wie möglich hinzustellen.

 

14. Januar 2019 und 4. März 2019

Und noch ein vorher-nachher-Vergleich 🙂 - Ob der neue Rücken je Normalität haben wird? Ob einmal der Moment kommen wird, in dem ich ihn wie selbstverständlich vor mir sehe und keine Dankbarkeit und Freude über die geglückte Operation aufkommt?

 

24.10.2018                        23.01.2019

 

Ergänzend zu den Röntgenfotos hier noch das OP-Ergebnis in Zahlen 

Cobb-Winkel vor und nach Versteifung: 

Hyperkyphose (Rundrücken):  92 ° vor Versteifung - 39 °nach Versteifung

Hyperlordose (Hohlkreuz):     104 ° vor Versteifung - 47 ° nach Versteifung

 

Auch an dieser Stelle danken wir noch einmal dem Pflegepersonal der Kinderklinik Lübeck. Wir wussten Henri in allerbesten Händen – die Behandlung und Betreuung war vorbildlich. Ganz besonders möchte ich die Schwestern und ÄrztInnen der Kinderintensivstation erwähnen, die wirklich alles taten, Henri die erste schwere Zeit nach OP so erträglich und angenehm wie möglich zu machen - sei es das beherzte Entfernen des Blasenkatheters oder gemeinsames Singen von Kanons, die Henri aus der Horizontalen dirigieren durfte und vieles mehr... Danke, liebe Charlotte, liebe Birte, liebe Merle und den anderen Schwestern und Ärzten – besser geht nicht.

Während wir mit Henri in der Klinik waren, haben mein Bruder Wolfgang und seine Frau Christine Amelie ein zweites Zuhause gegeben. Amelie war (nebst Juri) gut in die Familie von Cousine und Cousin integriert – das Zusammenleben dort war fast Alltag für sie. Wie gewohnt, war auch die liebe Oma in dieser Ausnahmesituation immer für sie da und Amelie sparte nicht mit Lob, dass die Oma sooo lieb ist. Über WhatsApp waren wir alle in ständigem Kontakt - es war und ist berührend, einen solchen Zusammenhalt zu spüren. Danke für eure großartige Unterstützung!

Und nun komme ich noch zu den Followern und Daumendrückern … und danke allen, die Henri und uns still mit Gebeten und guten Gedanken begleitet haben. Danke auch allen, die meine Blogeinträge kommentiert, uns beigestanden und Mut gemacht haben. Meinen beiden treuen Internetfreundinnen;-) für die nächtlichen Nachrichten und gute-Gedanken-Pakete ;-) und das Angebot, sie jederzeit anrufen zu dürfen. Wer nie in einer solchen Situation war, ahnt vermutlich nicht, wie gut es tut, das Kind in einer solchen Situation so liebevoll begleitet zu wissen. In den Stunden der Operation haben mir liebe Menschen Fotos von brennenden Kerzen geschickt, sogar ein Bild mit wehenden Fahnen war dabei:-. Jede Nachricht, jeder Kommentar, jedes aufmunternde Wort und genauso auch ein schlichtes Ich bin bei euch. waren mir so wertvoll. Danke von Herzen für eure Begleitung!

 

31. Januar 2019

Erster  Spaziergang  - Henri ist erleichtert und auch ein wenig ausgelassen. Wie schön, wieder zu Hause zu sein !

 

25. und 26. Februar 2019 in Gent, Brügge und an der belgischen Küste

Dieses Foto gehört dazu, es rundet mein Tagebuch ab. Nur wenige Tage, nachdem wir im vergangenen September zum Skoliosecheck in Sankt Augustin waren, sind Dirk und ich für drei Tage nach Belgien gefahren. Als wir gebucht hatten, ahnten wir noch nicht, mit welcher Last wir dort ankommen würden.  Es verging keine Stunde, an der ich nicht an die bevorstehende OP mit all ihren Risiken gedacht habe. In Brügge habe ich mir vorgenommen, wiederzukommen, wenn Henri die Operation wohlbehalten überstanden hat. Mein Plan ließ sich tatsächlich umsetzen und wir sind nun mit ganz neuen und lichten Eindrücken zurückgekommen. Danke an den großen Bruder Elias ❤️, der uns diese Tage mit seiner Kinderbetreuung ermöglicht hat!

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Zielgerade

Liebe M., der Betreff deiner E- Mail hat mir gut gefallen - wir sind tatsächlich auf der Zielgeraden. Mir erscheint es fast unwirklich, was sich in den letzten zwei Wochen ereignet hat und wie toll Henri mit dieser großen Herausforderung umgehen konnte. Ja, es war nervenaufreibend und mehr als das. Noch komme ich der äußeren Entwicklung nicht hinterher - es braucht wohl Zeit, Geduld und Mühe, wieder in so eine Art Alltagszustand hineinzukommen. Seit einem Dreivierteljahr ist kein Tag vergangen, an dem ich nicht an diese Operation und die damit verbundenen Risiken gedacht habe. Auch wenn wir es uns wirklich nicht leichtgemacht haben, blieben bis zuletzt Zweifel, ob es die richtige Entscheidung ist. Jetzt kann ich es ja sagen (was außer Dirk gerade mal zwei Menschen aus unserem Umfeld wussten: Es gab sogar einen (professionellen) Berater (studiert, kein "Schnellkurs" ;-), der mich mit seiner Intuition (wie er es nannte) zusätzlich verunsichert hatte. Nachdem ich ihm die medizinische Notwendigkeit der OP geschildert hatte (Alle konsultierten Ärzte waren sich einig,  dass in wenigen Jahren zunächst Schmerzen aufgetreten wären, dazu neurologische Ausfälle und - für mich die allerschlimmste Vorstellung - Herz- und Lungenprobleme), schilderte er mir seine "Intuition", dass Henri gar nicht so alt werden wolle und wir ihm das Risiko und die Schmerzen einer Operation ersparen sollten. Dieser Rat hat mich schier umgehauen - die "Intution" hat mich bis zu Professor Halms erlösendem Anruf am Dienstag vergangener Woche begleitet. Auch die Bedenken der Anästhesie, mit denen wir vor genau zwei Wochen konfrontiert wurden, haben Fragen, die wir für uns endlich geklärt schienen, neu aufgeworfen. Der Endspurt war wirklich grauenhaft und wird unvergesslich bleiben.

Heute Morgen war Oberarzt-Visite und von Seiten der Station gibt es keine Bedenken, Henri morgen zu entlassen. Nun fehlt nur noch das Okay des Neurochirurgen, der Henri zusammen mit den beiden Orthopäden aus Neustadt operiert wird.

Henris Schmerzmittel konnten nochmals reduziert werden. Gestern morgen hatte er die letzte Gabe Oxygesic . Heute hat Henri am Morgen und Mittag jeweils eine Dosis Novalgin und Paracetamol erhalten - sonst nichts. Er ist quasi schmerzfrei und das Einzige, das ihn derzeit sehr plagt, ist großes Heimweh. Ärzte und Schwestern sind gleichermaßen angetan von diesem unerwartet guten postoperativen Verlauf. Seit dem Mittag bzw. sieben Stunden sitzen/ liegen wir nun im Zimmer und warten auf den Neurochirurgen.  Er entscheidet,  ob  auf dem Rücken noch ein Verbandswechsel nötig ist oder der Verband einfach nur abgenommen wird. Und natürlich entscheidet er auch über die mögliche Entlassung. Ich  mag mir gar nicht vorstellen, wie ich Henri erklären sollte, dass er sich womöglich doch noch gedulden muss. 

 

 

24. Januar 2019

Noch einmal sind wir heute zum Leuchtturm im UG gegangen und haben Fotos gemacht - ich bin so begeistert von unserem "neuen Kind". 

Danach haben wir medizinisch-technische Assistentin besucht, die Henri auch vor OP gemessen hatte. Ich wollte gerne einen Vergleichswert haben. Am 14. Januar hatte sie 149,4 cm ermittelt, heute an der gleichen Messlatte 153,1 xm. Ob 3,7 cm tatsächlich optisch so viel ausmachen können? Womöglich war es beim ersten Mal ein Messfehler - aber eigentlich ist es ja auch zweitrangig. 

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5683 Schritte / 3,5 km

Heute ist der achte postoperative Tag. Es geht voran - und das, wie die Chirurgen angekündigt hatten, mit großen Schritten. Es kommt mir immer noch vor wie ein Wunder : Nach dem Händewaschen will ich Henri etwas aus dem Zimmer ins Bad bringen. Da kommt er mir  - einfach so und ganz lässig -  aus dem Bad entgegen und sagt: Ich hole mir jetzt einen Keks. Ich bin beeindruckt und zücke das Handy... und Henri gibt sich cool 😎. Ob ihm bewusst war, dass es seine ersten völlig freien Schritte waren, kann ich nicht mit Sicherheit, aber ich denke schon. 

Heute Morgen wurde Henris Wirbelsäule geröntgt - die lange Wartezeit haben wir zum Mobilisieren genutzt und am Nachmittag weitergemacht. Sein Fitbit-Armband (das er seit gestern wieder trägt) zeigt heute Abend 5683 Schritte und 3,5 km an. Bald wird er wieder in den Family-Wettkampf einsteigen :-).

Als heute Morgen die Ärztin vom Schmerzdienst da war, habe ich sie nach ihrer Einschätzung für die weitere Schmerztherapie gefragt. Sie meinte, Oxygesic (Opioid) müsse noch höchstens zwei/drei Tage weiterlaufen und könne dann (ohne Ausschleichen) abgesetzt werden. Sie lobte Henris große Mobilität und wirkte sehr zuversichtlich.

Die letzte Gabe Oxygesic hatte Henri heute Morgen um acht Uhr - weil er den ganzen Tag schmerzfrei war, haben wir ihm die zweite Gabe heute Abend nicht gegeben, sondern nur sein Paracetamol, das er aktuell im Wechsel mit Novalgin dreimal täglich bekommt. 

Weil viele danach fragen: Seit heute ist Henri wieder auf Normalstation - auf der gleichen Station, wo wir vor genau 13 Tagen aufgenommen wurden. Morgen früh ist hier -  wie auch 14 Tage zuvor -  Oberarztvisite. Aber dieses Mal geht es nicht um die Frage, ob die OP nun wie geplant stattfinden kann oder nicht , sondern um Henris wichtigstes Thema. Seit er nicht mehr über Schmerzen klagt, interessiert ihn nur noch eines: Wann gehen wir nach Hause?

 

 

23. Januar 2019

Eigentlich wollte ich nur einen kleinen Schnappschuss von den ersten freien Schritten machen - Henri hat es zum Posen genutzt ;-). Rechts sehr ihr einen großen und für Henri sehr wichtigen Moment: Der letzte Zugang kommt raus. 

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Schmerzmanagement

Der heutige Tag begann mit der Entfernung des PDK - das Ganze war völlig unspektakulär und eine Sedierung wäre tatsächlich unnötig gewesen. Henri beschwerte sich erst einmal, als die Ärztin das Pflaster über dem Katheter  entfernte. Vom Ziehen des schmalen Schläuchleins bekam er - konzentriert auf das lästige Pflaster - gar nichts mit.

Statt der Schmerzpumpe bekommt Henri nun zweimal am Tag ein Opioid  - Oxigesic retard 5 mg - und bei besonderen Schmerzen kann er - als Ersatz für den wohltuenden Bolus Oxygesic akut 5mg akut bekommen. Der Beipackzettel ist keine schöne Lektüre - jedoch gibt es zum jetzigen Zeitpunkt keine Alternative. Da die Schmerzen jeden Tag weniger werden, hoffe ich, dass dieses Mittel bald reduziert bzw. abgesetzt werden kann und wir uns auf Novalgin und Paracetamol beschränken können. Beides hat Henri aktuell zusätzlich zu Oxygesic jeweils zweimal täglich auf dem Plan. 

 

Kaum war die Schmerzpumpe draußen, kam Henri in eine regelrechte Hochstimmung und war nur noch am Strahlen. Zunächst dachte ich, dass es sich um erste Nebenwirkungen des Oxygesic handelt, jedoch bekam er die erste Gabe erst später. Vermutlich hat er es einfach nur genossen, dass er nun wieder einen Zugang weniger hat und damit seinem Zuhause ein Stück näher kommt.

 

 

22. Januar 2019

Zum ersten Mal isst Henri ohne Hilfe - er strahlt und verlangt sogar einen Apfel.  Als wir unseren Gang durch die Klinik starten ist er guter Dinge und vor dem Leuchtturm im UG scheint er ganz der Alte zu sein.

 

 

Leider bekam er nach dem Mittagessen noch einmal eine arge Schmerzattacke, die ich schon mindestens eine halbe Stunde vorher kommen gefühlte hatte. Henri war irgendwie verhalten und wirkte gedrückt und ich fragte ihn immer wieder, ob ihm übel sei, er Schmerzen oder vielleicht Heimweh habe. Irgendwann war es dann aber doch mit der Beherrschung vorbei und er begann laut zu weinen und sich über Schmerzen im Bauch und am Rücken zu beklagen. Noch ist mir nicht klar, warum er nicht schon viel früher zugegeben hat, dass  die Schmerzen wieder wieder kommen. Wollte  er stark und tapfer wirken oder fürchtete er, länger im Krankenhaus bleiben zu müssen? Ich weiß es (noch) nicht.

Das Akutmittel zeigt nach zehn Minuten erste Wirkung. Eine Stunde später ging es Henri wieder richtig gut und er wollte mit mir "spazieren gehen". Wir waren dann wieder im Haus unterwegs und sind Treppen gelaufen.

Zurück im Zimmer hat er sich ganz arg über eine WhatsApp-Sprachnachricht von den Kindern seiner Klasse gefreut - er hat so gestrahlt. Mit Sprachnachrichten um Videobotschaften kann man ihm wirklich die allergrößte Freude machen. 

 

22. Januar 2019

Was für eine Freude beim Hören der Sprachnachricht seiner Klasse!

 

Heute Abend durfte ich Henri in den Schlaf singen - er hat es genossen wie vor vielen Jahren bei den ersten Herz-OPs. Selbst seine Finger haben dabei die gleichen Bewegungen (Mama und Good - ihr wisst, was ich meine :-)?) gemacht.

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Die Dinge nehmen ihren guten Lauf

 

Der Tag begann mit eine Blutentnahme, um den Blutgerinnungswert zu bestimmen. Nur wenn dieser Wert in Ordnung ist, kann der PDK gezogen werden. Im Gegensatz zu den Planungen des Vortags, jedoch unabhängig vom Gerinnungswert, wurde entschieden, dass der PDK nun doch erst morgen, Dienstag, gezogen wird. Während es zunächst geheißen hatte, Henri brauche dafür eine Sedierung (Ketanest!), stellte die Ärztin heute Morgen in Aussicht, dass es auch ohne ginge, wenn das Kind kooperativ sei. Mir fiel ein Stein vom Herzen, denn da Dirk heute abgereist ist, hätte ich  selbst die „Ketanest-Begleitung“ machen müssen – dabei hatte ich mir vorgenommen, diese eine Sache zukünftig nur noch im Notfall selbst zu übernehmen. Es macht mir nichts aus, Henri auch in sehr schmerzhaften und belastenden Momenten beizustehen – aber" Ketanest-Nachbetreuung" ist eine Sache für sich.

Morgen bin ich also mit der Frühschicht dran und werde versuchen, Henri beim Ziehen des PDK einigermaßen bei Laune und  kooperativ zu halten. Ist der PDK erst draußen, verbleibt nur noch ein Zugang in der Ellbeuge. Vermutlich kann der auch bald gezogen werden, denn die Schmerzmittel Novalagin und Paracetamol bekommt Henri schon seit heute oral und die Antibiose wird nach der Entfernung des PDK nicht mehr nötig sein und

Während ich mir die letzten Tage noch viele Gedanken darüber gemacht habe, ob und wie wir es wohl ohne Schmerzpumpe schaffen werden, bin ich seit heute zuversichtlicher. Kurz nachdem Henri am Vormittag seinen letzten Bolus bekommen hatte,  hat uns der Neurochirurg (der beste / der, dessen Prognosen sich bisher immer bewahrheitet haben;-), besucht und glaubhaft versichert, dass die Schmerzen von Tag zu Tag weniger werden und Henri auch gut ohne PDK und extra Bolus auskommen werde. Und tatsächlich brauchte er seitdem keinen einzigen Bolus mehr – obwohl wir viel mobilisiert haben. Mit jedem Mal ging es besser – selbst Treppen schafft er mittlerweile ohne große Anstrengung. Es ist wie ein Wunder, welche Fortschritte Henri in nur sechs Tagen nach OP gemacht hat. 

 

21. Januar 2019

Fortschritte:  Zum ersten Mal geht Henri die Treppen in der Klinik auf und ab und ich kann nicht aufhören, mich an seiner Aufrechte und Größe zu freuen. Laut digitaler Messlatte sollen es nur 4,5 cm "Zuwachs" sein. Ich denke,  ich lasse morgen noch einmal nachmessen ;-). 

 

 

21. Januar 2019

Die Spannung lässt langsam nach und weil es Henri heute so gut ging,  haben Dirk und ich uns heute einen kleinen Spaziergang gegönnt. 

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Was für ein großer Junge!

 

Ein guter Tag war dieser Sonntag – der 5. postoperative Tag. Alles hat sich so entwickelt, wie die Ärzte und  auch Patienten, die diese OP schon hinter sich hatten, vorhergesagt haben…Die ersten Tage sind hart, aber ab dem vierten Tag geht es aufwärts.

Seit heute ist Henri nicht mehr auf der Intensivstation, sondern auf der IMC (Intermediate Care), einer Art Zwischenstation zwischen Intensiv- und Normalstation. Auf Intensiv wurde Henri in jeder Hinsicht so gut versorgt, dass ich den Wechsel auf Normalstation weniger herbeisehne als er.

Mehrmals ist er heute über die Station gegangen – ohne Schmerzen, jedoch mit Unterstützung der Schmerzpumpe. Weil der PDK (Periduralkatheter) wegen des Infektionsrisikos nur bis zu einer Woche im Körper verbleiben soll, wird er vermutlich morgen vom Neurochirurgen unter Sedierung entfernt. Wir werden sie sicher vermissen, unsere zuverlässige Schmerzpumpe, vor allem auch den extra Bolus. In Zukunft werden Schmerzmittel dann nur noch über Infusion und später auch oral gegeben.

Henris Genesung geht mit großen Schritten voran – davon konnte sich heute Abend auch der Oberarzt aus der Schön Klinik Neustadt überzeugen. Er kam gegen Abend auf Station vorbei zu einem Besuch vorbei und ist sehr zufrieden mit dem postoperativen Verlauf. Wir alle sind zufrieden und unglaublich erleichtert – ich kann es kaum in Worte fassen

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20. Januar 2019

Weil Dirk wie (fast) immer die Frühschicht übernommen hat, habe ich heute Morgen die Gelegenheit zu einem kleinen Spaziergang genutzt. Die Fotos entstanden nur wenige Gehminuten von der Klinik entfernt.

 

 

20. Januar 2019

Gut gelaunt startete Henri heute in den Tag - soo aufrecht :-). Zum ersten Mal hat er am Tisch gegessen - und ab morgen lässt er sich hoffentlich auch nicht mehr füttern ;-).  

 

 

20. Januar 2019

Es war ein unbeschreibliches Gefühl, mit dem aufrechten, großen Henri die Station auf und zu gehen. Es fühlt sich ganz anders an - das werden die Lieben zu Hause sicher bald genauso erleben. Wie viel er "gewachsen" ist, weiß ich noch nicht. Er wurde kurz vor OP an einer elektronischen Messlatte gemessen und da war er 149,4 cm groß. In den nächsten Tagen werden wir ihn dort nochmals messen lassen- ich bin schon sehr gespannt. 

 

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Die Drainage ist raus

Es geht weiterhin in die richtige  Richtung. Heute Morgen ist Henri nach dem Frühstück erstmals mehr als zwei Schritte gegangen. Anfangs war er schwer zu motivieren – das Böcklein zeigte sich ungehemmt. Der Plan war, dass er er sich ein bisschen auf der Station hin- und herbewegt und die Physiotherapeutin wollte ihn in guter Absicht mit dem Vorschlag locken, sie werde ihm den Kindergarten zeigen. Darüber hat er sich noch mehr empört und Bin kein Baby! gerufen. Als er dann erst einmal auf den Beinen war, ging es mit Unterstützung rechts und links recht gut vorwärts – noch ein bisschen unsicher, aber immer zuversichtlicher ist er gegangen. Manchmal war sogar ein leichtes Lächeln drin ;-). 

Am Nachmittag wurde dann einer seiner größten Wünsche erfüllt: Die Drainage durfte endlich raus – für die Ärzte Routine, für mich aufgrund einer offensichtlich immer noch nicht verarbeiteten Erfahrung in Sankt Augustin nicht…eigentlich waren es zwei. Dort hatten die Ärzte beim Legen der Pleuradrainage zunächst eine Sedierung gewählt, die „auf die Atmung gehen“ kann. Wir standen dabei, als Henris Atem immer flacher wurde und er deshalb gebeutelt (mit einer Art Handpumpe Luft in Mund und Nase bringen) werden musste. Danach entschieden sich die Ärzte sozusagen in zweiter Wahl für eine die Atmung nicht beeinträchtigende Methode… die mir aber ebenfalls in keiner guten Erinnerung ist.

Dabei wird das Beruhigungsmittel Midazolam kombiniert mit Ketanest, das gegen Schmerzen wirkt. Ketanest versetzt in andere Sphären, es wirkt wie eine Droge (wird auch als solche verwendet) und verursacht Rauschzustände und eventuell auch Halluzinationen.

Ich erzählte dem Stationsarzt von unseren Erfahrungen in Sankt Augustin und er sagte, dass er in Henris Fall auf jeden Fall die zweite Methode (mit Ketanest) bevorzuge. Weil mir Henris starrer Blick und die scheinbare Leblosigkeit in Erinnerung geblieben war, bin ich zum ersten Mal freiwillig aus dem Zimmer gegangen.

An dieser Stelle möchte ich positiv erwähnen, dass wir hier in Lübeck noch bei keiner Behandlung aus dem Zimmer geschickt wurden. Ich finde es (einmal wieder :-) vorbildlich, dass Ärzte und Pflegepersonal ihre Arbeit so tun, dass unnötige (!)Ängste gar nicht erst entstehen. Dagegen zieht mir ein knappes Bitte gehen Sie jetzt mal raus, wir rufen Sie, wenn wir fertig sind. regelmäßig den Boden unter den Füßen weg. Als Mutter habe ich keine Ahnung, warum ich ein Zimmer plötzlich verlassen soll und bei entsprechender Neigung vor der Tür genügend Zeit für worst-case-Szenarien. Alles anders hier in Lübeck… hier habe ich gesagt, dass ich gerne rausgehen möchte, weil ich Henris Reaktion auf Ketanest in unguter Erinnerung habe. Weil Dirk dabei war, konnte ich das auch ohne schlechtes Gewissen Henri gegenüber tun.

Als ich 10 Minuten später zurück ins Zimmer kam, war Henri erst einmal noch sehr schläfrig, fing dann aber bald an, mit tiefer Stimme unendlich viel zu reden und zu erklären. Soweit so gut und auch ein bisschen witzig, wie er da dozierte… Dann kam jedoch die Angst dazu. Henris Beine zitterten, er sagte, es sei kalt auf der Straße und man brauche einen Mantel. Er redete von angstbesetzten Situationen, die längst vorbei waren, beschwerte sich über den Blasenkatheter, der bereits seit gestern raus ist und über entfernte Zugänge. Ich legte mich neben ihn ins Bett und versuchte ihn – wenn die Angst kam - abzulenken, was auch immer wieder gut funktionierte. Die Ängste kamen aber zurück und das Grauen in Henris Augen werde ich wohl nie wieder vergessen.Dennoch war ich froh, dass ich bei ihm sein konnte – es muss ein Horror sein, solche Ängste ohne enge Bezugsperson aushalten zu müssen. Dank der professionellen Begleitung des Stationsteams hatte ich in diesen Minuten keine Angst um Henri, aber es tat weh, ihn so leiden zu sehen. Die Schwester im Hintergrund sagte ganz ruhig und unaufgeregt, dass es sich um normale Reaktionen handele, an die sich das Kind aufgrund des Beruhigungsmittels später aber nicht mehr erinnere. Der Spuk war nach etwa einer halben Stunde vorbei – eine Erlösung.

Nachdem ich mir das alles von der Seele geschrieben habe, kann ich es loslassen.

 

Und falls jemand aus Lübeck dies lesen sollte: Danke, ihr seid so ein tolles Team!

 

19. Januar 2019

Für Schlafen hatte Henri heute nur am Morgen Zeit .

 

19. Januar 2019

Zum ersten Mal richtig auf den Beinen - und die Sonne scheint ihm ins Gesicht ☀️.

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Schritt – Atemzug – Besenstrich

„Man darf nie an die ganze Straße auf einmal denken, verstehst du? Man muss nur an den nächsten Schritt denken, an den nächsten Atemzug, an den nächsten Besenstrich. Und immer wieder nur an den nächsten... Dann macht es Freude; das ist wichtig, dann macht man seine Sache gut. Und so soll es sein.“

 

("Beppo der Straßenkehrer" aus "Momo" von Michael Ende)

 

 

Als wir heute Morgen auf Station kamen, war der ZVK, über den sich Henri seit Tagen beschwerte, nicht mehr da. Es war jedoch nicht die Nachtschwester, sondern Henri selbst, der an den am Hals sitzenden Zentralen Venenkatheter Hand angelegt hatte. Nicht einmal eine Schere hat er für das Lösen der beiden kleinen Befestigungsstiche gebraucht. Da die Infusionen an diesem Tag eh ausgelaufen wären, war es nicht weiter schlimm: Henri war einfach schneller als die Schwestern ;-).

Nach dem Frühstück kam wie immer die Physiotherapeutin zur Mobilisierung. Alles ging deutlich schneller und war weniger schmerzhaft als am Vortag. 

Wie jeden Morgen kam auch das Schmerzteam vorbei, um die Schmerzpumpe zu prüfen und Wirkstoff nachzufüllen. Sie waren noch im Zimmer, als das Kardiologenteam klopfte, um den Herzschrittmacher zu  prüfen und die Frequenz auf das Niveau von vor OP anzupassen. Wie bisher stimuliert der Schrittmacher nun wieder, wenn Henris Eigenfrequenz unter 35 Schläge/Minute fällt. Um diese Zeit waren etwa zehn Menschen um Henris Bett versammelt - die vielen blauen Kittel hätten mich wohl besorgt, wenn ich nicht gewusst hätte, dass es Henri gut geht.

Er war nur ein bisschen blass, was mit dem Abfall des HB-Wertes auf 8,5 zu tun hatte. Weil er unmittelbar nach OP noch bei 12 gelegen hatte, habe ich (wie fast immer) direkt nachgefragt und vom Arzt erfahren, dass es durchaus üblich ist, dass der Wert erst ein paar Tage nach OP fällt und sich dann wieder erholt. Kein Anlass zur Sorge also und auch kein Grund, die vor OP bereitgestellten Blutkonserven zu nutzen.

Nachdem der ZVK nun schon einmal raus war, hatte Henri den Tag über drei vorrangige Themen: Blasenkatheter und Drainage bzw. deren Entfernung sowie Wechsel zur Normalstation. 

Grund für den Verbleib des Blasenkatheters war nicht die Kontrolle der Flüssigkeitsmenge oder gar Bequemlichkeit, sondern dass es sein kann, dass die Patienten aufgrund des PDK (Periduralkatheter) nicht Wasser lassen können und der Urin sich womöglich in der Blase staut. Als Henri am Nachmittag dann anfing, zu jammern und sein au – au! immer eindringlicher wurde, hat die Schwester ihm den großen Gefallen getan, den Katheter zu ziehen. Erfreulicherweise konnte Henri Wasser lassen und wir waren alle erleichtert, dass er nun wieder eine Pein weniger hatte. Es blieben also nur noch die Drainage und die Normalstation. 

Für Henri war es ein anstrengender Tag heute, wenn auch deutlich weniger schmerzhaft als gestern. Immer gab es irgendetwas an oder für Henri zu tun. Er isst übrigens prima und lässt sich je nach Stimmung von Papa oder Mama füttern. Auch wenn es um das Streichen der Brote geht, hat er freie Wahl, wer dies für ihn tun soll.

Den ganzen Tag über hat sich Henri (mit Unterstützung) mehrmals aus dem Bett zum Toilettenstuhl bewegt. Hin und her ging das und beim letzten Mal fing er plötzlich laut zu weinen an, weil ihm – wie er sagte - der Drainageschlauch so weg tue. Auch wenn er furchtbar gelitten hat, kam dieses Mal der Schlauch nicht raus – das Ziehen ist für morgen im Rahmen eines weiteren Verbandswechsels geplant. Dafür bekam Henri eine extra Schmerzmittelgabe, die nach einer Weile auch anfing zu wirken und ihn deutlich entspannte. 

Wie schon am Tag vor OP durfte ich Henri auch heute in den Schlaf streicheln und es hat nicht lange gedauert bis er eingeschlafen ist und wir ihn der liebevollen Nachtschwester anvertraut haben. 

Die Schwestern und Ärzte hier in Lübeck sind ganz außergewöhnlich nett, aufmerksam und zuvorkommend. Kein einziges Mal hatte ich das Gefühl, jemanden zu nerven - ganz im Gegenteil: Ganz gleich, wie lange sie mit Henri beschäftigt sind, fragen sie am Ende dennoch, ob sie denn noch etwas für uns tun können. Das Intensivteam hat – wenn nicht schon geschehen – eine Auszeichnung verdient. Ganz große klasse und im wörtlichen Sinne vorbildlich ist es, was diese Menschen leisten! 

 

18. Januar 2019

Weiße Überraschung am Morgen

 

18. Januar 2019

Henri mittendrin - immer gibt es etwas für ihn oder an ihm zu tun.

 

18. Januar 2019

Henri geht es mittlerweile so gut, dass er wieder Pippi Langstrumpf schauen kann. Die bedienerfreundliche Vorrichtung hat Dirk sich ausgedacht ;-).

 

18. Januar 2019 - Amelies Ersatzfamilie

Dies ist ein Screenshot eines Videos voller  Genesungswünsche - darin sprechen sie Henri so lebendig und liebevoll an, dass einem ganz warm ums Herz wird. Und nach jedem Wunsch nickt und lächelt Henri. Eine richtig tolle Idee war das, liebe Christine, Wolfgang, Marielle, Amelie und Jakob. Mit diesem Start in den Tag habt ihr Henri und uns eine große Freude gemacht. Danke!

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Was für ein Tag!

Gleich zu Anfang des zweiten postoperativen Tages kam die Physiotherapeutin, um Henri zu mobilisieren. Nachdem Henri gestern schon auf der Bettkante gesessen hatte, stand er heute zum ersten Mal auf zwei Beinen. Mit Unterstützung und noch etwas unsicher, aber ein Anfang war gemacht. Leider bekam er kurz später wieder diese Schmerzen, die ihm die Tränen in die Augen treiben und manchmal wimmern lassen. Wenn es ihm so geht, nehme ich ihn meist in den Arm, wir liegen Kopf an Kopf und wenn meine Augen feucht werden, dürfen auch seine Tränen fließen. Er ist so unglaublich beherrscht – man könnte auch tapfer sagen.

Die Schmerzen kommen wie in großen Wellen über ihn, jedoch nicht plötzlich, sie kündigen sich zart an und werden dann immer stärker. Meist klagt Henri nicht über Rückenschmerzen, sondern über Bauchschmerzen oder er zeigt auf den ZVK am Hals. Mittlerweile sind wir so erfahren, dass wir den extra Bolus rechtzeitig auslösen und nicht erst, wenn Henri zu weinen beginnt. So haben wir in den letzten drei Tagen schon ein besseres Gefühl für Schmerzlinderung bekommen.

In schmerzarmen Momenten hat er Appetit und lässt sich füttern – dann lächelt er auch manchmal. Liebe M., du schreibst, dass N. sich über ein Lachfoto freuen würde… vielleicht schaffen wir es ja morgen. 

Manchmal sind es weniger die Schmerzen als die vielen Einschränkungen, die ihm zu schaffen machen. Er fragt dann immer wieder, wann er auf Station kommt oder wann wir nach Hause fahren. Er will seinen Juri sehen und mit ihm spazieren gehen.

Rein medizinisch betrachtet ist der bisherige Verlauf völlig normal und nicht ungewöhnlich. Heute Nachmittag kam wieder der (beste!) Neurochirurg zu uns ins Zimmer und hat bei Henri den Verband gewechselt. Die Naht sieht sehr gut aus, sie ist weder gerötet noch entzündet. Wir haben auch wieder ein wenig über die Operation geredet und sie ist ganz offensichtlich viel besser gelaufen als erwartet. Die Operateure waren aufgrund von Henris Vorgeschichte auf Komplikationen eingestellt – wie dankbar sind wir, dass alles so gut gegangen ist. Am Abend kam dann noch der Oberarzt aus Neustadt und wieder ließ ich mich von dessen positiver Einschätzuung und Zuversicht gerne anstecken. Die bei der OP erreichte Korrektur sei fast physiologisch – ist das nicht toll?!? Noch einmal sprach er an, wichtig es sei, dass die Patienten bald auf die Beine kommen und sich bewegen. Deshalb sei die Verweildauer auf Intensivstation in Neustadt im allgemeinen auch kürzer. Gleich nachdem er gegangen war, setzten wir seinen guten Rat um und holten Henri mit Unterstützung der Krankenschwester zum zweiten Mal aus dem Bett. Es ging schon besser als am Morgen und als ich ihm gegenüber stand, staunte ich, wie anders er sich anfühlt … und wie groß er geworden ist! 

Weil wir ihm zuvor einen Bolus gegönnt haben, konnte auch Henri ein Glücksgefühl genießen – wenn auch etwas eingeschränkter als wir. Es imponierte ihm, seine neue Größe zu spüren und er war auch sehr stolz, so viel Lob für seine Tapferkeit zu bekommen. Als er wieder im Bett lag, hatte er etwas von Glückseligkeit im Gesicht, die mich ganz tief ergriffen hat. Er schien so zufrieden wie lange nicht und kündigte an,  schlafen zu wollen. Als wir uns verabschiedeten, sagte er Mama, zu Hause Klavier spielen und lernen - und strahlte! Und Fahnenstehen ergänzte ich. 

Wir waren an diesem Abend im Ronald McDonald Haus zum Abendessen eingeladen – für uns war es wie ein Fest. Auf dem kurzen Weg dahin fiel Schnee, es war fast unwirklich, diesen vertrauten Weg zum ersten Mal so leicht gehen zu können. Wir sind dann noch einmal zurück auf Station – Henri lag im Schein von Elias Mond in seinem Bett, ruhig atmend und den Hundi auf der Brust.

 

17. Januar 2019 - zweiter postoperativer Tag

Momente

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Die erste Hürde ist geschafft!

Während ich schreibe, sitzt Dirk an Henris Bett. Es ist nicht einfach gerade – und auch wenn uns vorher bewusst war, dass die ersten Tage richtig hart sein werden, tut es dennoch weh, Henri in seinem Leid zu sehen. Seine wichtigsten Sätze – wenn er denn spricht - sind Ich will Station. (damit meint er die Normalstation, wo es ihm vor der Operation noch gut ging und er außer bei den Blutentnahmen keine Schmerzen hatte) und Ich will nach Hause. Natürlich kann er sich nicht vorstellen, dass er sich auf Normalstation auch nicht besser fühlen würde. Die entsprechenden Fragesätze sind Wann Station? und Wann nach Hause? Verständlicherweise ist jede einigermaßen wahrheitsgetreue Antwort eine Enttäuschung für ihn. Selbst morgen oder übermorgen ist zu weit.

Gestern hatten wir unmittelbar nach OP bereits kurz mit den drei Operateuren (zwei Wirbelsäulen- und ein Neurochirurg) gesprochen und wie sie sagten, ist alles völlig komplikationslos gelaufen. Versteift wurden die Wirbel T5 bis L3 - acht Brust- und drei Lendenwirbel. Henris Blutverlust war nicht so groß, als dass er eine Blutkonserve gebraucht hätte.

Wie zuvor vom Chirurgen angesprochen worden war, wurde unter OP der sog. Aufwachtest gemacht und erfreulicherweise waren die Reizleitungen in Ordnung, denn Henri konnte im halbwachen Zustand auf Aufforderung die Füße bewegen. Dennoch müssen wir in den nächsten zwei/drei Tagen weiterhin auf die Beweglichkeit der Füße achten, denn neurologische Probleme können auch noch nachträglich entstehen. Bisher sieht alles gut aus und Henri scheint keine Einschränkungen zu haben.

Jedoch hat er große Schmerzen. Am gestrigen OP-Tag klagte er nur über die Zugänge an Hals und Arm, der Rücken tue ihm nicht weh, sagte er. Seit heute nun hat er die für diese OP üblichen starken Rückenschmerzen. Dagegen hat er einerseits ein über die Infusion laufendes starkes Schmerzmittel. Die größte Linderung verschafft jedoch eine Periduralkatheter, der kontinuierlich Schmerzmittel an die Nerven im OP-Bereich abgibt. Sind die Schmerzen besonders groß, haben wir die Möglichkeit, Henri über das Drücken eines Knopfes einen Bolus extra zu gönnen. Schon vor OP habe ich viel über diese besonderen Schmerzen und deren Bekämpfung gelesen. Von daher befolge ich gerne den Rat, nicht zu zurückhaltend zu sein und den Bolus zu nehmen, wenn die Schmerzen kaum noch auszuhalten sind. Henri ist ein tapferes Kind und wenn er vor Schmerzen laut weint, bin ich sicher, dass es ungeheuer weh tun muss und drücke den Knopf. Das Mittel wirkt recht schnell und Henri entspannt sich erst einmal. Danach fällt er wohl vor Erschöpfung in einen leichten Schlaf. 

Heute Morgen war die Physiotherapeutin auf Station, um ihn zu mobilisieren. Mit viel Mühe und leider auch unter großen Schmerzen hat er es geschafft, sich mit unserer Hilfe auf die Bettkante zu setzen. Sich auf die Füße zu stellen, wäre keinesfalls gegangen. Morgen früh geht es mit der Mobilisierung bestimmt ein bisschen besser. 

Vielleicht haben manche das Gefühl, dass sie oder ihr Kind diese ganze Tortur gar nicht aushalten würden. Ein ähnliches Gefühl hatte ich, bevor wir hier angekommen sind: Wie soll ich das schaffen, mein Kind so leiden zu sehen?. Mich tröstet vor allem die Aussicht auf eine deutliche Besserung in den nächsten Tagen – so habe ich es in vielen Erfahrungsberichten gelesen und das hält mich hoch. Ich denke, es ist auch für Henri ein Trost, wenn ich immer wieder sage, morgen ist es besser und am nächsten Tag wieder besser. Darüber haben wir schon Wochen vor der Operation immer wieder gesprochen.Damit Henri nicht das Gefühl bekommt, er könne uns nicht vertrauen, war mir die Vorbereitung ganz wichtig. 

Es ist mittlerweile 20.00 Uhr, Henri schläft ruhig. Gerade hat der Neurochirurg, der uns auch schon am Abend vor der OP mit seiner gelassenen und freundlichen Art so viel Zuversicht geschenkt hat, besucht. Alles wie es sein soll, bald geht es mit großen Schritten aufwärts.

 

Ahnt ihr, wie dankbar ich ihm für diese Worte bin?

 

 

15. Januar 2019 - vor der großen Wirbelsäulen-Operation

Als wir um 6.15 Uhr auf Station kommen, schläft Henri noch - im Licht des Mondes, den ihm Elias zum Abschied geschenkt hat. Wir wecken ihn sanft, aber er mag nicht aufstehen ... will nich. Irgendwann haben wir es dann doch geschafft. Henri hat das OP-Hemd an und wird mit seinem Bett zum OP gefahren. Dort angekommen,  kündigt er direkt an, sich nicht auf den OP-Liege legen zu lassen. 

Nun ist es soweit: Er ist da - der Moment, den ich seit Monaten fürchte. Und das Böckchen in seiner Angst lenkt mich von meiner eigenen ab. 

 

16. Januar 2019 - der erste postoperative Tag

Alles tut weh, aber zu dritt schaffen wir es, Henri dabei zu unterstützen, sich zum ersten Mal auf die Bettkante zu setzen. Morgen kommt die Physiotherapeutin wieder - und wir sind gespannt, wie weit wir mit der Mobilisierung kommen. Am Nachmittag möchte Henri etwas essen: Wir beginnen mit Vanillepudding ... und machen weiter mit zwei Scheiben Brot, zwei Packungen Kräuterquark, Frischkäse, Tomate und Gurke.Dann ist Henri satt ;-).

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OP geglückt!!!

Liebe Familien, Freunde und Wegbegleiter,

 

ich will zunächst nicht viel schreiben, denn so viele warten noch auf einen Anruf. Bereits um 13.30 Uhr rief Professor Halm mich auf meinen Handy an - Operation erfolgreich, alles wie es sein soll. Ich weiß nicht, wann ich zuletzt so erleichtert war. Henri kam direkt nach OP auf Intensivstation, wo er jetzt viel am Jammern ist. Die Ärzte tun,  was sie können, aber der Oberarzt hatte uns schon im Auklärungsgespräch  gesagt, dass man die Patienten trotz starker Schmerzmittel nicht schmerzfrei bekommt. Und so hoffen wir, dass es jeden Tag ein bisschen besser wird und es ab Tag 4 richtig aufwärts geht. Mehr später :-)

PS. Aufwachtest bestanden: Er konnte seine Füße unter OP bewegen :-). auch die nächsten 2-3 Tage müssen wir die Beweglichkeit der Füße im Auge behalten- erst einmal sieht es gut aus. 

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Freigabe ist da - morgen um 7.00 Uhr geht's los

Der Tag startete mit einer Blutentnahme, etwas langwieriger und wohl auch schmerzhafter  als die erste und dazu mit doppeltem Anlauf . Henri hat die ganze Zeit mittellaut Mama geschrien, sodass er mein  Zählen kaum hören könnte, aber dennoch war es für ihn und uns noch im erträglichen Bereich. Zweck der Blutentnahme war die Kreuztestung mit Fremdblut, weil Henri vermutlich ein bis zwei Beutel Spenderblut benötigen wird.

Danach war dann die fast sehnsüchtig erwartete Untersuchung des Kinderkardiologen aus Kiel. Beim Herzecho war er sichtlich zufrieden - dass Herz sei sehr gut operiert und weise nur geringe Restbefunde auf. Seine Einschätzung entsprach der unseres Kinderkardiologen in Homburg, auch der Kinderkardiologe in Sankt Augustin hatte die Situation im September ähnlich gut eingeschätzt. Zusammenfassend sagte er, dass wir mit diesem Befund keine besonderen Probleme erwarten müssen. Was für eine Erleichterung, dies so zu hören - insbesondere auch wenn es von jemandem aus einer anderen Klinik kommt. Liebe Mama, diesen Satz habe ich vor allem auch für dich - und für dich, lieber Elias ! -  zitiert.

Am Abend besuchte uns der Anästhesist, der Henri während der OP versorgen wird zu einem Gespräch aufs Zimmer. Auch von ihm ging viel Zuversicht aus - wenn natürlich auch keine Zusage, dass zu 100 % alles gutgehen wird. 

Zuletzt kam dann noch mitoperierende Neurochirurg zu uns aufs Zimmer. Er strahlte eine solche Ruhe und Gelassenheit aus, das ich die ganze Zeit den Impuls verspürte, all seine positiven und mitmachenden Einschätzungen, tief in mich einsaugen zu müssen. Was für eine großartige menschliche Leistung - ich war so dankbar, dass er "einfach so" und ohne konkrete medizinische Notwendigkeit noch bei uns vorbeigeschaut hatte.

Ja, wir sind hier wirklich sehr gut aufgehoben - in allen Bereichen (Empfang, Labore, Servicepersonal) Schwestern, Ärzte) haben wir so viel Freundlichkeit und Verständnis wie noch in keiner anderen Klinik erlebt.  Hier scheint die Qualitätssicherung (und vielleicht auch das Beschwerdemanagement) tatsächlich zum Wohle der Patienten zu greifen. 

 

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Lübeck- Hamburg und zurück

Weil Henri über das Wochenende beurlaubt wurde, nutzen wir die Gelegenheit für einen Kurztrip nach Hamburg. Für Fahnen- und Drachenträger ist das stürmische Wetter optimal.

In den vergangenen Jahren waren wir nicht selten zu zweit unterwegs - Hamburg war irgendwie immer zu weit. Jetzt nutzen wir die Gelegenheit zu einem Kurzbesuch. #Ablenkung

 

 

12.Januar 2019 - Auf dem Weg vom Hafen zur Elbphilharmonie

Henri genießt den starken Wind und möchte daher nicht in die Elbphilharmonie - am Eingang haben wir zähe Verhandlungen bis er nach 10 Minuten endlich einwilligt. Über eine lange Rolltreppe geht es erst einmal aufwärts, Henri bleibt skeptisch.

 

12.Januar 2019

Auf der Plaza, der Aussichtsplattform der Elbphilharmonie, ist die Stimmung (erst einmal) bestens. Henri ist nämlich so begeistert, dass er nicht mehr weg will. Uns zieht es in Warme, aber Henri sagt nein. Wieder Verhandlungen und dann Tricks, um ihn reinzulocken. Es stört ihn gar nicht, dass wir immer wieder reingehen und ihn stehen lassen ... er ist sich wohl ziemlich sicher, dass wir nicht ihn ohne ihn gehen.

 

13. Januar 2019

Nach dem Frühstück mit Nutella starten wir zu einer Besichtigungstour. Henri will nur draußen sein - unglaublich lange steht er vor dem Hamburger Rathaus und weigert sich, auch nur einen Schritt durch die Tür ins Innere zu setzen.

 

13. Januar 2019 - Nicolaikirche

Von der ehemals höchsten Kirche Europas steht nur noch der Turm. Irgendwann schaffen wir es, Henri zu überreden, im Aufzug mit uns hochzufahren. Wir haben eine tolle Aussicht über die Stadt, Henri seinen Drachen. Im Anschluss besuchen wir noch das Museum und verlassen es  betroffen. Sogar dem Geschichtskenner in unserer Familie war nicht  bewusst gewesen, wie sehr der Feuersturm in den letzten Julitagen 1943 Hamburg getroffen hat. Im Museum schauen wir uns auch einen Info-Film an - ich habe kaum je etwas Schlimmeres gesehen. Erschütternd, dass all das Grauen von Menschenhand kam. 

 

13. Januar 2019

Zum Schluss sind wir in der Speicherstadt unterwegs. Die Wetterbedingungen für Fahnen- und Drachenträger sind weiterhin perfekt - nur der kalte Regen müsste nicht sein. Mit Einbruch der Dunkelheit machen wir uns auf den Rückweg  nach Lübeck. Henri ist froh, noch eine Nacht bei uns im Ronald McDonald Haus schlafen zu dürfen. Morgen früh müssen um 7.30 Uhr auf Station sein. Der Tag soll starten mit einer weiteren Blutentnahme und einer Untersuchung beim Kinderkardiologen. 

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OP-Vorbereitungen

Nachdem es am Donnerstag eher unwahrscheinlich schien, dass die Operation am Dienstag stattfinden kann, scheint es nun doch in Richtung OP zu gehen.

Nachdem die Drähte gestern tatsächlich wie vermutet heiß gelaufen waren, wurde Henri für das Wochenende beurlaubt. Die erste Nacht hat er mit uns im Ronald McDonald Haus verbracht. Heute werden wir ganz spontan im nahen Hamburg übernachten und am Sonntag wieder in Lübeck. Die Entscheidung, ob die OP in Lübeck stattfinden kann, fällt am Montagmorgen. Schon um 8 Uhr haben wir einen Termin beim Kinderkardiologen, der aus Kiel nach Lübeck kommen und Henri untersuchen und seine Einschätzung geben wird. Danach folgt ein weiterer Termin in der Anästhesie. Sollte von deren Seite aus die Freigabe erfolgen, wird Henri wie ursprünglich geplant am Dienstag operiert.

Der gestrige Tag begann mit einem Termin in in der Herzschrittmacherambulanz, wo die Frequenz wie zuvor geplant auf 6O erhöht wurde. Henris „normale“ HF liegt am Tag bei etwa 50-55 - der Herzschrittmacher stimuliert vor allem nachts, wenn sie auf unter 45 fällt. Außerdem wurde auch die Funktion des Schrittmachers getestet- alles in Ordnung.

Am Nachmittag kam dann der zusammen mit Professor Halm operierende Oberarzt aus Neustadt zum Aufklärungsgespräch. Nach einer Nachtfahrt durch die Republik war mittlerweile auch Dirk in der Klinik angekommen und wir haben zusammen bestimmt eineinhalb Stunden über den geplanten Eingriff gesprochen. Im Laufe der vergangenen 16 Jahre haben wir schon viel Erfahrung mit Aufklärungsgesprächen machen können – nie fühlten wir uns besser informiert. Der Arzt, hat uns mit mit sehr viel Empathie und Geduld beraten.Ruhig und auch für medizinische Laien verständlich hat er uns zunächst jede Frage beantwortet und danach den geplanten OP-Verlauf beschrieben. 

Vorab:Er ist zuversichtlich und beschreibt Henris Fehlbildung als für Neustädter Verhältnisse nicht kompliziert. Alleine bei dieser Aussage sind mir Tränen zaghafter Erleichterung gekommen. Erst im Oktober hatte ein in Saarbrücken niedergelassener Orthopäde in Saarbrücken offen gestanden, so etwas schon 20 Jahre nicht gesehen zu haben. Wie relativ doch alles ist - das wurde mir in den letzten Tagen wieder so deutlich bewusst. Nicht nur aktuell und bezüglich der Schwere der Diagnose – im Grunde ist doch alles relativ und bekommt die Bedeutung doch im Wesentlich durch zutiefst persönliche Beurteilungen. 

Wie wir bereits wussten, sind die Schmerzen nach dieser Art von OP sehr groß und lassen sich trotz starker Schmerzmittel nicht völlig ausschalten. Die ersten Tage werden sehr hart sein, in der Regel geht es ab dem vierten Tag aufwärts. Die übliche Verweildauer nach OP liegt bei 9-12 Tagen. Auch nach Entlassung brauchen die Patienten starke Schmerzmittel, ohne Morphin geht es erst einmal nicht. Dass die Schmerzen durch frühzeitige Mobilisierung und viel Bewegung gelindert werden können, wissen wir erst seit gestern.Der Oberarzt berichtete, dass die Patienten in Neustadt meist schon am ersten postoperativen Tag die ersten Schritte machen, in Lübeck in der Regel etwas später. 

Die Belastbarkeit ist in den ersten Wochen und Monaten noch deutlich eingeschränkt. Der erste Schulbesuch ist meist 6 Wochen nach OP möglich, meist starten die Kinder mit ein paar Stunden. Schulsport soll für ein ganzes Jahr ausfallen.  

Am Schwimmtraining kann Henri frühestens nach einem halben Jahr wieder teilnehmen. 

Dagegen sind Spaziergänge von Anfang an nicht nur erlaubt, sondern der Genesung förderlich.

 

Ich versuche nun das geplante Procedere zu beschreiben. Als medizinischer Laie kann ich über die Operation natürlich nur näherungsweise und sicher nicht immer detailgenau berichten. 

Am OP-Tag wird Henri bereits gegen 7.OO Uhr abgeholt und es braucht nach der Vorbereitung durch die Anästhesie einige Zeit bis mit dem chirurgischen Eingriff begonnen werden kann. Der Arzt meinte, auch wenn die Operation selber "nur" drei Sunden dauert, sollten wir uns keine Sorgen machen, wenn Henri erst gegen 15.00 Uhr zurückkommt. Neben den beiden Wirbelsäulenchirurgen ist auch ein Neurochirurg im Op-Team - er überwacht unter anderem das weiter unten beschriebene Neuromonitoring.

Nach einem relativ langen Schnitt werden erst einmal in jeden der zu versteifenden Wirbel (ca 8-10, die genaue Zahl entscheidet der Operateur unter der OP) jeweils zwei Schrauben geschraubt. Im Anschluss werden die Facettengelenke entfernt, um die Beweglichkeit (und Formbarkeit) der Wirbelsäule zu erhöhen. Danach werden zwei Titanstangen von ca. 5 mm Durchmesser durch die Köpfe der Schrauben geführt. Zuvor wurden sie in die Form gebogen, die Henris Wirbelsäule nach dem Eingriff haben soll.Obwohl ich viele Fragen gestellt habe, weiß ich nicht, mit welcher Methode die Stangen in die richtige Form gebracht werden … bestimmt nicht pi mal Daumen? Schließlich werden die Stangen mittels sog. Madenschrauben an den Schraubenköpfen festgezogen und somit fixiert.

Bei dieser Art von OP gibt es ein sog. neurologisches Risiko, umgangssprachlich besser als  Querschnitt bekannt. Um dies zu minimieren, bedienen sich die Operateure der Methode des sog, Neuromonitoring, das die Signalübetragung vom Gehirn über das Rückenmark zu den Füßen überwacht. Weil Henri einen Herzschrittmacher trägt, kann nicht die üblicherweise verwendete Technik der Elektromyographie, sondern nur die SEP-Methode (Überwachung mittels somatosensorisch evozierter Potenziale). Möglicherweise kommt im Bedarfsfall ergänzend der Aufwachtest zur Anwendung. Dabei wird kurzzeitig die Narkosetiefe vermindert und der Patient muss nach Aufforderung Hände und Füße bewegen. Wir haben dies mit Henri schon geübt und er weiß nun schon, was zu tun ist. Im worst case (bei Unterbrechung der Reizleitung kann der Patient die Füße nicht bewegen) bleiben die Stangen zwar in der Wirbelsäule, die zuvor erwirkte Korrektur wird jedoch zurückgenommen. Damit kann zumindest verhindert werden, dass die Kyphose weiter fortschreitet.

Noch ein Wort zum Morbus Scheuermann, den wir neuerdings nur noch Kyphose nennen. Ein Morbus Scheuermann ist eine sogenannte idiopathische Erkrankung – das heißt, unbekannter Ursache. Weil es jedoch bei Menschen mit Down-Syndrom eine Häufung des Krankheitsbildes Morbus Scheuermann gibt, sieht die Medizin einen (wenn auch bisher ungeklärten) Zusammenhang. Nur aus diesem Grund spricht man bei Menschen mit Down-Syndrom von einer Kyphose und nicht von Morbus Scheuermann. Von dieser feinen Differenzierung wissen wir jedoch erst, seit wir in Neustadt das Erstgespräch hatten. 

 

Und wie geht es eigentlich Henri selbst?

Er hat viel Angst: Vor Blutentnahmen, vor Infusionen, vor Drainagen und auch vor Schmerzen. Seit gestern fragt er mich, wo ich während der Operation sein werde. Er will nicht, dass ich weggehe. Ich soll auf ihn aufpassen. Er wünscht sich, dass ich nach der Operation für ihn singe, am liebsten Im Märzen der Bauer. Henri freut sich so sehr auf den Frühling.Er wünscht sich einen Früchtebaum (so nennt er es) für den Garten – und Erdbeeren. 

Die präoperativen Zeiten waren früher einfacher. Zwar hat Henri auch als kleiner Junge  stimmungsmäßig viel aufgenommen, jedoch hatte er keine konkreten Ängste. Das ist seit der letzten Herz-OP 2012 anders. Er erinnert sich sehr gut an die Zeit in Sankt Augustin, vor allem an den überaus schmerzhaften Pneumothorax und die Drainage, die er so erlebt hat, als würde ihm Wasser in den Körper gedrückt. 

Es gibt fröhliche Momente, in denen Henri schelmisch Scherze mit uns treibt – in diesen Momenten habe ich es leichter mit der Zuversicht. Manchmal sehe ich ihn aber auch völlig in sich gekehrt, mit fast apathischem Blick und es ist schwer, ihm aus dieser Stimmung herauszuhelfen. Wenn ich sehe, wie er mit den Tränen kämpft und schluckt, gebe ich ihm manchmal den Rat, laut zu weinen,Er sagt dann meist nur Will nicht Krankenhaus, will nach Hause.Ich ermuntere ihn auch, zu schreien, gerne auch So ein Scheiß!.Das gefällt ihm und nimmt meist etwas Spannung raus. Und so kommt es, dass er nun immer wieder mit einem schelmischen Grinsen Ich raste aus! ruft. 

Ihr seht, es ist alles in Bewegung – nichts statisch. Nicht die Zuversicht, aber auch nicht die Angst.

An dieser Stelle danke ich allen, die uns mit Gebeten, guten Gedanken und Mutmach-Nachrichten begleiten.Es sind Menschen darunter, denen ich persönlich nie begegnet bin. Eine hat mir gestern geschrieben: Es mag nichts nützen, aber meine Gedanken sind bei euch.

Doch, liebe M. und all ihr anderen - es nützt! 

 

 

11. Januar 2019

Wie fast immer ist Henri kooperativ - hier bei der Schrittmacherkontrolle

 

 

11. Januar 2019

Vor dem Entfernen des Zugangs hat Henri fast soviel Angst wie vor Blutentnahmen. Bei beidem hat sich auch in Lübeck Zählen und in die Augen schauen bewährt :.).

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Statt eines Blogeintrags ...

Statt eines Blogeintrags gibt es heute den Link zum OP-Tagebuch

 

 

 

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Step by Step und Abschied des Konjunktiv II (für die Vergangenheit)

Seit dem letzten Blogeintrag ist mehr als ein Monat vergangen. Ich habe viel recherchiert und neue Kontakte in meiner neuen Welt (die der Wirbelsäulen-OPs) geknüpft. Die Erfahrungsberichte und Informationen geben mir mehr und mehr das Gefühl, eine gute, weil wohlüberlegte Entscheidung über das Wer, Wo und Wann getroffen zu haben.

Am 15. Januar wird Professor Halm, ein Wirbelsäulenchirurg mit ausgezeichnetem Ruf und Chefarzt der Schön Klinik in Neustadt/Holstein - Henri operieren. Für Interessierte und Sachkundige,  z.B. TS: Die Wirbelsäule wird zunächst aufgerichtet und dann von Wirbel TH5/6 bis Wirbel L3 versteift. Die Aufrichtung dient nicht nur der Vorbeugung von Schmerzen, sondern vor allem auch von neurologischen Ausfällen und kardiopulmonalen Problemen, die zwangsläufig kommen, wenn nicht Henri nicht operiert wird.

Für die, die hier zum ersten Mal mitlesen: Die Operation ist alternativlos – in den letzten Monaten haben wir keinen einzigen Orthopäden/Chirurgen getroffen, der uns zum Zuwarten geraten hätte. Im Gegenteil: Je früher Henri operiert wird, umso besser sind die Erfolgsaussichten. Kaum vorstellbar: Nach OP wird Henri 8-10 cm größer sein. Die Operation findet statt in Kooperation mit der Kinderklinik Lübeck, die dem Universitätsklinikum Kiel angeschlossen ist – schon seit Jahren operiert Prof. Halm Kinder mit komplexen Vorerkrankungen in Lübeck.

Seit wir Henri Ende Oktober in Neustadt vorgestellt haben, stehe ich in regelmäßigem E-Mail-Kontakt mit ihm – keine Selbstverständlichkeit. Er unterrichtete mich zeitnah über Gespräche zwischen Fachrichtungen innerhalb seiner Klinik sowie auch über den Austausch mit Lübeck und vermittelte mir immer wieder Zuversicht, wenn ich mich in worst-case-Szenarien zu verlieren drohte.  Ausschlaggebend für die Entscheidung zur Operation in der Klinik in Lübeck war, dass Henri nach der OP auf einer Kinderintensivstation, wo die Ärzte mit angeborenen Herzfehlern vertraut sind, versorgt werden kann.

Seitdem wir den OP-Termin haben, ist zumindest der Druck, richtig zu entscheiden, weg. Außerdem hat sich endlich - und ohne, dass ich ihn wissentlich dazu aufgefordert härte - der Konjunktiv II verabschiedet ... den für die Vergangenheit meine ich. Mir ist aufgefallen, dass ich keine Sätze mehr bilde mit „hätte ge… " und „wäre ge...“ - nicht einmal gedanklich. Das macht es leichter. Ich erlaube mir, nach vorne zu sehen. Dabei hat der andere Konjunktiv II - der für Gegenwart und Zukunft -  schon noch Raum, das gebe ich zu  ;-).

Henri selbst hat zur OP und dem Krankenhausaufenthalt eine klare Meinung: „Will nich“. Er fragt nach Anzahl und Positionierung von Infusionen und Drainagen und wann sie wieder wegkommen. Ich habe ihn vorbereitet, dass er in den ersten Tagen Schmerzen haben wird, sie aber von Tag zu Tag weniger werden. Und dann? fragt er immer. Mein Dann kommt wieder eine Infusion weg -  tröstet ihn. Und dann? ... es sind immer die gleichen Fragen...Wenn alle Infusionen weg sind, dürfen wir nach Hause. Du hast dann einen geraden Rücken und bist fast so groß wie die Mama. Step by Step.

Wer selbst Kinder hat, weiß, wie eng das eigene Befinden mit dem eines kranken Kindes verknüpft ist. Bei mir ist diese Verbindung ganz besonders eng – jedenfalls empfinde ich es so. Es gab und gibt Momente, wo scheinbar nichts mehr ging und geht. Vorletzte Woche hat mein lieber Mann die Notbremse gezogen: Hat unsere bewährte Kinderbetreuung organisiert und mich auf die Insel geschickt. Eine ganze Woche war ich auf Norderney Tag für Tag viele Stunden am Meer unterwegs – einzige Begleitung war die Kamera. Nach dem ersten Tag ist die Zeit wie im Flug vergangen, ich habe das Alleinsein sehr genossen und fühlte mich in keinem Moment einsam. Ja, eine solche Auszeit ist ein Luxus und ich bin Dirk unendlich dankbar, dass er diese Zeit für mich arrangiert hat. Und dennoch: Jedes vielleicht flüchtig dahergesagte Du hast es gut! lässt mich zweifeln, ob Nichtbetroffene auch nur ahnen können, wie es mir und anderen Eltern in ähnlicher Situation wohl geht. Sehr deutlich wurde mir das beim Lesen einer Kurznachricht einer Freundin, die Kinder im Alter von Henri und Amelie hat. Wir kennen uns recht gut -  umso erstaunter war ich über ihre wohl spontanen Zeilen: "Jetzt, wo die (kleine) OP bei C. ansteht, merke ich, dass ich nicht die geringste Ahnung haben kann wie ihr euch mit Henris Wirbelsäulenoperation fühlt .........erst jetzt......................"  Diese wenigen und so offenen Worte haben mich tief berührt - auch jetzt, wo ich sie niedergeschrieben habe.  Sie sind für mich tröstlicher als die meisten gutgemeinten Wünsche. Dieses Ich fühle mit dir ist für mich wertvoller als Berichte über Kinder von Bekannten, die auch Rückenprobleme hatten und zur Kur in Sowieso waren. Oder allgemeine Lebensweisheiten und Betrachtungen im Sinne von "Das Leben ist nicht fair", zu deren Bestätigung gerne auch mal andere Schicksale herangezogen werden. Ich möchte mal ganz ernsthaft fragen: Wo ist der Zusammenhang zwischen Krankheiten und dem Begriff fair?  Wenn es nicht fair ist, dass jemand an einer Krankheit leidet ... was wäre denn fair? Doch nicht, dass ein anderer betroffen ist? 

Jetzt sitze ich im Zug in Richtung Saarland. Die Telefonate mit den Lieben zu Hause haben ihre und meine Vorfreude auf meine Rückkunft geweckt. Amelie will es zum Beginn des Advent so richtig gemütlich machen - so hat sie es versprochen :-). Sie will sogar Brownies backen - Für dich ... und natürlich auch für mich,  weil die mir natürlich auch schmecken - sagte sie eben am Telefon ;-). Marie ist seit gestern auf Adventsbesuch und wenn Elias nicht arbeiten müsste, wären wir die nächsten beiden Tage wieder einmal – um es mit Henris Worten zu sagen  - alle zusammen

 

 

25. November 2018 - Nordeney

Wenn man ans Meer kommt ... soll man aufhören zu sollen und nichts mehr wollen wollen - nur Meer, nur Meer. (Erich Fried)

 

29. November 2018 - Norderney

 

 

30. November 2018 - Norderney

Premiere - nie zuvor hatte ich mich an die Vogelfotografie gewagt. 

 

 

30. November 2018 - Norderney

 

 

27. November 2018 - Norderney

 

 

19. November 2018

Die letzten beiden Wochen hat Henri ein Praktikum in einer Werkstatt für Behinderte gemacht. Viel mehr weiß ich leider auch nicht - als Informationsquelle ist auf Henri kein Verlass. Jedoch habe ich von der Lehrerin die Rückmeldung bekommen, dass Henri sich wohlgefühlt und auch ungewöhnlich viel gesprochen habe. Am 19. November hat sie mir dieses Foto geschickt. In sein Praktikumsheft hat Henri an mehreren Tagen ein knappes Teile zusammengesteckt eingetragen. Vielleicht ahnt ja jemand, um welche Teile es sich hier handeln könnte?

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Ein langer Bericht über einen langen Kliniktag im hohen Norden

Nach achteinhalb Stunden Klinik sind wir nun auf der Rückfahrt. Es ist schon spät und wieder nutze ich die freie Zeit als Beifahrerin für einen Blogeintrag. Ich werde heute wohl chronologisch berichten, denn das Sortieren und Ordnen fällt mir gerade unheimlich  schwer - selbst den zeitlichen Ablauf kann ich gedanklich nicht mehr ganz nachvollziehen. Dass es nur 24 Stunden her ist, als wir mit vielen Fragen auf dem Weg nach Neustadt waren, kann ich kaum glauben. Diese Stunden waren so dicht und so voller Eindrücke - nie war mir die Dimension Zeit fremder als in diesem Moment. Würde mir jetzt jemand sagen, dass wir diese Strecke  nicht gestern, sondern vor einer Woche gefahren sind, wäre es stimmiger für mich.   

Die Untersuchungen und Gespräche in der Klinik haben wesentlich mehr Zeit in Anspruch genommen als wir wir uns gestern Abend noch vorgestellt hatten. Die Frage, ob es wohl viel Sinn macht, für ein Gespräch von maximal einer Stunde eine reine Fahrzeit über 16 Stunden zu investieren, hatte sich schon um die Mittagszeit erübrigt. Unser Termin war für 9.00 Uhr angesetzt, es war fast halb sechs als wir uns auf den Heimweg machten. 

 

Als unsere Wecker heute Morgen um 7 Uhr klingeln (es sind sechs, jeder von uns hat den Alarm sowohl am Handy als auch am Fitnessarmband eingestellt ;-), staunen wir erst einmal über die schöne Aussicht. Ein Hotelzimmer mit Meerblick hatten wir noch nirgendwo und flugs stellt sich bei mir ein wehmütiges Gefühl ein ... ach, wie schön wäre es, wenn wir jetzt hier einfach ein paar Tage Urlaub machen würden ... was gäbe ich darum... wenn alles gut überstanden ist, müssen wir wiederkommen, genau an diesen Ort ... nehme ich mir fest vor ... genau wie vor ein paar Wochen in Brügge, als ich kaum einen Gedanken fassen konnte, der nichts mit der damals noch fraglichen Operation in Zusammenhang stand. 

Schon vor dem Frühstück meldet sich - verniedlichend ausgedrückt- das Böckchen. Henri sitzt auf dem Bett und mag sich nicht anziehen, er will auch nicht reden - im Gegensatz zu uns sieht er weder Kommunikation- noch Handlungsbedarf. Während Dirk nervös (ein ausgiebiges Frühstück schätzt er wie kaum etwas anderes) und die Situation immer kritischer wird, staune ich selbst über meine Gelassenheit.

 

24. Oktober 2018 - Zimmer mit Aussicht

Henri mag sich nicht anziehen und Dirk ist sauer. 

 

Ich schlage Henri vor, dass Dirk und ich schon mal runter  zum Frühstück gehen und er nachkommt, wenn er angezogen ist. Erinnere ihn noch einmal daran, die bereitgelegte Medizin zu nehmen, die Zimmertür zu schließen und erkläre ihm, dass es das Frühstück im Erdgeschoss (E steht im Aufzug) gibt. Wenn er uns nicht findet, könne er ja fragen. Das Böckchen trollt sich, Henri nickt und Dirk und ich verlassen ganz ruhig das Zimmer. Als Henri nur fünf Minuten später mit einem Strahlen  neben uns am Buffet steht und beim Anblick der üppigen Lachsauswahl noch mehr strahlt, klopfe ich mir mal selbst auf die Schulter ;-). 

 

 

24. Oktober 2018

Als sei ein Hebel umgelegt - die Wogen sind geglättet und Henri ist guter Stimmung.

 

24. Oktober 2018

Ich bin erleichtert, dass die Kommunikation nun wieder funktioniert. 

 

Um Punkt neun betreten wir das Chefarztsekretariat und erledigen zunächst ein paar Formalitäten. Wir warten dann noch etwas im Warteraum und sind so gespannt, als wir im Arztzimmer auf den Mann warten, von dem ich sowohl von Patienten als auch von Ärzten nur  Gutes gehört habe - in allerbesten Händen ist nur einer der Superlative. Was für ein Moment, als er dann vor uns steht! Er untersucht Henri und sichtet die mitgebrachten Unterlagen. Seine erste Einschätzung ist, dass die Flexibilität nicht so gering ist, wie wir (vielmehr die Ärzte) bisher vermutet hatten. Er diktiert der zweiten Ärztin und spricht von einer Teilflexibilität (bisher haben wir immer nur fixiert bzw. geringe Restflexibilität gehört) und erklärt uns dann, warum diese Flexibilität  für eine OP von Vorteil ist. Er erläutert, wie er Henri operieren würde und erklärt uns, dass die zuvor von einem anderen Chirurgen vorgeschlagene und mit einem höheren Risiko verbundene Methode in Henris Falle nicht nötig sei. Was genau geplant ist, hab ich notiert - im heutigen Blogeintrag wäre ich mit der Schilderung der Details jedoch überfordert. Jedenfalls hat  seine erste  Einschätzung  eine eher beruhigende Wirkung auf mich. 

In dem Gespräch darf ich auch meinen Fragenkatalog abarbeiten und bin dabei dankbar für seine Geduld :-). Wie schon am Tag zuvor der Chefarzt der Schroth-Klinik, meint er, wir seien aber gut informiert ... und fragt mich tatsächlich, ob ich Ärztin sei ... und das, obwohl ich gerade noch gestanden habe,  dass ich nicht weiß, ob Henri einen Sinus-Rhythmus hat :-). Liebe Kirsten, wenn die Profs dieser beiden Kliniken mich mit meinem Halbwissen für eine Ärztin halten, hättest du allerbeste Chancen als Chefärztin der Kinderkardiologie durchzugehen - garantiert:-). 

Nach diesem Gespräch begleiten wir Henri erst einmal zum 3D-EOS-Röntgen und danach zum Bending-Röntgen, bei dem die Wirbelsäule maximal überstreckt wird. Zuvor  wird Henri  ein Keil unterlegt, über den er sich mit dem Rücken legen muss. Aufgrund der großen Aufdehnung ist es eine unangenehme Untersuchung,  aus der sich aber verlässliche  Rückschlüsse auf die Flexibilität des Wirbelsäule ziehen lassen. Nach dem EKG sind wir zum zweiten Mal bei dem Professor und erst einmal erleichtert, dass die Untersuchungen seine erste Einschätzung bestätigt haben. Wieder betont er die relativ hohe Teilflexibilität in der Wirbelsäule. Derzeit hat Henri In normaler Haltung eine Krümmung von 92° - bei einem gesunden Menschen liegt der Wert bei ca. 40 °. Beim Überstrecken erreicht Henri einen Winkel von etwas über 60 °. Legt man die Bending-Röntgenuntersuchung zugrunde, kann eine Operation Henri bis zu einer Gradzahl von ca. 60 ° aufrichten. Weil die Flexibilität nachlässt, je länger eine Kyphose besteht, werden die Erfolgschancen einer OP umso geringer, je länger zugewartet wird. Irgendwann ist der Rücken von Kyphosepatienten so steif, dass keinerlei Aufrichtung mehr möglich ist. Heute wird mir erstmal richtig klar, warum es keiner der Ärzte für keine gute Idee gehalten hat, abzuwarten bis sich bei Henri Schmerzen oder gar Ausfallerscheinungen einstellen. Für Henris geplante OP spricht der Professor von einer guten bis sehr guten Prognose  - und bei mir regt sich ein vorsichtiger Optimismus.

Der hält an bis zu einem Aufklärungsgespräch, das sich nun anschließt: Der Prof. schickt uns zum Chef der Anästhesie. Der Anästhesist soll beurteilen, ob die über die aufgrund von Henris Herzerkrankung bestehenden, über die normalen OP-Risiken hinausgehenden Risiken vertretbar seien. Jetzt stellt sich heraus, dass die Liste der uns bisher unbekannten Risiken offensichtlich immer noch nicht zu Ende ist :-(.  

Dass eine erfolgreiche Aufrichtung auch ungünstige Wirkungen auf Herz und Lunge haben könnte, weil sich die räumlichen Verhältnisse im Thorax ändern - das hören wir heute zum ersten Mal. Diese Auswirkungen müssten bedacht werden, sagt der Leiter der Anästhesie-Abteilung - selbst bei nicht herzkranken Patienten - und er wundere sich, wie unser Kinderkardiologe schriftlich bestätigen könne, eine OP sei möglich - das könne der doch gar nicht beurteilen. Mein zarter Optimismus ist mit einem Schlag weg. Ich antworte, dass sich der Kinderkardiologe m.E. in seiner Einschätzung auf die Anästhesie bezogen habe. Dessen schriftliche Bestätigung der OP-Fähigkeit war Grundbedingung für den heutigen Termin - ohne diese Bescheinigung hätten wir erst gar nicht nach Neustadt kommen brauchen. Der Anästhesist formuliert seine Bedenken, dass es ungünstig sei, dass es  in  Neustadt keinen Kinderkardiologen gibt und ich entgegne ihm, dass der Chefarzt der Wirbelsäulenklinik in Kooperation auch in Lübeck operieren würde - dort gibt es sowohl eine Kinderintensivstation als auch Kinderkardiologen. Das überzeugt ihn jedoch  nicht  - so wie ich ihn verstehe, ist die Anästhesie in Neustadt im Bereich der Wirbelsäulen-OPs erfahrener. Was könnte eine Lösung sein, frage ich mich - völlig überfordert, die genannten Aspekte auch nur annähernd kompetent abzuwägen. Ob der operierende  Chefarzt vielleicht nicht allein nach Lübeck reisen, sondern die Neustädter Anästhesisten gleich mitnehmen sollte...? 

Die Chirurgen sähen halt immer nur die Wirbelsäule und nicht die Folgen, die eine Aufrichtung für die Organe hat, sagt er. Diese Aussage schafft nicht gerade Vertrauen, sondern macht Angst - mir zumindest. Zum Schluss fragt er, wie viel Henri denn aufgerichtet werden solle und spricht von einem möglichen Kompromiss ...keine komplette Aufrichtung, dafür mehr Sicherheit für das Herz. Für mich als Laie sind diese Fragen eindeutig nicht zu beantworten und ich kann nichts dazu beitragen, außer, dass die Optik für uns keine Rolle spielt. Für uns ist wichtig, dass Henri auch in Zukunft schmerzfrei und mit wenig Einschränkungen leben kann und natürlich habe ich keine Einwände gegen eine nicht vollständige Aufrichtung - wie könnte ich? Wir erfahren in diesem Gespräch auch noch, dass die Zeit der Narkose die sicherste in dem ganzen Procedere ist: Da sind Sie sicherer, als wenn Sie draußen auf den Parkplatz gehen. Die Probleme kommen danach... Und ich hatte mir immer wieder die große Erleichterung in dem Moment, wo es heißt, Henri habe die OP gut überstanden, vorgestellt :-( Das Anästhesiegespräch ist für mich der unsicherste und nervenaufreibendste Moment des ganzen Tages. Ich bin völlig ratlos und erhoffe mir Klärung im Abschlussgespräch. 

Dort treffen wir noch einmal auf den Chefarzt, der uns informiert, dass die Operation nach Absprache mit der Anästhesie nun doch in Neustadt stattfinden könne. Wie es zu dieser Verständigung gekommen ist und wodurch die kritischen Argumente des Anästhesisten entkräftet werden konnten, kann ich nicht nachvollziehen und jetzt beim Schreiben noch weniger. Der Chefarzt versichert glaubwürdig, er habe schon einige Herzkinder operiert - eines sogar in Kooperation mit einer Klinik in München -  die Aufrichtung sei kein Problem. Was mache ich nun mit diesen regelrecht gegensätzlichen Informationen? Ich sollte doch davon ausgehen dürfen, dass ein Chirurg mit so viel Erfahrung weiß, was er plant und tut? Dass er nicht nur die Wirbelsäule sieht, sondern auch die Auswirkungen der Aufrichtung auf die Organe und den ganzen Menschen. Wie könnte ich ihm an dieser Stelle einen Kompromiss vorschlagen - ob es der Anästhesist getan hat, weiß ich nicht.

Bevor wir gehen, machen wir - für alle Fälle - auch gerade noch das OP-Aufklärungsgespräch mit einem Assistenzarzt. Noch einmal ist Raum für Fragen, noch einmal kommen alle Risiken auf den Tisch und mit unseren Unterschriften bestätigen wir, alles zur Kenntnis genommen und keine weiteren Fragen zu haben.

 

Alles in allem verlassen wir die Klinik sehr erschöpft, aber mit einem guten Gefühl. Was wir in diesen acht Stunden erlebt haben, hat auf uns einen sehr professionellen Eindruck gemacht. Das Gefühl, bei dem Operateur tatsächlich in besten Händen zu sein, bleibt. Ebenso aber auch die Sorge wegen der Einwände des Anästhesisten - es besteht Klärungsbedarf.  

Und wie ging es Henri an diesem langen Tag?  Auch wenn ihm seine Unlust und auch Müdigkeit immer wieder deutlich  anzumerken waren, hat er sich weitestgehend kooperativ gezeigt.  Es gab keine einzige kritische Situation und unser Lob und das des Klinikteams hat er sich wirklich verdient. Was Hinnahmefähigkeit und Durchhaltevermögen betrifft, hat Henri  zweifelsfrei das Zeug zum Vorbild. Mein Respekt vor diesem Kind  ist riesig. 

 

25. Oktober 2018 

Wie fröhlich wir aussehen - bei Henri liegt es daran, dass wir die Klinik am frühen Abend - nach achteinhalb Stunden, endlich verlassen. Und ich lasse mich von Henri anstecken, blicke nach vorne und freue mich mit ihm zusammen erst einmal auf zu Hause.

 

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Einmal quer durch Deutschland - oder: Auf dem Weg...

 

Wundert euch nicht über die Aktualität dieses Blogeintrags - an Tag zwei des Untersuchungsmarathons nutze ich die freie Zeit als Beifahrerin im Sinne eines Versuchs der inneren Klärung. "Klärung" passt - denn die Richtung, in die es gehen wird, ist mittlerweile tatsächlich klar. 

Gestern waren wir mit Henri in einem Zentrum für  Wirbelsäulenchirurgie  im heimischen Saarland. Für die offene und kompetente Beratung des Chefarztes, zu dem wir bisher nur im Rahmen einer früheren Klassengemeinschaft Kontakt hatten, waren wir sehr dankbar. Bei allem Kummer und manchmal auch verzweifelten Momenten bin ich so froh, dass es Menschen gibt , die uns - jede*r auf ihre/seine Weise - unterstützen und uns helfen, nach vorne zu blicken. Obwohl ich manche seit Monaten oder Jahren nicht gesehen habe, ist die Verbindung, in die wir durch Henri gekommen sind, geblieben. Fühlt euch angesprochen ihr Lieben, die ihr mir nächtliche Nachrichten, Drücker und Umarmungen schickt!

Als sei es eine Art Ärztecode, sagt auch er - wie schon der niedergelassene Orthopäde und vor diesem zwei Kinderorthopäden, dass das in Richtung OP geht. Nachdem er Henri untersucht hat, erklärt er uns anhand von Röntgenbildern und verschiedener Modelle erst einmal den Istzustand. Henris Morbus Scheuermann sei so ausgeprägt, dass eine konservative Therapie (Physiotherapie oder Korsett) zu einer Besserung nicht geeignet sei. Man müsse davon ausgehen, dass sich der Zustand im Laufe der nächsten Jahre so verschlimmert, dass auch die jetzt noch gering vorhandene Restflexibilität verloren geht, was einen operativen Eingriff in ein paar Jahren auf jeden Fall schwerer mache. Dass ein Teil der Wirbelsäule immer noch etwas beweglich sei, sei ein Vorteil, der Henri im Falle einer Operation in der nächsten Zeit zugute komme. Auch wenn es keine guten Nachrichten sind, die er für uns hat - sie nehmen uns etwas von dieser quälenden Ungewissheit und mir auch ein Stückweit die große Angst, mit der Entscheidung zu einer OP eine falsche, weil nicht wohlüberlegte Entscheidung  zu treffen.

Nun bleibt nur noch eine Adresse, von der wir uns eine Aussicht auf eine konservative Behandlung erhoffen können. Vor wenigen Wochen noch völlig unwissend, habe ich mittlerweile viele Patientenberichte gelesen, wo eine Operation durch konsequente Physiotherapie und/oder Korsetttragen vermieden oder zumindest hinausgezögert werden konnte. Die meisten dieser Patienten scheinen aus der Schroth-Klinik Bad Sobernheim zu kommen.

Mit einem Stapel von Befunden und Röntgenbildern aus den letzten zwei Jahren sitzen wir im Wartezimmer und sind gespannt, wie der Chefarzt wohl den Zustand von Henris Wirbelsäule einschätzen wird. Wenn es noch eine Chance gibt, um diese Operation herumzukommen, dann wird er uns sicher raten , sie zu nutzen.

Er beginnt mit einer eingehenden Untersuchung und spricht schon währenddessen von einer schweren Kyphose. Auch er ist ein Arzt mit viel Erfahrung - während er vor Jahren in einem großen Wirbelsäulenzentrum operierte, ist sein Schwerpunkt nun die spezielle Therapie nach Katharina Schroth.

Er will ehrlich sein - so sagt er... Es wäre nicht richtig, wenn er uns zuraten würde, abzuwarten und es erst einmal konservativ zu versuchen. Wie schon der Orthopäde gestern spricht er von einer geringen Restflexibilität in der Wirbelsäule, die nicht nur die Operation selbst einfacher mache, sondern auch einen größeren Operationserfolg verspreche. Er würde nicht raten, abzuwarten. Man würde Zeit verlieren, so wie die letzten sechs Jahre (sagt er), als wir uns wegen des Rückens gesorgt hatten, die Symptomatik aber ärztlicherseits als Haltungsschwäche interpretiert wurde. So wie die letzten beiden Jahre, als der Morbus Scheuermann zwar erkannt war, die Orthopäden jedoch der Meinung waren, außer guter Haltung und hin und wieder ein wenig Physiotherapie könne man nichts machen. Damals hatte ich auch Dr. Google befragt und weil auch er der Ansicht war, dass ein Morbus Scheuermann nur in extrem seltenen Fällen operiert werden muss, hielt ich die Einschätzung dieser Orthopäden für glaubhaft.

... Kaum lässt der Kontrollfreak mal ein wenig los - passiert so was... Wenn Henri einer dieser extrem seltenen Fälle wäre, würden die Ärzte es doch sehen ... hatte ich mir gedacht...

Zurück in die Schroth-Klinik: Nachdem die Richtung nun unzweifelhaft ist, sprechen wir mit dem Arzt über die Operation und wieder ergeben sich für uns Aspekte, die wir vorher nicht bedacht hatten. Und auch wenn er uns arg lobt :-), wie gut informiert wir seien und wie wir Zusammenhänge sehen (Was machen Sie eigentlich beruflich? ;-), wird uns wieder einmal klar, wie wenig wir eigentlich wissen und mit welcher Naivität wir vor sechs Wochen mit Henri zum Skoliosecheck gegangen sind. Ihm würde es zum Beispiel - wie in einem geplanten Procedere beschrieben - nicht genügen, vor einer Operation einfach nur das ASS wegzulassen. Er betont, wie wichtig es ist, das GANZE Kind zu sehen - nicht nur den Rücken, sondern auch die kardiale Problematik und weitere Besonderheiten, die sich zum Beispiel aus dem Down-Syndrom ergeben könnten. Er spricht von möglicherweise auffälligen Blutgerinnungswerten, die bei manchen Syndromen vermehrt auftreten. Er betont, welch große Bedeutung die Anästhesie hat und dass es diesbezüglich Unterschiede zwischen den Kliniken gibt. Jedoch lobt er auch die Auswahl unserer ins Auge gefassten Kliniken - Top-Adressen, genau die richtigen

Wir verlassen die Klinik mit einer Hoffnung weniger, dafür mehr Klarheit und der Zuversicht, auf einem guten und vertretbaren Weg zu sein. Und wenn (morgen und den kommenden Wochen) die Chefärzte der Wirbelsäulenzentren eine Operation für erforderlich und auch vertretbar halten, sehe ich uns in der Verantwortung, Henri die Aussicht auf ein auch weiterhin schmerzfreies Leben zu ermöglichen. Und mich zur Ordnung zu rufen, wenn ich manchmal den Impuls verspüre, am liebsten aus dieser Verantwortung  "auszusteigen". Es geht um Henri und mein Versprechen, ihn auf seinem Weg zu begleiten. Dieser Blick weg von mir und hin zu ihm war mir oft schon eine große Hilfe, mit dem scheinbar Unerträglichen umzugehen.Für Henri.

 

23. Oktober 2018

Rast in Bad Kreuznach -  noch sieben Stunden Fahrt liegen vor uns.

Bei heißer Schokolade und glutenfreien Broten mit Tomatenmark und Käse ist Henri guter Dinge :-).

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Unser Wochenende - Vertrautes und Neues

Was für ein Wochenende - dabei war es doch das letzte in den Ferien und mit reichlich Erwartungen, die freie Zeit noch einmal richtig genießen können, besetzt.

Wovon ich zuerst berichte,  ist das Vertraute - mit Henri notfallmäßig in die Klinik zu gehen, ist auch für uns kein Alltag, aber es kommt leider immer mal wieder vor. Am Freitag rief mich Dirk beim Arbeiten an  - weil er das  eigentlich nie tut,  dachte ich mir schon, dass es wohl einen wichtigen Grund geben wird. Schon seit September klagt Henri öfters über Bauchschmerzen, die kommen und auch wieder verschwinden. Manchmal hat er sogar Tränen in den Augen und auch, wenn er es mit einem Bald besser! herunterzuspielen versucht, ist ihm anzusehen, dass es richtig wehtun muss. Als chronisch krankes und krankenhauserfahrenes Kind fürchtet er bei jeglichen Beschwerden in die Klinik zu müssen (für ihn heißt das Spritze, Blutentnahme, Infusion) und er hält sich daher, wenn es ihm nicht gut geht, sehr zurück. Am späten Freitagvormittag dann hat er sich aufs Sofa gelegt und richtig geweint - verständlich, dass Dirk vorgeschlagen hat, dass wir uns direkt in der Klinik treffen, zumal freitags um diese Zeit kein Arzt mehr zu erreichen ist.

In der Klinik wurde er eingehend untersucht - nicht nur der Bauch, es war ein Rundum-Check. Wie gut, dass beim Abtasten und Echo des Bauchraums außer ein paar Verstopfungen im Darm nichts Besorgniserregendes festgestellt werden konnte. Henri geht regelmäßig und ohne Probleme auf die Toilette - dass die Schmerzen einen so banalen Grund haben könnten, hätte ich nicht erwartet. Nach dem Abführen waren die Bauchschmerzen weg und wir erst einmal erleichtert. Ein Herzkind wird aber nicht so schnell nach Hause geschickt - nachdem die Untersuchung des Bauches abgeschlossen war, musste Henri noch zum EKG in die Kinderkardiologie. Dort stellte sich heraus, dass Henri kaum eine eigene Herzfrequenz hat und fast jeder Herzschlag vom Schrittmacher ausgelöst wird. Er ist vor vier Jahren eingesetzt worden, damit er im Notfall und wenn Henris eigene Frequenz auf 35 Schläge/Minute abfällt, einen Impuls setzt. Ob der Schrittmacher im August, nachdem er vor dem MRT abgeschaltet worden war,  neu eingestellt wurde oder der eigene Herzschlag jetzt dauerhaft unter 35 liegt, wissen wir nicht - der Prof., der Henri sonst betreut, war am Freitagnachmittag nicht mehr erreichbar.  Wir hoffen natürlich , dass ersteres der Fall ist ... Am kommenden Dienstag haben wir einen Kontrolltermin in der Kinderkardiologie. 

Mit diesen regelmäßigen Vorstellungen in der Notfallambulanz sind wir mittlerweile  schon vertraut - nichts Neues...

 

Am Samstag machten wir dann eine für uns neue Erfahrung: Am Donnerstag hatte der niedergelassene Orthopäde Henri einen sog. Geradehalter verordnet, den wir im Sanitätshaus anpassen lassen wollten. Einen Geradehalter kann man sich wie eine Art Korsett light vorstellen. Er ist aus Stoff, weniger groß und passt in eine kleine Papierpackung. "Anpassen" bedeutet in diesem Fall nicht mehr als anziehen und einstellen. Tut nicht weh und ist - wenn überhaupt - nur ein bisschen unangenehm. Es war zu Hause schon nicht einfach, Henri zum Duschen und Anziehen zu bewegen. Weil die Zeit langsam immer knapper wurde, durfte er sich ohne Duschen anziehen. Als wir beim Sanitätshaus aus dem Auto stiegen, hatte der Laden noch zwanzig Minuten geöffnet. Wir waren also nicht zu spät und die Anprobe hätte in dieser Zeit locker über die Bühne gehen können. Jedoch hatten wir nicht damit gerechnet, dass wir an diesem Tag auf keinerlei Kooperationsbereitschaft hoffen durften. Henri saß auf der Liege und lehnte jede Kommunikation ab. In der Not begann ich nach  zehn Minuten zu drohen: Wer Henri kennt, weiß, dass es nicht viel gibt, mit dem er zu beeindrucken sein könnte. Ich drohe ihm also (Henri ist in solchen Situation eine echte pädagogische Herausforderung! und ich behaupte, das hat mit dem Down-Syndrom zu tun) , dass er ein paar Tage auf die Kugelbahn verzichten muss ... keine Reaktion, nur Abwehr... und setze dann noch eines drauf: auch die Fahne 😱. Die Reaktion bleibt gleich null. Wir können es nicht glauben: Henri lässt aufwändige und teilweise schmerzhafte Behandlungen beim Kieferorthopäden über sich ergehen, er lässt sich Blut abnehmen, Spritzen geben, er hat das Korsett so geduldig getragen wie wohl kaum ein anderer ... und nun schaffen wir es nicht, ihn zu bewegen, dieses rucksackähnliche Stoffteil anzuziehen.Wir stehen da, sehen und verzweifelt an und haben das Mitgefühl der beiden Mitarbeiter im Sanitätshaus. Nach 20 Minuten und pünktlich zum Ladenschluss gehen wir unverrichteter Dinge.

Danach fahren wir noch in den nahe gelegenen Supermarkt, in dessen Restaurant Henri immer mit großer Freude seine geliebten Kartoffeln mit Quark isst. Das ist zwar kein Standardgericht, aber seine Vorliebe ist den Mitarbeiterinnen dort mittlerweile bekannt und es ist ihnen nicht zu viel, dazu den Quark vom Frühstücksangebot aus dem Kühlschrank zu holen. 

Als wir im Globus ankommen, ist die scheinbare Regungslos- und Sprachlosigkeit plötzlich verschwunden und macht einem emotionalen Ausbruch Platz. Henri setzt sich auf eine Bank, entschuldigt sich mit einem Mama lieb und Entschuldigung, weint dann lauthals und schluchzt Ich mag nur Kugelbahn und Fahne. Ich bin nicht behindert. (Niemand möge auf den Gedanken kommen, jemand aus unserem Umfeld habe ihm vorgeworfen, behindert zu sein!)  Ihm mit deren Entzug zu drohen war keine pädagogische Leistung und nun bereue ich es. Wir verständigen uns darauf, dass ihm die Kugelbahn schon nach einem Tag wieder zur Verfügung steht - vorausgesetzt, er lässt sich auf eine normale Kommunikation ein, antwortet zum Beispiel, wenn wir ihn etwas fragen. Bei Kartoffeln und Quark scheint es ihm dann wieder gut zu gehen - man ahnt nicht, wie mitgenommen er (und wir) noch eine halbe Stunde zuvor waren. 

Am Sonntagmorgen finden wir uns in einer ähnlichen Situation wieder, als Henri mit der Fahne auf der Wiese steht und den Nachbarskindern beim Geburtstagsfeiern zuschaut. Zum ersten Mal schaffen wir es nicht, ihn zum Sonntagsspaziergang zu bewegen. 

Im Blog einer Bekannten, die ebenfalls einen Jungen mit Down-Syndrom hat, habe ich vor einiger Zeit gelesen, dass dieser sich manchmal mitten auf den Bürgersteig  setzt oder legt und dann erst einmal gar nichts geht. Und als ob das nicht schon genug wäre, gilt es dann noch, mit den Reaktionen "besorgter" Mitmenschen umzugehen. 

 

 

13. Oktober 2018

Bei Kartoffeln und Quark ist erst einmal alles wieder gut. 

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Morbus Scheuermann - der aktuelle Stand

Seit wir im März gehört zum ersten Mal haben, dass Henris Rücken fixiert ist, hatten wir zahlreiche Gespräche mit Fachärzten: dem Kinderorthopäden der hiesigen Uni-Klinik, dem Kinderorthopäden aus Sankt Augustin (der Henri operieren würde), einem weiteren Kinderorthopäden aus dem Bekanntenkreis, einem Orthopäden aus dem Bekanntenkreis und vorgestern einem niedergelassenen Orthopäden.

Alle waren der Meinung , dass Henri operiert werden muss/soll ... auch wenn er aktuell keine Schmerzen hat. Die Erfolgsaussichten eines Eingriffs seien besser, wenn die Kyphose (die Krümmung der Wirbelsäule oder   "Buckel") nicht noch weiter fortgeschritten ist. Bislang hat leider kein einziger Orthopäde geraten, zuzuwarten - auch nicht diejenigen, die uns "nur"  beraten und in keiner Weise  in die Operation involviert wären. 

Was wir bisher an Informationen über Möglichkeiten und Risiken einer Scheuermann-OP gesammelt haben, kommt zum Teil von den konsultierten Ärzten. Vieles (auch bislang völlig Unbedachtes) haben wir  in einer Internet-Gruppe erfahren, in der sich Skoliose- und Kyphose-Operierte  austauschen und über ihre Erfahrungen mit Operationsverfahren und Kliniken berichten.  Auch wenn  es Laien sind, haben die  Beiträge dennoch einen hohen Informationsgehalt. Ich wusste vorher zum Beispiel nicht, dass die bei Henri angezeigte Operation im Vergleich zu Skoliose-OPs eher selten durchgeführt wird. Auch war mir  bei Eintritt in die Scheuermann- und Kyphosewelt erst einmal gar nicht bewusst, wie wichtig Fallzahlen sind. Während ich zunächst davon ausging, dass der Operateur auf jeden Fall ein Kinderorthopäde sein muss, halte ich es mittlerweile für wichtiger, dass er bereits Erfahrungen mit Henris Krankheitsbild hat. Wenn ein Kinderorthopäde zwar nur Kinder operiert, von diesen jedoch kaum einer einen Modus Scheuermann hat, ist die Expertise eines "normalen" Orthopäden vermutlich die passendere. Mittlerweile kennen wir (deutschlandweit) die Wirbelsäulenzentren, die nicht nur hohe Fallzahlen, sondern auch Erfahrungen mit komplizierten Krankheitsbildern haben. Wir wissen, wer dort operiert und was die Schwerpunkte sind. Wir wissen sogar bei manchen, aus welcher Klinik sie kommen und wessen Schüler sie waren ;-). Unser nächster Schritt ist es,  dort Meinungen einzuholen. 

 

Übernächste Woche fahren wir mit Henri nach Bad Sobernheim in die Schroth-Klinik. Wenn es Mediziner geben sollte, die zum Zuwarten und einer konservativen Therapie raten, dann finden wir sie wohl in dieser Klinik, wo auch noch Erwachsene mit Korsett versorgt werden. Dort werden Patienten, denen andernorts zur Operation geraten wird,  in Reha-Maßnahmen mit Physiotherapie nach Katharina Schroth behandelt.  Ob eine solche Art von Therapie eine Option sein könnte, wissen wir in zwei Wochen. Wenn uns selbst dort zu einer Operation geraten wird, müsste es wohl für uns Eltern sehr gewichtige Gründe geben, diese abzulehnen.

 

Von Bad Sobernheim geht es dann direkt weiter nach Neustadt/Holstein, einer großen Wirbelsäulenklinik an der Ostsee, wo wir am Tag darauf einen Termin mit dem Chefarzt haben. Im November folgt dann der Termin mit dem Chefarzt des Zentrums für Wirbelsäulenchirurgie in Langensteinbach. Die letzte "Zweit"meinung holen wir in der WKK in Bad Wildungen ein. 

Wir hoffen sehr, dass die Termine uns  helfen, eine Entscheidung zu Henris Bestem treffen zu  können.

 

Der Orthopädentermin vorgestern  war für mich persönlich ein kleiner Lichtschweif ... auch, wenn der Orthopäde die Röntgenbilder unmittelbar nach Sichtung mit einem Sieht nach OP aus. kommentiert hat. Auch wenn er sagte, dass er einen solchen Scheuermann zuletzt vor 15 Jahren bei seiner Tätigkeit im Wirbelsäulenzentrum Bad Wildungen gesehen hat. Im Gegensatz zu den letzten Arztterminen lag der Schwerpunkt des gestrigen Gesprächs auf den Chancen und Vorteilen einer "frühen" Operation - in diesem Gespräch ging es erstmals vor allem um das Leben nach OP. Dieser Fokuswechsel hat mir etwas Mut und Zuversicht gegeben - beides kann ich gerade so gut brauchen.

Der Orthopäde hat Henri auch einen sog. Geradehalter verordnet: Als Unterstützung für eine möglichst aufrechte Haltung , nicht als OP-Alternative. Warum die Anpassung leider nicht auf Anhieb gelungen ist - davon berichte ich im nächsten Blogbeitrag.

 

11. Oktober 2018

Wie verbunden wir doch sind...

So fröhlich und ausgelassen wie nach dem Termin beim Orthopäden war Henri lange nicht.

Und noch mehr, als er sich in Baumarkt ein neues Windrad aussuchen durfte.

(Dieses bei Kindern und Jugendlichen so beliebte Handzeichen hat er jedoch garantiert nicht von mir ;-).

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Familienbande - ein Tag im Wallis (eine Bildergeschichte)

Nach der Gondelfahrt auf Kreuzboden (2400 m) machen wir uns als Gruppe von etwa 15 Personen auf den Weg zur Grubenalp - von da aus soll es - für die, die noch können - weiter in die Höhe gehen.

Es war ein besonderer Tag. Hier erzähle ich anhand einer "Bildergeschichte", wie viel mir diese lange Wanderung  - trotz großer Anstrengungen - gegeben hat.

 

2. Oktober 2018

Mit Juri, Elias, Marie und ihrem Freund sitze ich in der Gondel, die uns nach Kreuzboden bringt.

Nicht nur der Hund ist in froher Erwartung:

Das Wetter könnte nicht schöner sein und wir freuen uns auf eine lange und sonnige Wanderung.

 

2. Oktober 2018

Sonne und Berge sind eine wahre Wohltat. 

 

2. Oktober 2018

Kreuzboden

Wie sehr ich dieses Fleckchen Erde liebe - das geht es mir wie meiner Mutter, die sich für diesen Tag aber etwas anderes vorgenommen hat. 

 

2. Oktober 2018

Von Kreuzboden an beginnt der Aufstieg auf einem gut begehbaren Weg. Wir sind eine Gruppe von etwa 15 Menschen und ich habe meine Freude daran, einige meiner geliebten eine-lange-Reihe-Fotos zu machen.  Henri geht vor mir - in der linken Hand trägt er den Drachen (den wir immer wieder unkorrekt Fahne nennen ;-), in der rechten Hand hat er das Lineal  mit den Fischen, die in einer Flüssigkeit schwimmen. Er trägt es aber nicht einfach nur - er schüttelt es in einer Frequenz, die mich als seine Hinterfrau unruhig macht (auch wenn der Abhang auf der linken Seite jetzt noch gemäßigt ist). Mehrmals bitte ich ihn, das Lineal in den Rucksack zu stecken und mir die Fahne zu geben - er lässt sich nicht darauf ein und geht weiter. 

 

2. Oktober 2018

So lange der Weg so breit ist und es seitlich keinen Abhang gibt, habe ich gar nichts gegen Drachen und Lineal. 

 

2. Oktober 2018

Henri mittendrin - mit Drachen und Lineal.

Die Gruppe ist groß, aber keiner schafft es, einen Deal mit ihm auszuhandeln.

 

2. Oktober 2018

Der Weg wird anspruchsvoller - streckenweise braucht Henri Hilfe ... und gibt nun zumindest das Lineal ab. 

 

2. Oktober 2018

Mittlerweile ist Klettern gefragt - der Weg geht deutlich über darüber hinaus, was ich mir vorgestellt hatte. Henris Stimmung ist besser als zu Anfang: Das Böckchen hat sich ganz verzogen, anstattdessen zeigt Henri Ausdauer und Durchhaltevermögen. Alle sind geduldig... aber es dauert unendlich lange und bald wird mir klar, dass wir den anderen nicht zumuten können, zu warten. 

 

2. Oktober 2018

Mir ist gar nicht wohl, wenn die beiden Huckepackler sehe... aber Elias hält diese Variante für sicherer als Handgeben und ich vertraue ihm... im Wissen, dass die Fähigkeit zur objektiven Einschätzung einer (wenn auch nur gefühlten) Gefahrenlage  bei jemandem mit Höhenangst deutlich eingeschränkt ist. Die Gruppe macht nun eine Lagebesprechnung und wir beschließen, uns hier zu trennen. Wir kommen dann nach denke ich mir so und bin froh, dass ich in Elias eine Unterstützung habe. Auch Amelie bleibt bei uns - ihr tun an diesem Tag die Beine etwas weh und sie möchte nicht so viel laufen. 

 

2. Oktober 2018

Wie man sieht, sind Drachen und Lineal endlich durch einen Wanderstock ersetzt. Dass der Weg noch viel länger ist als wir geahnt hatten, erfahren wir erst später, als Marie von der schnellen Gruppe ;-) anruft. Wir wähnen sie längst über die Grubenalp hinaus, als sie mir am Handy voller Freude berichtet, sie könnten sie schon sehen (!). Nun verschaffen wir uns selbst mit Hilfe des GPS einen Überblick - die Ernüchterung folgt auf de Fuß.  Bevor Marie angerufen hatte, habe ich Henri und Amelie immer wieder versichert, dass es nicht mehr weit ist ... nun stellt Elias trocken fest, dass wir etwa ein Drittel haben. In diesem Moment beginnt eine wundersame Entwicklung - die Kinder spüren meine Unsicherheit und es dauert nicht lange, bis sich eine große Nähe und gegenseitige Rücksichtnahme entwickelt hat. Amelie, der es mittlerweile doch zu langsam geht und die ihren Entschluss, mit uns zu gehen, wohl bereut,  arrangiert sich. Sie geht immer ein Stück voran und wartet auf uns drei. Elias ist ganz für Henri da und ich darf mich um mich und mein Vorankommen kümmern. 

 

2. Oktober 2018

Ich fühle mich nicht wohl da oben am Berg und weiß doch, wir müssen da jetzt irgendwie durch...

Eigentlich habe ich keinen Nerv mehr zum Fotografieren, aber die Kamera lenkt mich ab. 

 

2. Oktober 2018

Henri ist guter Dinge ... alt weiter

 

2. Oktober 2018

Amelie und ich warten auf die Brüder, die mit Ruhe und Konzentration unterwegs sind.

 

2. Oktober 2018

Amelie (motzt nicht, sondern) ist froh - und beschließt, ein Steinmännchen für Gabriela zu bauen...

 

... ob sie sich überhaupt an mich erinnert?, fragt Amelie. Ganz bestimmt!  antworte ich ihr.

Wie riesig das Steinmännchen aussieht, das Amelie neben sich auf dem Stein aufgebaut hat! 

 

2. Oktober 2018

Zwischendrin geht es - abgesehen vom Wanderstock -  auch immer mal wieder ganz ohne Unterstützung.

 

2. Oktober 2018

Dieses hier ist erst einmal das letzte Bild mit der Kamera. Der letzte Teil der Wegstrecke (nun ist die Grubenalp tatsächlich auch für uns in Sicht :-!!! ) ist so felsig,  dass ich vor lauter Konzentration auf die eigenen Schritte gar nicht bemerke, dass Juri hinter mir stehen bleibt und keinen Schritt weitergeht. Er hat wohl Angst, weil ihm die Felspalten zu tief sind. Nachdem Elias Henri zu Amelie gebracht hat, kommt er mir und Juri entgegen. Zuerst nimmt er mir meine Kamera ab und bringt sie zu den wartenden Geschwistern. Während ich mich zwinge, dieses letzte Steinfeld zu überqueren, nimmt er Juri auf den Arm und folgt uns. 

 

2. Oktober 2018

Wir haben es geschafft - und die Grubenalp erreicht! 

 

2. Oktober 2018

Wann haben Käsebrote zuletzt so gut geschmeckt? Während die Kinder sich ausruhen, bin ich schon wieder mit der Kamera unterwegs. Nun gehen wir einen breiten und bequemen Weg abwärts kündige ich den Kindern an - wir werden wohl  kaum länger als die angegeben zwei Stunden bis ins Tal brauchen ... denke ich mir.

 

2. Oktober 2018

Nein, der Weg ist leider nicht breit. Er ist zwar nicht gefährlich, aber für Henri sehr schwer zu gehen. Wie schon auf dem Weg zur Grubenalp geht Henri sehr langsam oder mit Elias' Unterstützung. Meist bin ich mit Amelie ein Stück voraus und habe die Brüder fast die ganze Zeit im Blick. Wir kommen nicht schneller voran als zuvor - dennoch bleibt die gute Stimmung ungetrübt. Mit wie viel Ruhe und Konzentration die beiden weitergehen... Schritt für Schritt ... alt weiter... was für ein Durchhaltevermögen  ... und bin dankbar.

 

2. Oktober 2018

Kannst du mir ein Bild mit den Eiszapfen machen? 

 

2. Oktober 2018

Endlich sind wir auf dem lang erwarteten breiten Weg - und die beiden "Kleinen" sind einig wie lange nicht.

 

2. Oktober 2018

Die Stimmung ist so gut, dass sogar die Traurigkeit darüber, dass wir immer noch über eine Stunde vor uns haben, nur gespielt ist. Gibt's das ;-) ? 

 

2. Oktober 2018

Ein guter Tag, der Mut macht. Danke.

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Vor einem Jahr um diese Zeit ...

Vor einem Jahr um diese Zeit wurde Henri erstmals ein Korsett verordnet. Wir hatten gehofft, den "Morbus Scheuermann" bessern oder zumindest zum Stillstand bringen kann. Vor gerade mal einem Jahr waren wir noch ahnungslos, was diese Krankheit bedeutet. Wir wussten kaum etwas über Skoliosen, Kyphosen und welch dramatische Folgen diese Keilwirbel auf die Wirbelsäule  haben können. 

Vor einem Jahr hatten wir Mitgefühl, dass Henri nun rund um die Uhr ein Korsett tragen muss - Hat er nicht genug zu tragen...nun auch noch ein Korsett?

Perspektivwechsel: Das Korsett hat seinen Schrecken völlig verloren und wird nun zur einzigen Hoffnung, eine große Operation am Rücken zu vermeiden oder zumindest hinauszuzögern... auch, wenn es bislang nicht danach aussieht. Wer die Scheuermann-Geschichte verfolgt hat, hat im März gelesen, dass der Kinderorthopäde Henri nach einem halben Jahr konsequenten Korsetttragens eine große Freude gemacht hat: Du brauchst  das Korsett nicht mehr. Wie sehr hat er sich gefreut! Dass die Wirbel fixiert sind und ein Korsett keinen Nutzen mehr hat, spielte für Henri natürlich keine Rolle. 

Wir haben viel recherchiert in den letzten Wochen und wissen nun, dass die Meinungen hinsichtlich Korsettbehandlung unterschiedlich sind. Die Schroth-Klinik in Bad Sobernheim ist bekannt für eine besondere Art von Physiotherapie, aber auch für Korsettbehandlung. Bevor wie uns zu der großen Operation entscheiden, die der Kinderorthopäde und auch ein Kinderorthopädie aus unserem Bekanntenkreis als alternativlos betrachten, werden wir Henri dort vorstellen. Wenn man die Operation auch dort für unumgänglich hat, muss es wohl sein.

In den letzten Wochen ist für uns eine neue Welt hinzugekommen: Wenn es um Henri ging,  haben wir bisher Austausch und Information in Herzkinder- und Down-Syndrom-Gruppen gefunden. Und nun lesen wir bei Skoliose-OP ... eine völlig neue Welt und kein bisschen einfacher. 

Täglich kommen neue Fragen hinzu, denen wir uns stellen, uns informieren, abwägen und dann weiterfragen...

Ein paar Mal schon hatte ich den Impuls eine neue don't-Liste zu schreiben - aber eigentlich ist das nicht nötig... man kann einfach die Krankheitsbilder austauschen. Hinweise wie Ich meine, man sollte nicht zu schnell operieren oder Ich kenne jemanden, der hatte auch ein Problem mit der Wirbelsäule und wurde in xy operiert sind nicht hilfreich - so gut gemeint sie sein mögen. Natürlich (!)  sind auch wir der Meinung, dass man nicht zu schnell operieren sollte und wir kennen auch Menschen, die eine Operation am Rücken, zum Beispiel der Bandscheibe hatten.  

Beim nächsten Mal schreibe ich, was wir bisher an Erkenntnissen über mögliche Kliniken gewonnen haben. Vorab: In Sankt Augustin werden zwar nur Kinder operiert und das sicher mit hoher Professionalität. Jedoch gibt es anscheinend nicht nur relativ wenige Menschen, die wegen eines Morbus Scheuermann operiert werden. Noch seltener sind es Kinder, bei denen das Krankheitsbildes so gravierend ist, dass eine Operation nötig wird. Wir richten unsere Aufmerksamkeit daher vor allem auf Kliniken, die eine möglichst breite Erfahrung mit Morbus Scheuermann und Kyphosen  haben.

 

Vor (fast genau) einem Jahr um diese Zeit waren wir übrigens auch im Wallis - seit zwei Tagen sind wir wieder hier und es tröstet mich ein wenig, zu erleben, wie Henri mit uns wandert. Ganz offensichtlich ist er in einer guten körperlichen Verfassung. 

 

30. September 2018

Fahne (oder Drachen) und Lineal und draußen in der Natur ... Henris größtes Glück. 

1. Oktober 2018

Das Wetter hat umgeschlagen und Henri freut sich auf über 2500 m über Schnee.

1. Oktober 2018

Ein Geschenk für Henri: Seine drei Geschwister ❤️❤️❤️

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Weil mir die Worte zum Sprechen fehlen...

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...schreibe ich. Für die, die uns gut kennen und Fragen haben, für die LeserInnen dieses Blogs und nicht zuletzt auch für mich.

Nachdem alle Voruntersuchungen für eine mögliche Operation gelaufen waren, hat sich der Chefarzt gestern viel Zeit für ein Gespräch genommen. Er hat erklärt, warum eine Operation nicht nur sinnvoll, sondern seiner Einschätzung nach erforderlich ist. Die Kyphose (Krümmung der Wirbelsäule) ist so stark, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis die Krankheit nicht mehr nur äußerlich erkennbar ist, sondern Beschwerden macht. Patienten mit dieser Ausprägung bekommen nicht nur Schmerzen - es besteht auch die Gefahr, dass das Atmen immer schwieriger wird und die Sauerstoffsättigung abfällt. Sauerstoffsättigung - damit wird der Sauerstoffgehalt im Blut bezeichnet, er liegt  bei einem gesunden Menschen um die 100 %. Auf dem Foto unten, das Dirk  einen Tag vor der ersten großen Herzoperation  aufgenommen hat, hatte Henri eine Sättigung zwischen 40 und 50 %, teilweise fiel sie bis auf 35 % ab. Nun liegt sie zwischen 95 und 99 % - die ersten neun Monate hätte ich mir nicht vorstellen können, einmal eine solche Zahl auf dem Monitor zu sehen. Die Herzchirurgen haben Henri mit ihrer Kunst ein neues Leben geschenkt.

Wenn wir uns zu einer Operation entschließen, schaffen wir die Möglichkeit, den beschriebenen Gefahren zuvorzukommen. Man könnte nun den Gedanken haben, ob man nicht vielleicht abwarten könnte,  wie die Situation sich entwickelt - ich hatte ihn jedenfalls. Klare Absage des Arztes: Wenn die Symptome da sind, ist es zu spät für eine Operation.

Was für eine rasanter Verlauf! Schon vor Jahren war mir Henris runder Rücken aufgefallen, zunächst hielt ich es "nur" für einen Haltungsfehler, hatte aber dennoch immer wieder ein ungutes Gefühl. Im April 2016 war ich mit Henri zum Kid-Check, einem allgemeinen Screening, das die Universität des Saarlandes in Zusammenarbeit mit hiesigen Orthopädie  für Kinder und Jugendliche  angeboten hat. Unser Kinderarzt war bis zuletzt von einer muskulären Schwäche ausgegangen und ich hoffte, dass die Orthopäden dort diese Einschätzung bestätigen. Nach diesem Check habe ich eine Sorge weniger, stellte ich mir vor. In dem Moment, als gleich der erste Arzt Morbus Scheuerman, das wissen Sie? sagte, wusste ich gar nichts. Wir beachten erstmals einen niedergelassenen Orthopäden und Henri bekam zunächst einmal wöchentlich Physiotherapie, mehr könne man nicht machen, war die allgemeine Meinung. Im Internet fand ich insofern Bestätigung für diese Aussage, als überall geschrieben steht, dass ein Morbus Scheuermann nur in extrem seltenen Fällen operiert wird. Der damalige Orthopäde sagte uns, er könne leider nicht regelmäßig Physiotherapie aufschreiben (Budget!), man  solle die Krankheit aber später bei der Berufswahl berücksichtigen. Nicht alle Berufe seien für Henri geeignet ...   Immer noch dachte ich, dass es so schlimm nicht sein könne. Nun waren es ja schon zwei Orthopäden, die als "Behandlung" von geeigneten Sportarten und Physiotherapie gesprochen hatte. Es vergingen eineinhalb Jahre bis jemand aus meinem privaten (!) Umfeld die Idee hatte, es mit einem Korsett zu versuchen. Mit Hilfe des Kinderarztes und einer ihm bekannten Kinderorthopädin aus Hannover wurde sie umgesetzt. Ein halbes Jahr hat Henri das Korsett Tag und Nacht getragen - diszipliniert, wie man ihn kennt. Anfang des Jahres durfte er es dann für immer ausziehen - wir hatten in der hiesigen Kinderorthopädie einen neuen Kinderorthopäden gefunden, der klare Worte fand: Der Rücken ist fixiert, ein Korsett bringt nichts mehr. Am gleichen Tag spricht der Kinderorthopäde erstmals von einer möglichen Operation. Heute - nur  ein halbes Jahr später -  ist die Operation alternativlos. 

Es ist eine schwere und lange Operation - ihr Risiko nicht mit dem einer Skoliose-OP zu vergleichen. Ich muss das schreiben, um Kommentaren wie Ein Bekannter hatte auch eine OP am Rücken, das ist heutzutage Routine... oder Ich kenne jemanden, der hat auch einen Morbus Scheuermann, aber der muss nicht operiert werden... vorzubeugen. Solche wahrscheinlich gutgemeinten, aber wenig bedachten Äußerungen haben mir insbesondere vor Henris erster großer Herzoperation sehr zugesetzt. Es wird bluten bei dieser Operation und darin liegt das größte Risiko: Es ist weniger die Verletzung des Rückenmarks als vielmehr die Möglichkeit, dass es unter der Operation zu wenig mit Blut versorgt wird. Solche Operation finden unter einem durchgehenden Neuromonitoring statt, damit bei ersten Anzeichen einer Reizleitungsstörung umgehend reagiert werden kann - gegebenenfalls muss die Operation abgebrochen werden. Es fällt mir unendlich schwer, die Gefahr beim Namen zu nennen. Das Risiko einer Querschnittslähmung liegt bei dieser Art von OP bei 0,5 % (ob es bei Henri aufgrund des allgemein erhöhten Operationsrisikos noch höher liegt, habe ich nicht zu fragen gewagt). Im Vergleich dazu liege das Risiko bei einer Skoliose-OP bei 0,1 Promille... sagte uns der Arzt ... und: Sie müssen wissen, worauf sie sich einlassen. Die Art von Frage, die Ärzten in solchen Entscheidungssituationen gerne gestellt wird, hat er klar beantwortet: Wie würden Sie entscheiden, wenn es Ihr Sohn wäre? Ja, er würde ihn operieren lassen. 

Zum ersten Mal, seit Henri bei uns ist, habe ich den Gedanken, ihm etwas abnehmen zu wollen - wenn ich nur könnte. Es wäre aufwendiger, meinen Beruf auszuüben, aber es wäre machbar. Vermutlich würde ich mehr lesen (und dafür ein bisschen weniger aufräumen ;-). Ich würde mein Training im Fitnessstudio durch neue Arten von Sport ersetzen und mich am Abend ins Auto setzten und  wie bisher Freunde oder auch Mitbetroffene zu treffen. Der Austausch in der digitalen Welt hätte keinerlei Einschränkungen.

Ich stelle mir vor, dass Henri es in dieser Situation ungleich schwerer hätte. Einen großen Anteil seiner Lebensfreude hat er seinen Beinen zu verdanken. Sie geben ihm die Möglichkeit, das zu tun, was ihn glücklich macht  - und zwar ohne Unterstützung. Henris schönste Momente finden draußen statt: Im Wald und im Wiesental spazieren zu gehen oder seine Fahne im Wind flattern zu sehen macht ihn glücklich. Dass er seit einiger Zeit ohne Begleitung mit Juri eine Runde durchs Baugebiet gehen darf, macht ihn stolz. 

 

So, ihr Lieben - nun ist es raus, was mir gestern den Boden unter den Füßen weggezogen hat. Um ihn wiederzubekommen, strecke ich die Fühler in verschiedene Richtungen aus. Es muss weitergehen - irgendwie.

 

Es liegt nun an uns, die Klinik wegen eines OP-Termins zu kontaktieren. Der Zeitrahmen, bis es so weit sein könnte, liegt bei etwa sechs Monaten. Was unsere Rolle als Eltern betrifft, gibt es einen großen Unterschied zu der Zeit vor der ersten großen Herzoperation. Henri war damals so krank, dass die ebenfalls sehr schwere und gleichwohl riskante Herz-OP seine einzige Chance zum Überleben war. Wir hatten keine Wahl - die Verweigerung der Zustimmung wäre einem Todesurteil gleichgekommen. Jetzt dagegen geht es um eine Gefahr, die nicht akut - wenngleich völlig real - ist. 

 

Für das erhöhte Gamma-GT wurde noch keine Erklärung gefunden. Wir sollen den Wert vor Ort kontrollieren lassen.

 

 

 

 

1. Juni 2003

Tag vor der großen Korrektur-OP am offenen Herzen

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Skoliosecheck in Sankt Augustin - Tag 2

Ein voller Tag, reich an Terminen und noch mehr Wechselbädern, geht zu Ende. Der Tag begann mit einer großen Visite - geschätzt 15 Menschen standen um 8.00 Uhr in Henris kleinem, aber feinen Zimmer -  allen voran der Chefarzt, der sich von der Stationsärztin über erste Ergebnisse berichten ließ. 

Zwei Blutwerte waren nicht ganz in Ordnung - einer davon ein Leberwert (Gamma-GT), für den es bisher noch keine Erklärung gibt. Die nächtliche Messung von Sauerstoffsättigung und PCO2 war gut und anscheinend besser als erwartet. Schlafapnoen, die eine streckenweise schlechte Sauerstoffversorgung bedingen, konnten ausgeschlossen werden. Ansonsten gaben mir die Fragen, Meinungen und Blicke nicht gerade Anlass zum Aufatmen - unser Henri scheint eine relativ starke Ausprägung des Krankheitsbildes zu haben und meine ganz (!)  leise Hoffnung, man könne erst einmal zuwarten, fand in diesen zehn Minuten keine Nahrung.  

Der gestrige Tag begann mit einer umfangreichen Untersuchung durch die Stationsärztin. Sie untersuchte gründlich und stellte uns viele Fragen. Im Anschluss gingen wir mit Henri zum EKG und danach wurde ein Herzecho gemacht - was der Kardiologe uns zu berichten hatte, war erfreulich: Henris kardinale Situation ist besser als man aufgrund des Krankheitsbildes und der zahlreichen OPs vermuten könne. Danach ging's zum Röntgen, was in der Durchführung etwas schwieriger war. Henris Geduld wurde leicht auf die Probe gestellt.... Nachdem ein Kollege übernommen hatte, war der dritte Versuch einer Bending-Aufnahme dann endlich erfolgreich. Hätte er's direkt gemacht, hätte Henri wohl zwei Punkte weniger auf seinem Röntgenkonto.

Heute Morgen war Henris erster Termin die Lungenfunktionsprüfung. Es dauerte ein wenig, bis er verstanden hatte, worum es dabei geht und wie er ein- und auszuatmen hat - aber dann lief es gut und der Lungenspezialist, der im Anschluss befundete, schien zufrieden. Er untersuchte Henri und stellte viele Fragen: Es ging um Art des Schlafes, Schnarchen, Müdigkeit am Tag, aber auch Belastbarkeit im Alltag. Wie schon der Kinderkardiologe zuvor war auch er zufrieden mit dem, was er gesehen und was wir berichtet hatten. Er sprach geraderaus und wir verließen die Abteilung  mit einem recht guten Gefühl. Sein Aber was machen wir, wenn das Kind aus der Narkose aufwacht und zwar einen geraden Rücken hat, aber nicht mehr atmen kann ? ließ bei mir allerdings den Atem stocken - im wörtlichen Sinne - und ich konnte nicht anders, als nachzufragen, war er damit meint bzw. wie wahrscheinlich ein solches Szenario für unser Kind ist. Er nahm den Satz dann gewissermaßen zurück mit einem Vergessen Sie das, das war 'worst case'. Dennoch: Schon heftig... Danach gingen wir ins SPZ, wo wir zunächst ein sehr ausführliches und offenes Gespräch mit einer ganz einfühlsamen Ärztin hatten. Im Anschluss hat sie Henri mit so viel Charme untersucht, dass er sich sogar hin und wieder zu einem spitzubübischen Lächeln hinreißen ließ. Der anschließende Bauchultraschall, der eventuell eine Erklärung für den erhöhten Gamma-GT-Wert  hätte liefern können, war - sieht man von einer mit einem knappen halben Liter gefüllten Blase ab - ohne besonderen Befund. Die erweiterte Lebervene war bereits von den Kontrollen in Homburg bekannt und geht wohl oft mit Henris Krankheitsbild einher. 

Trotz der relativ positiven Rückmeldungen der verschiedenen Fachrichtungen wollte sich am Abend nicht etwa ein Gefühl der inneren Beruhigung einstellen, im Gegenteil. Ich will an dieser Stelle nicht näher darauf eingehen - aber die Sorge ist nicht weniger, als wenn eine Herz-OP ansteht.

Erst ein Gespräch mit der Nachtschwester, die uns auf erfrischende Art von ihren Erfahrungen mit dieser Art von Operation berichtet hatte, half  mir, mich wieder etwas aus dem Ausnahmemodus herausbewegen zu können. Henri packte die Gelegenheit beim Schopf und erkundigte sich direkt nach der Zahl der Zugänge  ... und der Art des Infusionsständers - für ihn neben der womöglich notwendigen Sauerstoffbrille mit das Wichtigste. So hat jeder von uns seine Sorgen...

Morgen haben wir nun noch Gespräche mit der Anästhesie, der Intensivmedizin und der Physiotherapie. Dann sind dann alle Punkte des Laufzettels abgehakt und es gibt eine Grundlage für das Abschlussgespräch am Nachmittag.  

 

11. September 2018

Erster Tag in der Kinderorthopädie in Sankt Augustin. Was wichtig ist hat Henri bei sich.

 

12. September 2018

Die Zeiten wischen den Untersuchungen und Gesprächen verbringen wir meist draußen - Henri mit seinem Drachen und wir auf einer Bank an sonnigen Plätzchen in der Nähe. Was wäre Henri ohne Fahne, Drachen oder Windrad? Wir können es uns nicht vorstellen. 

 

12. September 2018

Henri beim LuFo - Lungenfunktionstest. Mit seinem Atem schießt er Ballons vom Himmel.

 

12. September 2018

Henris Herz-Op in Sankt Augustin ist schon über sechs Jahre her und noch immer sind an der Rezeption Schläge zu haben ;-).

 

12. September 2018

Abendsonne in Sankt Augustin - und endlich ist der Wind so kräftig, dass Henri den Drachen gegen das Windrad austauscht. Vollkommen selbständig geht er in sein Zimmer im dritten Stock und kommt kurze Zeit später dem Windrad zurück. Mein großer Junge!

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Stark sein - oder: mittendrin in Sankt Augustin

Heute nun war es so weit:  Der seit Monaten terminierte dreitägige Skoliosecheck in der Kinderklinik in Sankt Augustin hat begonnen. Am Donnerstag werden die Untersuchungen der verschiedenen Fachrichtungen abgeschlossen sein und der Chefarzt wird uns in einem abschließenden Gespräch auf Grundlage der Untersuchungsergebnisse über die Möglichkeiten einer Rückenoperation aufklären.

Heute Morgen hatte Henri als erstes eine Blutentnahme - wie schon vor 3 Wochen, als ihm im Rahmen des MRTs in Homburg Blut abgenommen wurde, war Henri so tapfer, wie man es augenscheinlich nur mit 16 sein kann. Schon zweimal durften wir nun Blutentnahmen erleben, bei denen Henri nicht (wie üblich von bis zu vier Helferinnen) festgehalten werden musste und auch nicht geschrien hat. Wie früher schon habe ich gezählt - neu ist die Strategie, dass er mir dabei in die Augen sieht. Kurz bevor die Nadel eindringt, beginne ich zu zählen - nachdem ich ihm zuvor die Zusage gegeben habe, dass das Schlimmste bei spätestens Fünf überstanden ist. Er hat es so toll gemacht und natürlich habe ich auf seine Frage Mama, Lob? mit einem großen JA! geantwortet und einer Gratulation geantwortet ... im Anschluss hat dann auch der Arzt gratuliert ;-).

Nach diesem Einstieg in den Untersuchungsmarathon gab es noch weitere Situationen, in denen Henri mit großer Disziplin und Duldsamkeit überzeugt hat. Diese Duldsamkeit überrascht und irritiert mich immer wieder. Oft ist er ganz still und ein Blickkontakt ist ihm unangenehm. Er lächelt mich an, als sei es seine Pflicht und dreht dann den Kopf weg. Manchmal wünschte ich, er würde schreien, sich laut beklagen oder auch nur weinen. Und ich frage mich, wie es ihm wohl geht - tief drinnen. Ob er sich wohl fragt, warum gerade ich? ... Frag ihn doch, sagt jetzt vielleicht jemand. Ich habe ihn oft gefragt, mit Worten, aber auch mit Blicken, die genauso gut fragen können. 

Heute Nacht schläft er allein in seinem Zimmer - voller Vertrauen, dass wir morgen schon vor dem Frühstück wieder bei ihm sind. Das Anlegen von Messsonden hat er gerade genauso geduldig über sich ergehen lassen wie alles andere, was ihm heute begegnet ist. 

In der letzten Woche habe ich gleich von mehreren lieben Menschen Zuspruch bekommen - zuletzt heute von einer Mutter, die den Blog vor der Herz-OP ihres Sohnes entdeckt hat. Alle sagen das Gleiche: Kämpfe weiter für dein Kind - die einen beziehen es auf Henris Recht auf Bildung, andere auf das Medizinisch/Körperliche. Im Alltag erlebe ich selbst es oft nicht als Kampf, aber es gibt Momente - und so einer ist heute Abend - wo mir bewusst wird, dass meine Anstrengungen tatsächlich viel von einem Kampf haben. Es kostet viel Kraft und braucht Stärke, durchzuhalten und weiterzumachen - immer wieder neu. Danke an euch, die ihr Henri und uns begleitet - mit kleinen und großen Gesten. Es bedeutet mir so viel.

 

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Zwanzig Jahre Waldorfschule - ein Rückblick in Bildern

Blicke ich zurück auf zwanzig Jahre Waldorf, spüre ich, wie sehr ich mich mit dieser Schule verbunden gefühlt habe. Wir alle haben viel mitgenommen in 20 Jahren Waldorfkindergarten und Waldorfschule  - ohne die Schule und die Waldorfpädagogik, zu der unsere Schule  uns den Weg bereitet hat, wären wir nicht die, die wir heute sind. Dass wir uns dennoch verabschiedet haben, liegt nicht nur an Henris "Förderung" und dass die Vermittlung der Kulturtechniken dort keine Bedeutung hatte. Wir haben gute und sehr gewichtige Gründe, dass auch Amelie vom neuen Schuljahr an ein Gymnasium besuchen wird. Darauf werde ich im Rahmen dieser Seite jedoch nicht eingehen. 

Ist eure Waldorfzeit vorbei? wurde ich gefragt und mir war schnell klar, dass unsere Waldorfzeit nicht vorbei ist. Wir werden wohl immer "Waldorfer" bleiben und von daher möchte ich vorwegschicken, dass sich Kommentare im Tenor von Hätte ich euch gleich sagen können erübrigen . ;-)

 

Weil ich von Maries und Elias' Kindergarten- und früher Schulzeit keine digitalen Fotos habe, beginnt die Bilderschau  2006 - dem Jahr, in dem Henri als erstes behindertes Kind im Waldorfkindergarten aufgenommen wurde. 

 

November 2006

Henri und die Marmelade hat Charlotte Fischer das Foto oben rechts in ihren Tagesbildern genannt.

 

Eigentlich hatte ich kaum damit gerechnet, dass auch Henri den Waldorfkindergarten besuchen kann - umso mehr habe ich mich gefreut, dass es für die Erzieherinnen wohl schon klar war, als ich noch Elias mit Henri auf dem Arm abgeholt habe. Es war eine gute Zeit und ich bin heute noch dankbar, dass auch Henri den Kindergarten besuchen durfte. Übrigens hatte er keine Integrationshilfe und der Kindergartenalltag lief, auch wenn Henri nicht laufen konnte. 

 

 

November 2006

 Henri übt Schuheanziehen - in dieser Zeit habe ich auch durch Charlottes Tagesbilder einen Eindruck vom Kindergartenleben bekommen. 

 

 

Dezember 2006 - Henris erster Adventsbasar als Waldorfkind

 

 

Juni 2007 - Was für eine Hingabe und Freude beim Waldorfkindergarten-Sommerfest ❤️!

 

 

Februar 2009 - Fasching im Kindergarten

Nun sind es zwei Geschwisterkinder. Henri ist in der Schreinerei tätig und Amelie bei den Filzern. 

Elias alias Poseidon (Götter ist das Thema dieser Klassenstufe) kommt als Gast.

 

 

Februar 2010

 Und wieder Fasching: Henri wirkt erst einmal bei den Bäckern, später auch in der Schneiderei. Und Amelie aus der Gärtnerei kostet ein Brötchen aus der Bäckerei.

 

 

Juni 2011- Henris letztes Sommerfest im Kindergarten

Es ist eine große Ehre und Freude, dass er beim Dornröschenspiel der Prinz sein darf. 

 

Juni 2011 - Prinz beim Dornröschenspiel 

Ein würdiger Prinz, hörte ich jemanden sagen.

 

 

Juni 2011 - Kindergartenabschied

Trotz bester Vorsätze... auch beim dritten Kindergartenabschied fließen (Mutter-)Tränen. So wie beim letzten Adventsgärtlein, von dem es natürlich keine Fotos gibt. Wochenlang waren Henri und die anderen Kinder damit beschäftigt, ihre Schulpuppe zu nähen. Und auch das Puppenbett hat Henri selbst gebaut.

 

 

Juni 2012 - Amelies Kindergartenabschied

Unser letzter Kindergartenabschied und das Loslassen fällt schwer.  

 

 

Juni 2015

Ein paar Jahre später. Mittlerweile ist auch Henri ein Waldorfschüler. Wir waren überglücklich, dass er nach seiner Grundschulzeit an der Montessorischule an unserer Schule aufgenommen wurde - noch dazu in der Klasse mit dem besten Klassenlehrer (dem wir nach seinem Weggang von der  Schule am liebsten gefolgt wären). Dass er nun in eine Klasse  mit der "kleinen" Schwester Amelie geht, liegt daran, dass er nicht nur später eingeschult wurde, sondern die vierte Klasse wiederholen durfte.  

 

 

2016

Es ist eine gute Zeit - was das Soziale betrifft. Henri fühlt sich wohl und wir haben noch keinen Gedanken daran, dass sich mit der nahenden Pubertät etwas ändern könnte. An Fasching ist Henri Poseidon wie der große Bruder Elias sieben Jahre zuvor. Auch wenn die Förderung ganz und gar nicht dem entspricht, was andere Kinder mit geistiger Behinderung an Förder- oder  Regelschulen lernen, haben wir keine Zweifel, dass Henri gut aufgehoben ist. Unten steht er beim Gilgamesh-Spiel auf der Bühne. Oben rechts seht ihr ihn am Johannifest. Jedes Jahr springt er mutiger über das Feuer!

 

 

Juni 2017

Unser letztes Sommerfest. Und dieses Jahr springt er zum ersten Mal ganz allein über das Johannisfeuer :-)! Nachdem zuerst Marie und im letzten Jahr auch Elias ihre Waldorfschulzeit mit Abitur beendet haben, haben wir nun noch unsere beiden "Kleinen" an der Schule. Dass wir mit unserem Eintreten für eine bessere Förderung jahrelang auf taube Ohren gestoßen waren, ist nur ein Grund, dass wir jetzt einen möglichen Schulwechsel ins Auge fassen. Genauso wichtig ist, dass Henri sich Freunde wünscht. Nachdem uns deutlich gesagt wird, dass wir nicht darauf hoffen können, dass in  der nächsten Zeit ein weiteres Kind mit geistiger Behinderung aufgenommen wird, ziehen wir erstmals den Besuch einer Förderschule in Erwägung.

 

 

Nachdem mein vorletzter Blogeintrag von einer JP bzw. JB mit belehrenden Rundumschlägen kommentiert  wurde (und Elias vermutlich richtig bemerkte, dass sie oder er vielleicht ausspricht, was andere, die nicht kommentieren, denken), soll hier noch einmal deutlich gesagt sein: Henris bisheriger Schulweg entsprach weitestgehend seinen Bedürfnissen - Er war lange Zeit glücklich und das ist das Wichtigste!  Dass wir nun den inklusiven Weg verlassen, bedeutet nicht, dass die letzten Jahre ein Irrtum waren. Es ist der Tatsache geschuldet, dass sich Bedürfnisse - wie bei jedem anderen Kind auch - im Lauf der Entwicklung verändern und wir es als unsere Pflicht ansehen,  dafür zu sorgen, dass Henri auch weiterhin ein zufriedeneres Leben führen darf. Die inklusive Beschulung  an Montessori- und später Waldorfschule hat ihm gut getan, vor allem auch, was das soziale Miteinander betrifft. 

Ein letztes: In diesem persönlichen Blog, der Henris und unser Familienleben mit ihm in unserer Mitte beschreibt, geht es nicht um Grundsatzfragen ... zum Beispiel, ob Inklusion "gut" ist oder Förderschule "besser". Dafür gibt es andere Seiten,  die für das  eine oder andere werben. Hier geht's um Henri.

Und aufgrund zahlreicher Nachfragen ein allerletztes ... Beide Henris haben Down-Syndrom und sind mittlerweile 16 Jahre alt.  Jedoch ist "unser Henri" nicht der, der - wie es immer wieder heißt - aufs Gymnasium sollte". ;-)

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Das war's dann wohl mit der Inklusion ...

... könnte (!) man jetzt sagen.

Seit Samstag haben wir es schriftlich: Henri wird ab dem kommenden Schuljahr die Förderschule für körperliche Entwicklung besuchen. Die Aufnahmekriterien  erfüllt er aufgrund seines komplexen Herzfehlers und des ausgeprägten Morbus Scheuermann. Da ist einerseits Wehmut - andererseits aber auch Hoffnung und Vorfreude, dass die neue Schule Henris Bedürfnissen besser gerecht wird. Für diejenigen, die vielleicht neu hier sind und sich fragen, warum wir diesen (Rück?-)Schritt an die Förderschule getan haben. Ein Grund war, dass Henris schulische Förderung an der Waldorfschule drei Jahre lang fast ausschließlich auf Malen und Basteln beschränkt war - die sogenannten Basalsinne sollten gefördert werden. Und natürlich wollte man ihn auch nicht überfordern (...). Den in den seltenen sogenannten Förderausschüssen  formulierten Begründungen, warum Henri im Förderunterricht nicht lesen und schreiben lernen durfte, haben wir regelmäßig widersprochen. Für die Umsetzung der Förderung der Kulturtechniken war fast ausschließlich Angela, Henri  Eingliederungshilfe,  zuständig und ich bin wirklich dankbar, dass sie die von mir erstellten Förderpläne im Rahmen des regulären Unterrichts so zuverlässig umgesetzt hat. In einem dicken Schwarzen Buch war und ist bis heute festgehalten, was Henri gelernt hat und welche Lerninhalte als Nächstes anstehen. 

Ein ebenso wichtiger Beweggrund für den Schulwechsel war Henris soziale Stellung in der Schule - als einziges Kind mit geistiger Behinderung hatte er eine Einzelstellung, die ganz oft auch rein äußerlich zu erkennen war. Zum Beispiel, wenn er allein auf dem Pausenhof stand. Auch wenn ich es schon oft geschrieben habe: Henri wurde von fast allen Kindern mit Respekt und Wertschätzung behandelt. Sie waren ihm wohlgesonnen und wenn er Unterstützung brauchte, fand er immer jemanden, der ihm half. Aber: Er hatte keine Freunde, das war zuletzt fast täglich Thema. Einladungen zu einem Kindergeburtstag kann man in diesen drei Jahren locker an einer Hand abzählen. Je älter er wurde, umso unterschiedlicher wurden auch die Lebenswelten und Interessen. Dass keines der Kinder ihn als Freund haben wollte, schmerzt und ist doch allzu verständlich. Zwischen Michel aus Lönneberga und Fack ju Göhte, Teil 3  liegen Welten.

Waren die letzten drei Jahre denn tatsächlich Inklusion? Wenn ja, woran würde man diesen Begriff festmachen? Wenn es an einer Schule ein einziges Kind mit geistiger Behinderung gibt und die Aufnahme weiterer behinderter Kinder für zu schwierig erachtet wird - ist das Inklusion? Ich denke nein - auch dann nicht, wenn sie sich (warum auch immer) Projektschule Inklusion nennt. 

Inklusion wird oft mit Teilhabe in Verbindung verbracht - Teilhabe ist, was ich mir für Henri wünsche. Henri mittendrin und nicht nebendran ... Und wenn es an der Regelschule nicht möglich ist - dann doch lieber  an der Förderschule als gar nicht. 

 

31. Mai 2018

Wie fast immer gehen wir auch an diesem Sonntag wandern. Keine halbe Stunde zuvor hat sich Henri mit trauriger Miene hingesetzt und nach einem Foto gefragt, das er dann seiner Lieblingscousine schicken wollte. Nun hat er  sich wieder etwas gefangen, aber das Thema beste Freunde lässt ihn nicht los. 

 

31. Mai 2018

Diese Selbstauslöser-Fotos sorgen doch immer wieder für Belustigung :-).

 

9. Juni 2018

Erstes Sommerfest an Henris neuer Schule. Henri, der im vergangenen Monat drei Tage hospitiert hat, wird überaus herzlich aufgenommen. Und als er uns im Schulgarten die Tomaten zeigt, die er gesetzt hat, danach seine Klasse und sich auf seinen Platz setzt, wird mir warm ums Herz. 

 

10. Juni 2018

Wieder sind wir im Wald unterwegs und Henri gebärdet sich ziemlich cool ;-). Zu Hause hat er seine Brille heimlich gegen die Sonnenbrille ausgetauscht 😎.

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So oder so - oder: Du hast die Wahl

 

Vergangene Woche hat Henri drei Tage in einer Förderschule für körperliche und motorische Entwicklung hospitiert. Die Menschen dort haben ihn und uns herzlich willkommen geheißen. 

In Sachen Morbus Scheuermann habe ich heute  Nachricht vom Kinderorthopäden in Sankt Augustin bekommen. Henris Morbus Scheuermann erfordert eine Operation - wann, ist noch ungewiss. 

 

So:

 

Aus der Traum von Inklusion oder gar Inklusion an der Waldorfschule. So sehr hatte ich mir für Henri gewünscht, dass er auch in der Schule am ganz normalen Leben in all seiner Vielfalt  teilhaben kann. Und jetzt: Förderschule - Henri, unser Kind mit geistiger Behinderung wird von nun an die meiste Zeit des Tages nur Kinder um sich haben, die auch eine Behinderung haben. 

 

Oh nein!  Dabei habe ich doch alles getan, damit Henri die beste Behandlung bekommt. Bin mit ihm bis nach Hannover gefahren, fahre ihn zweimal pro Woche zum Schwimmtraining und bringe ihn jede Woche zur Physio. Sein Korsett hat er konsequent und mit großer Disziplin ein halbes Jahr Tag und Nacht getragen... Alles umsonst!

 

Armer Henri!

 

 

Oder so: 

 

- In der Klasse der Förderschule gibt es für neun Kinder eine Förderlehrerin, eine pädagogische Fachkraft und eine Krankenschwester. Angela, Henris Integrationshelferin, berichtet schon am ersten Tag, dass sie Henri schon lange nicht mehr so hat strahlen sehen. Als ich ihn am zweiten Tag abhole, steht er mit einem anderen Jungen am Tischkicker - es sieht so wunderbar normal und unspektakulär aus. Zuvor war er bei den Schulschafen und hat im Schulgarten Tomatenpflanzen gesetzt. Natürlich zusammen mit den anderen Kindern, auch die drei Kinder im Rolli haben gepflanzt, erzählt er mir.  Am dritten Tag berichtet mir die Lehrerin, dass Henri für die anderen Kinder Klavier gespielt hat: Freude schöner Götterfunken und danach Weißt du, wie viel Sternlein sehen. Zum Schluss hat er dieses Lieblingslied dann auch gesungen. Die Kinder haben zugehört und applaudiert. Er hatte auch Schwimmunterricht in der Schule und war froh, zeigen zu dürfen, was er in zwei Jahren Schwimmtraining gelernt hatte. Henri redet selbst nicht viel, aber er macht einen zufriedenen und ausgeglichen Eindruck - ich bin froh, die Rückmeldung der Lehrerin und auch Angelas Eindrücke von der Neuen Schule zu haben. 

Ist es nicht ein Glück für Henri, dass er in der Pause nicht mehr alleine mit seinem Pausenbrot da steht, sondern Teil der Gemeinschaft ist? Dass er schon am zweiten Tag mit anderen teilen darf, welche Musik ihn am meisten bewegt? Dass er wieder strahlen darf? 

 

- Der Morbus Scheuermann kann mit einer Operation behandelt werden, die deutschlandweit in zwei Zentren durchgeführt wird. Die Spezialisten von Hamburg und Sankt Augustin zeigen sich nach Sichtung der Röntgenbilder gleichermaßen überzeugt, dass eine OP unumgänglich ist. Aufgrund des Herzfehlers wird Henri in Sankt Augustin operiert werden - dort ist auch eine kinderkardiologische Mitbetreuung gegeben. Die Behandlung der Erkrankung ist schwierig, aber: Henri ist in besten Händen.

Zunächst jedoch sollen im Rahmen einer einen dreitägigen stationären Diagnostik - dem Skoliosecheck- Untersuchungen aus unterschiedlichen Fachgebieten durchgeführt werden. Erst danach werden wir Näheres wie Zeitpunkt, Möglichkeiten und Risiken der OP erfahren. Bis dahin verkneife ich mir weiterhin das Googeln.

Sind die Schmerzen erst einmal da, ist es oft nicht mehr möglich, den Patienten dauerhaft schmerzfrei zu machen - so schrieb mir heute der Kinderorthopäde aus Sankt Augustin. Anders betrachtet bietet diese Operation die Chance, dass Henris Schmerzfreiheit (er klagte noch nie über Rückenschmerzen und scheint auch in seiner Beweglichkeit nicht eingeschränkt zu sein) nicht nur vorübergehend, sondern von Dauer ist. Die Operation soll Lebensqualität erhalten - ähnlich wie Herz-OPs, die in der Regel sorgfältig geplant und möglichst bei gutem Allgemeinzustand durchgeführt werden. Diese Operation ist in erster Linie ein Chance und keine Bedrohung habe ich mir immer schon Monate vor den Herz-OPs gesagt - jetzt sollte ich es wieder tun. 

Glück im Unglück, könnte man auch sagen, dass es überhaupt die Möglichkeit gibt, diesen Morbus Scheuermann zu behandeln. Dass Ärzte mit besten Expertisen ihr Bestes zum Gelingen der Operation beitragen werden.

Und Glück, dass wir uns auch auch dieses Mal wieder der liebevollen Begleitung sicher sein dürfen. 

 

 

Du, 

nicht irgendeine unfassbare Kraft, 

entscheidest über dein Schicksal. 

Du bestimmst viel von dem, was dir geschieht 

und du hast die Wahl, wie du etwas sehen willst. 

Du trägst die Verantwortung für dein Glück 

und es hilft dir nicht weiter, 

andere für dein Unglück zu beschuldigen. 

Der unbewusste Mensch wird gelebt, 

der wache entscheidet selbst 

und lässt sich nicht vom Druck 

der Umstände bestimmen. 

Der Mensch, der entscheidet, 

wird auch durch seine Grenzen nicht leblos. 

Er ist auch in Grenzen nicht gefangen. 

Er findet Möglichkeiten, 

sein Leben schöpferisch zu gestalten. 

 

(Ulrich Schaffer

 

6. Mai 2018

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Er hat geweint...

Er hat geweint ... mein großer tapferer Junge hat geweint. In der Schule und später auch zu Hause.

Ich hätte wohl gar nicht davon erfahren, wenn mir Henris nicht I-helferin später davon berichtet hätte, als wir schon zu Hause waren. Im Musikunterricht habe sich Henri - der eigentlich unauffällige Schüler - vor die Klasse gestellt und laut weinend darüber geklagt, dass er keine Freunde hat. Die Kinder und der Lehrer hätten versucht, ihn zu trösten, aber wenn dieses traurige Gefühl über ihn kommt, gibt es keinen Trost für ihn. Ich will beste Freunde - wie oft habe ich das nun schon gehört und das Klagen wird immer lauter. 

Als ich ihn zu Hause darauf anspreche, winkt Henri zunächst ab und verlässt mit einem coolen nee, nee den Raum... kommt dann aber zurück und weint sich seinen Kummer ein zweites Mal von der Seele. Danach verschwindet er mit seinem Handy in seiner Ecke im Bad und auch meinen Trost mag er nicht: Mama geh weg, ich muss mich beruhigen!, sagt er unter Tränen. Wieder einmal beeindruckt er mich: Das ist weder kindlich noch pupertär - der Vorsatz, sich erst einmal zu beruhigen, zeigt Henris Reife und innere Stärke.

Nach einiger Zeit kommt er zurück ins Wohnzimmer und spielt mit noch feuchten Augen Freude schöner Götterfunken und Weißt du, wie viel Sternlein stehen auf dem Klavier. Er setzt sich nicht einmal hin und ist doch ganz bei der Sache. Immer wieder spielt er seine beiden Lieblingsstücke. Danach googelt er auf dem Handy Freude schöner Götterfunken, stellt die Lautstärke hoch und dirigiert so gefühlvoll wie lange nicht. 

Später geht es ihm wieder besser - aber die Sehnsucht bleibt.

 

2. Mai 2018

Mit feuchten Augen spielt er Freude schöner Götterfunken und Weißt du, wie viel Sternlein stehen.

 

Natürlich ist längst nicht alles traurig - wenn Henri mit seiner Fahne draußen sein darf (und zumindest ein wenig Wind geht ;-), ist die Welt meistens in Ordnung. Gerne zeige ich euch (und mir) auch Fotos von der hellen, sonnigen Seite.

 

1.Mai 2018

Die erste Maiwanderung zu dritt. Amelie ist mit Freundinnen klettern und die beiden Großen genießen den Tag in Tübingen und Heidelberg. Dass Marie und Elias dank WhatsApp mit ihren Fotos und Kommentaren meist ganz dicht dabei sind, macht uns froh :-).

 

21. April 2018

Beim traditionellen Großfamilienausflug auf der Schlüsselblumenwiese. Henri freut sich immer schon Monate vorher auf die blühenden Schlüsselblumen, denn sie  läuten den lang ersehnten Frühling ein. Ein besonderer Gruß und Dank geht an Cousin und Cousine und ihre lieben Eltern, die alles tun, um Henri beste Freunde zu sein. 

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Stufen

Nicht einmal eine Woche ist es her ... mit einem Mal und ohne dass der Überbringer der Nachricht (die Bewegung in jahrelangen Stillstand gebracht hat) es beabsichtigt hatte (ganz im Gegenteil), sah ich mich unter Zugzwang. Seit ich die Hintergründe von Henris Aufnahme an unserer Schule kenne, kann ich nachvollziehen, dass die formelle Zustimmung eines Großteils des Kollegiums einerseits und Gleichgültigkeit oder Ablehnung andererseits durchaus vereinbar sind. Nein, ich werde nicht "abrechnen" - es gab und gibt auch an dieser Schule, der wir seit mittlerweile zwanzig Jahren verbunden sind, einzelne Lehrer, denen Inklusion ein wirkliches Anliegen und nicht nur ein in der UN-Behindertenrechtskonvention garantiertes Recht ist. Henris Klassenlehrer gaben ihr Bestes - auch der Musiklehrer, der Henri als "Gast" in den Schulchor integriert hatte, als er noch gar nicht Teil der Schulgemeinschaft war. Dagegen biss ich mit meinem Ringen um eine angemessene Förderung im sogenannten Förderunterricht auf Granit. Einen Förderplan habe ich zweieinhalb Jahre nicht zu Gesicht bekommen, Vermittlung und Training der Kulturtechniken liegt auch heute noch ganz in meiner Hand. Jedoch fanden sich im außerschulischen Bereich stets Unterstützer und Mutmacher - danke euch, die ihr mich immer wieder ermutigt und bestärkt habt für Henris Förderung zu kämpfen! 

Es steht ein Neubeginn an - wo und wie ist noch unklar. Die letzte Woche habe ich genutzt, um mich mit Eltern und befreundeten Lehrerinnen auszutauschen, ich habe mit Schulleitern telefoniert und auch schon erste Gespräche an Schulen geführt. Überall ist mir viel Offenheit entgegengekommen: Kein schwierig...  und auch kein Wir brauchen noch Zeit bis wir Behinderte aufnehmen können. Keine Garantien - natürlich - aber die freundliche Aufgeschlossenheit in den Gesprächen hat mich tief berührt. Jetzt erst ist mir auch ins Bewusstsein gerückt, was mir die letzten Jahren gefehlt hat. Ganz besonders an einer Gemeinschaftsschule,  die wir zusammen zusammen mit Henris Integrationshelferin besucht haben, war das Erleben einer völlig anderen Schulatmosphäre so eindrücklich, dass wir Besucher uns immer wieder staunend sprachlos angesehen haben. Ich bin völlig geflasht waren immer wieder Angelas Worte - genauso ging es uns.  An einer anderen Schule steht nächsten Woche eine erste Hospitation an - ich tue alles, was hilfreich erscheint, um zu einer wohl überlegten Entscheidung zu kommen. Manchmal staune ich über meine neu gewonnene Offenheit ;-). Schulsysteme und -formen werden nicht mehr kategorisch ausgeschlossen und ich bin dankbar für alle Gedanken und Überlegungen, die mir begegnen. Einerseits hat mir diese letzte Woche unglaublich viel abverlangt - andererseits wächst auch die Zuversicht, dass wir eine Schule finden werden, die Henri neben einer angemessenen Förderung auch ein soziale Umgebung ermöglicht, die ihm das Gefühl gibt, dazuzugehören. So wie am Samstag, beim Down-Sportlerfestival in Frankfurt - darüber gibt es den nächsten Blogeintrag. 

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Auf dem Pausenhof

Nach meinem gestrigen Besuch an einer inklusiven Gesamtschule war ich gerade ins Auto gestiegen, als es zur Pause klingelte und die ersten Kinder auf den Schulhof stürmten. Weil ein Mädchen mit Down-Syndrom - es war in Henris Alter - darunter war, bin ich nicht gefahren, sondern erst einmal auf dem direkt an den Schulhof angrenzenden Parkplatz stehen geblieben. Das Mädchen setzte sich mit seiner  Brotbox auf eine der Bänke und begann zu essen. Die anderen Kinder waren zu zweit oder in Gruppen unterwegs und ich habe mich erst einmal gefragt, ob es dem Mädchen denn nichts ausmacht ohne Gesellschaft in dem bunten Treiben zu sitzen. Aber es machte einen fröhlichen Eindruck und ich schob meine Gedanken zur Seite - und war gespannt, wie sich die Situation wohl entwickeln wird. Nach einer Weile kam ein anders Mädchen dazu - es hatte auch Down-Syndrom und schien etwas jünger zu sein. Die beiden saßen nun gemeinsam auf der Bank und unterhielten sich, lachten und gickelten. Irgendwann stand das erste Mädchen auf und entfernte sich etwas. Weil ich im Auto saß, konnte ich sie nicht hören, aber sie  lachte, tanzte und schien vor sich hin zu sprechen und zu singen. Es kam mir vor wie eine Bühnenvorstellung (Henri nennt so etwas Aufführung) jedoch ohne Zuschauer. Ganz in sich versunken schien sie und hat mich an Henri erinnert, wie er mit der Fahne auf der Wiese steht und laut lacht und vor Freude mit den Armen schlägt, wenn ein Windstoß kommt. Das zweite Mädchen saß nun genauso auf der Bank wie zuvor das erste, das jetzt die Vorstellung gab. Es hatte zwar keine Gesellschaft, wirkte aber nicht traurig - die Situation auf der Bank schien ganz normaler Pausenalltag zu sein. Dann durchquerte eine Gruppe von Jungs mein Blickfeld - darunter ein Junge mit Down-Syndrom, der auch in Henris Alter war. Durchaus bewusst, dass dies eine Momentaufnahme war, hat es mich gefreut, ihn so zu sehen, als einer unter Gleichaltrigen - mittendrin sozusagen, ganz mein Thema. Die Pause war immer noch nicht zu Ende und ich genoss es, diese Pausensituation so ungeplant erlebt zu können. Nun achtete ich darauf, ob ich außer den beiden Mädchen noch weitere Kinder entdecke, die alleine und ohne Gesellschaft unterwegs sind. Ein einziger Junge ohne Begleitung ist vorbeigezogen - lange hatte ich auf ihn warten müssen. Die Jungs waren fast alle in größeren Gruppen unterwegs, die Mädchen oft auch paarweise. Die Pause kam mir lang war und ich war dankbar für jede Minute, die ich dort hatte. Ob das große Mädchen noch mal zur Freundin auf Bank zurückkehren wird? habe ich mich gefragt. Es kam aber ein Junge, er schien schon älter zu sein, trug ein Cappy und kam schnell ins Gespräch mit dem jüngeren Mädchen - auch diese beiden schienen sich gut und fröhlich zu unterhalten. Mein Herz tat einen Freudensprung: So soll es sein :-) und sofort schoss mir Inklusion in den Kopf. Die Pause war nun zu Ende und der Junge stand auf und bewegte sich dem Eingang zu. Da erst bemerkte ich, dass er leicht hinkte und offensichtlich auch eine andere Einschränkung hatte. 

Dieses Erlebnis hat sich quasi nahtlos an die Beste-Freunde-Geschichte angeschlossen. Schön, dass diese Kinder einander haben dachte ich mir. Und wenn sie nicht darunter leiden, auf dem inklusiven Schulhof unter sich zu sein, umso besser. 

Jedoch habe ich wieder einmal erfahren, dass Kinder ohne Behinderung ganz offensichtlich eher die Nähe zu anderen Kindern suchen, die ebenfalls keine geistigen Einschränkungen haben. Das ist so und ich finde, man darf es ihnen nicht vorwerfen.Es ist schon ein großes Glück, wenn unsere Kinder mit ihrem Anderssein akzeptiert und auch geschätzt werden, wenn man sie teilhaben lässt. Je älter Henri wird, umso weniger kann ich anfangen mit Wir sind alle verschieden oder Jeder ist anders. Und umso mehr mache ich mir Gedanken, wie ich ihm Kontakte ermöglichen kann, die über Respekt hinausgehen. Ich wünsche ihm die Erfahrung, Menschen zu treffen, die seine Nähe und Freundschaft suchen - beste Freunde eben. 

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Beste Freunde - eine Kurzgeschichte

Wie sage ich's , wie berichte ich im Blog darüber, was Henri und mich nicht weniger schon seit Wochen umtreibt - mich nachdenken, zweifeln und machmal auch ein wenig verzweifeln lässt. Heute Morgen nun war mir - vor unserem Ausflug nach Heidelberg - ein Blogartikel zu Thema Inklusion Anlass, es mir in wenigen Worten und in Form einer kleinen Geschichte von der Seele zu schreiben. Weil sie dort nicht veröffentlicht wurde, hat sie nun in meinem Blog ihren Platz. Vielleicht werde ich in den kommenden Tagen etwas mehr schreiben. Nicht nur zu beste Freunde, auch zum aktuellen Stand in Sachen Morbus Scheuermann und Förderunterricht. Weder hier noch dort gibt es Bewegung: Ich hänge in der Luft und fühle mich bei meinem Ringen um Klarheit auf verlorenem Posten. 

Umso mehr freue ich mich, wenn ich in solchen Zeiten kraftspendende Post bekomme von Menschen, die uns schon lange Zeit begleiten und die ich erst kennenlerne, wenn sie mir nach Jahren in großer Offenheit eine E-Mail schreiben. Ganz lieben Dank, liebe F., für Ihre Zeilen! Ich melde mich bald. Von M. aus der Schweiz habe ich seit Februar leider nichts mehr gehört - ihr Baby war nach einer schweren Herz-OP wochenlang in äußerst kritischen Zustand. Ich habe oft an T. gedacht und mit Ihnen gebangt, liebe M. Wenn Sie hier noch mitlesen, würde ich mich über eine PN sehr freuen. 

 

Und hier die Geschichte:

Der Junge hat seinen festen Platz in der Klassen-und Schulgemeinschaft. Er ist das erste und bisher einzige behinderte Kind in der Schule. Die Kinder mögen ihn - so wie er ist. Bei Schulveranstaltungen trägt er mit Freude vor, was er gelernt hat und bekommt dafür viel Sympathie und ehrliche Anerkennung. Alle mögen ihn - in der Schule, zu Hause und in der Nachbarschaft. Aber der Junge will mehr. Er möchte "beste Freunde" und meint damit ein Mädchen oder einen Jungen, der sein bester Freund/beste Freundin ist. Er wünscht sich "übernachten" wie es für die große kleine Schwester selbstverständlich ist ist. Er ist traurig, dass er keine "beste Freunde" hat  und wünscht sich, dass seine Cousine nur für ihn "beste Freundin" ist. Er zählt fünf Namen auf, die die Schwester "Freundin" nennen darf, dann braucht sie doch nicht auch noch M. Er will mit ihr "in die Stadt gehen" - nicht mit den Eltern und den besten Geschwistern, die man sich vorstellen kann. "Beste Freunde" ist seit Wochen sein wichtigstes Thema und neuerdings weint der Junge, der nun nicht mehr der kleine H., sondern ein Teenie ist, sogar. Und erstmals bekommt die Mutter Zweifel.

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Unser (Elias') Video zum Welt-Down-Syndrom-Tag 2018

 

 

Im Zeitraffer zeigt Elias' kleines Video Henris Entwicklung vom Baby zum Teenie in Fotos und kleinen Videosequenzen. Ein solches Video oder auch nur ein paar Fotos hätte ich mir vor fast 16 Jahren in der Pränatalberatung  gewünscht - gut, dass die Zeiten sich geändert haben und unsere Kinder mehr denn je dazugehören! 

 

Unser Video zum Welt-Down-Syndrom-Tag 2018

 

 

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Am Welt-Down-Syndrom-Tag ein kleines Update zum Morbus Scheuermann

Ende letzter Woche habe ich dem Chefarzt der Kinderorthopädie der Altonaer Kinderkrankenhauses Henris Röntgenbilder geschickt - verbunden mit der Bitte um eine erste Einschätzung und eventuell einen Vorstellungstermin. Innerhalb weniger Stunden hatte ich Antwort und Klarheit - auch wenn ich wünschte, es gäbe vielleicht doch noch irgendein Hintertürchen: Ein Korsett ist tatsächlich nicht mehr in der Lage, eine Besserung zu erzielen und eine Operation lässt sich leider nicht vermeiden hat er mir geschrieben.  So klar und unmissverständlich, die Worte des Professors. Aufgrund des komplexen Herzfehlers könne Henri nicht in Hamburg operiert werden, sondern nur in einer Klinik, in der eine gute kinderkardiologische Mitbetreuung gegeben ist. Er hat Sankt Augustin vorgeschlagen und natürlich habe ich umgehend versucht, einen möglichst baldigen Termin zur Vorstellung vereinbaren. Leider gibt es reguläre Termine erst Ende des Jahres - nach Aussage der Ambulanz bestehe jedoch bei entsprechender Dringlichkeit die Möglichkeit, über unseren Kinderarzt oder Kinderorthopäden schon vorher einen Termin zu bekommen. Ich hoffe sehr, dass wir Henri über diesen Weg vielleicht doch früher vorstellen dürfen. In dieser Krankheitsgeschichte ist so viel schiefgelaufen und auch wenn ich es mir eigentlich sparen möchte, ertappe ich mich doch immer wieder bei dem Gedanken, was gewesen wäre, wenn der Scheuermann nicht so spät erkannt worden wäre. Hätte, hätte, Fahrradkette :-( ...

Noch ist mein Kenntnisstand über die geplante OP sehr dürftig. Ich weiß nicht, was und wie operiert wird. Ich weiß auch nicht, ob eine Operation besser früher als später stattfinden sollte - oder man womöglich abwartet bis das Wachstum weitgehend beendet ist. Eigentlich weiß ich gar nichts. Und obwohl ich mir vorgenommen hatte, dieses Mal nicht zu googeln, habe ich es doch versucht. Und immer wieder nur die Aussage gefunden, dass man bei Morbus Scheuermann nur ganz selten operiert - nur, wenn es gar nicht anders geht. Und dieser Fall scheint nun leider bei unserem Henri gegeben zu sein. 

 

Der Morbus Scheuermann stand heute - am Welt-Down-Syndrom-Tag - aber mal im Hintergrund. Wenn auch nicht vollzählig, haben wir diesen besonderen Tag in Dankbarkeit und Freude ganz in Henris Sinne begangen und gefeiert. Henri war viel mit der Fahne draußen, im Garten hat er mit Juri Kunststücke eingeübt und alles gefilmt ;-) und zur Feier des Tages gab es Kakao mit Sahne und Kekse dazu. In der Schule hat Henris Klassenlehrer der Klasse vom Welt-Down-Syndrom-Tag berichtet und die Kinder haben Henri applaudiert - er hat das offenbar sehr genossen ... auch dass er heute von einigen Jungs mit Handschlag verabschiedet wurde ... diese Ehre hatte er noch nie :-). Dieses Aufgehobensein in der Klassengemeinschaft ist es, was ich an der Schule  nach wie vor schätze. Henri hat seinen Platz dort und das schon bevor er als erstes behindertes Kind in den benachbarten Waldorfkindergarten aufgenommen wurde. Auch wenn er nach wie vor das einzige geistig behinderte Kind an der Schule ist, gehört er - so wie er ist - dazu. Von Geburt an war Henri  Teil der Gemeinschaft : Auf dem Schulhof, in der Schulküche und als begeisterter Zuschauer bei den Monatsfeiern. Henri halt ... Henri mittendrin :-).

 

Eigentlich wollte ich euch heute - zur Feier des Welt-Down-Syndrom-Tages - ein Video zeigen, das Elias (nicht nur) für Henri erstellt hat. Es ist zwar heute Abend fertig geworden, lässt sich aber aufgrund unserer schlechten Internetverbindung leider nicht hochladen. Morgen macht er den Upload in Heidelberg und danach wird es dann auch im Blog zu finden sein. 

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Kinderkardiologie und Kinderorthopädie - Hätte er doch "nur" das Down-Syndrom ...

Am 8.März in der Kinderkardiologie ...

 

Ein bisschen bange ist einem ja immer, wenn die Kontrolluntersuchung in der Kinderkardiologie bevorsteht - so auch dieses Mal. Oft gehen wir mit einem Gefühl der Erleichterung mit Henri nach Hause, wenn die Untersuchungen keinen Handlungsbedarf ergeben haben. So auch dieses Mal: Nach EEG, Herzecho und Schrittmacherkontrolle sagte Prof. Abdul Khaliq, dass die kardinale Situation unverändert ist. Dass die Herzfrequenz meist nur bei 40 bis 45 liegt, sei kein Grund zur Besorgnis, weil Henri ganz offenbar gut damit auskommt. Er ist im Alltag normal belastbar und wenn man ihn beobachtet,  würde man kaum vermuten, dass er eine Herzfrequenz hat, mit der andere in den Seilen hängen. Der Schrittmacher bleibt daher weiterhin so eingestellt, dass er nur aktiv wird, wenn die Herzfrequenz unter 40 fällt. Je weniger Stimulation, umso besser für das Herz. Der in Fachkreisen auch Käfer genannte Schrittmacher ist der kleinste bisher auf dem Markt befindliche und aufgrund seiner Größe ideal für Babys und Kinder, deren Herz nicht durchgehend, sondern nur bei Bedarf stimuliert werden muss. Der Prof erwähnte noch, dass die Produktion des Käfers nun leider eingestellt wurde, weil die Produktion nicht mehr wirtschaftlich sei. Das heißt, das künftig auch Neugeborene einen größeren Schritti bekommen als den, den Henri seit zweieinhalb Jahren trägt. Weil es keinen Markt gibt!

 

8.März 2018: Es ist immer die gleiche Abfolge bei den Kontrolluntersuchungen in der Kinderkardiologie: EEG, Herzecho und zum Abschluss die Schrittmacherkontrolle. Im Gegensatz zu Henris ist meine Herzfrequenz deutlich erhöht, wenn ich mich auf den Stuhl neben das Herzecho setze. Gespannt behalte ich die Gesichtszüge und Bewegungen des Profs im Blick bis ich eine erste Einschätzung höre. Es gab noch kein Herzecho, bei dem ich nicht an die allererste Ultraschalluntersuchung in der Frauenklinik gedacht habe und bei der mir ein Herzfehler unseres ungeborenen Kindes so vollkommen unwahrscheinlich erschien - das muss ein Fehler sein, dachte ich allen Ernstes. Wer mag, kann es hier nachlesen.

 

 

Am 9.März in der Kinderorthopädie...

 

Ganz neu ist sie ja nicht mehr, die Diagnose Morbus ScheuermannWer Henris und unsere Geschichte verfolgt, weiß, dass es schon einige Missverständnisse gab, die Henri bzw. der Therapie des Morbus Scheuermann vermutlich wertvolle Zeit gekostet haben. Seit der Diagnose waren wir nicht untätig, aber leider immer als Laien unterwegs. Zuletzt sollte ein Korsett helfen, die Situation zu entschärfen ... wie sich nun zeigte, mit hoher Wahrscheinlichkeit  ohne Erfolg. 

Nach Konsultationen und Untersuchungen bei Kinderarzt, niedergelassenem Orthopäden und zuletzt einer Kinderorthopädin in Hannover, hatten wir nun zum ersten Mal einen Termin in der hiesigen der Uniklinik angeschlossenen Kinderorthopädie. Wahrscheinlich hatte ich doch sehr darauf gehofft, dass das Korsett, das Henri seit einem halben Jahr trotz aller Einschränkungen mit so viel bewundernswerter Disziplin Tag und Nacht trug, eine Wirkung zeigt - oder doch zumindest doch eine weitere Verschlimmerung verhindern kann ... andernfalls wäre ich nicht so enttäuscht gewesen, dass nach aktueller Einschätzung des Kinderorthopäden nicht einmal das erreicht werden kann.

Ich kann mir schon denken, was er mit fixiert meint und frage trotzdem nach. Die Röntgenbilder bestätigen nur den ersten klinischen Eindruck. Weil es sich ganz offensichtlich nicht um einen "gewöhnlichen" Morbus Scheuermann, sondern um eine besonders ausgeprägte Form handelt, empfiehlt uns der Kinderorthopäde, Henri in einem speziellen Kinderorthopädischen Zentrum vorzustellen: Sankt Augustin oder Hamburg. Wenn Entfernung keine Rolle spielt, frage ich ihn - dann Hamburg antwortet mir der ungewöhnlich offene und freundliche Arzt. Warum nur sind wir so spät und über Umwege bei ihm gelandet? Und wieder einmal startet das hätte-hätte-Karusell... Ich schätze es sehr, dass er mir, obwohl er tagtäglich nur im kinderorthopädischen Bereich tätig ist, offen sagt, für Henris Fall nicht die nötige Expertise zu haben. Dann steht für mich vollkommen unerwartet die Möglichkeit (noch ist es eine Möglichkeit) einer operativen Behandlung im Raum - mit der gleichen Wirkung auf die Magengrube wie neue Befunde in der Kinderkardiologie. Dabei denke ich zunächst einmal "nur" an die Narkose und erst später wird mir bewusst, dass die Wirbelsäule wohl nicht gerade ein einfaches OP-Gebiet ist... Ich gehe auf die Website des Altonaer Kinderkrankenhauses und versuche mich zu beruhigen.

Heute Morgen erfahre ich dann bei einem Anruf in der dortigen Kinderambulanz, dass der Professor - einer der führenden in der Kinderorthopädie - erst im Juli wieder Termine frei hat. Jedoch bietet die Sekretärin mir an,  die aktuellen Röntgenbilder und den neusten Befundbericht  schon vorab an die Klinik zu schicken.  Der Professor wird sich dann - im wahrsten Sinne - ein Bild machen und wir - vielmehr die Experten -  werden sehen, wie es weitergehen kann mit diesem Morbus Scheuermann, bei dem viel zu lange vermutet worden ist, es handele sich um eine muskulär bedingte Fehlhaltung. 

 

 

9.März 2018 in der Kinderorthopädie: Wahrscheinlich erkennt sogar der medizinische Laie, dass eine Wirbelsäule so nicht aussehen soll. Im Gegensatz zu vielen anderen Situationen überträgt sich meine Stimmung (Gott sei Dank!) nicht direkt auf Henri -  ihm  ist nichts anzumerken. Er ist nur überglücklich, dass er das Korsett jetzt ins Auto tragen darf und es später im Keller landet. Henri strahlt und ist mehr denn je um eine gerade und besonders aufrechte Haltung bemüht. Dass er das Korsett (vermutlich) ein halbes Jahr ohne erwünschte Wirkung, dafür mit vielen Unannehmlichkeiten,  getragen hat - geschenkt :-).

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Prognosen

Heute teile ich einen Link mit einer Geschichte, die (mit nur leicht abgewandelten Details) auch von mir (und vielen anderen Müttern behinderter Kinder) sein könnte. Was haben wir uns vor knapp 16 Jahren alles anhören müssen - in einer Zeit, wo wir uns Unterstützung und nicht düstere Prognosen gebraucht hätten.

 

 Prognosen 

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Kurze Nachricht - großes Glück!

Schon die ganze Woche verneige ich mich innerlich immer wieder vor unserem kleinen Mann und bewundere, mit wie viel Disziplin und Ausdauer er mit den alltäglichen Herausforderungen umgeht. Zweimal pro Woche Schwimmtraining ist aufgrund des Morbus Scheuermann kein Luxus, sondern notwendig und mit der Physiotherapie verhält es sich ebenso. Klavierunterricht ist zwar nicht notwendig  - aber er spielt gerne und übt fast jeden Tag (natürlich mit mir). Und dann gibt es ja auch noch die "Hausaufgaben", also das konsequente und Lernen und Üben von Schreiben und Lesen. Dazwischen macht er sein geliebtes Fahnenstehen oder baut , wenn  -wie heute- kein richtiger Fahnenwind ist, an seiner Kugelbahn. Und seit Weihnachten darf er er auf seinem neuen Handy auch Michel aus Lönneberga sehen. Das Schreiben mochte er bisher weniger, lieber googelte er nach Michel oder Mond.

Diese Woche war besonders anstrengend, denn zu den üblichen Terminen, waren wir auch noch zu mehreren Terminen in Sachen Korsett unterwegs. Unsere alltägliches Hin und Her ist in dieser Woche noch enger getaktet als sonst. 

Nachdem Henri heute Klavier geübt hatte und direkt danach Kugelbahn bauen durfte, habe ich ihn zu den Hausaufgaben gerufen. Dieses Mal war es eine Hausaufgabe im eigentlichen Sinne. Die siebte Klasse hat gerade Geografie-Epoche und Henris Klassenlehrer hat für Henri ein eigenes Aufgabenblatt erstellt. Darin geht es um Lage- und Wegbeschreibungen, aber auch um Mond- und Sonnenstand. Wir entschieden uns für das Thema  Schulweg und Henri begann mit meiner Unterstützung in sein Heft zu schreiben, wie er jeden Tag in die Schule kommt. Nach zwei Sätzen kam dieses Willnich, über das ich mich oft genug hinwegsetze, aber heute konnte ich es nicht. Ich habe ihn entlassen - er hatte sich wirklich Ruhe verdient! Er legte sich dann erst einmal aufs Sofa, nahm sein Handy und googelte "Blumen" und Frühling" (er spricht beim Googeln die einzelnen Buchstaben immer laut vor sich hin, deshalb weiß ich das ;-). Schon seit dem Schwarzwald fragt er fast täglich, wann der Frühling kommt und es hat mich heute so gerührt, ganz nah mitzuerleben, wonach er sich gerade sehnt. Danach ist er in sein Zimmer gegangen, hat mich zwischendrin nach Farbkarton gefragt und hat zu malen und zu basteln begonnen. Am Schreibtisch hörte ich den Eingang einer WhatsApp-Nachricht. Was war das für eine Freude, als ich sah, wer sie mir geschickt hatte. Gleichzeitig hörte ich Henri oben immer wieder laut machen... Ich schrieb ihm zurück und dann kingelte auch schon das Telefon... Henri war dran :-) Was für andere Mütter selbstverständlich oder vielleicht sogar nervig ist, bescherte mir heute die glücklichsten Momente der Woche. Noch nie hatte er mir eine Nachricht geschrieben und heute ganz aus sich und  ohne, dass ihn jemand aufgefordert hätte. Er bestellte mich in sein Zimmer und zeigte mir ein Bild, das er für mich gemalt hatte: Ein Frühlingsbild mit Blumen, Bienen und einem blauen Himmel, sorgfältig mit Farbkarton beklebt. Er strahlte über das ganze Gesicht als er in perfektem Deutsch sagte: Für dich... beste Mama und beste Frau! Dann umarmte und drückte er mich - was für eine Freude in diesem Moment! Henri kam aus dem Strahlen nicht mehr heraus ... Stolz, Dankbarkeit, Einssein mit sich und der Welt... bestimmt von allem etwas. Für mich heißt das Schlüsselwort Loslassen.

Danach wollte er unbedingt auch noch die Hausaufgabe fertig machen- er war nicht zu bremsen. Er will morgen unbedingt den ersten Teil seines Schulweges vorlesen (den zweiten schreibt er morgen) und ich bin fast sicher, dass sein Klassenlehrer ihn wieder nach vorne holt und er seine Hausaufgaben vorstellen darf. Was den sog. Förderunterricht betrifft, sind wir nach wie vor alles andere als zufrieden und kämpfen weiterhin darum, dass unserem Kind die gleichen Chancen zu lernen eingeräumt werden wie anderen Kindern. Andererseits bin ich sehr dankbar, wie viel Respekt und Wertschätzung Henri in der Klasse erfährt - sowohl von seinem Klassenlehrer als auch von den anderen Kindern. 

 

 

 

11. Januar 2018

Henri allererste Textnachricht an mich. Und wer sagt, dass bei so vielen Fehlern das Üben eh keinen Sinn macht (und er stattdessen lieber malen, basteln oder kochen sollte) - der irrt. Der hätte heute erleben sollen, mit wie viel Freude er diese Nachrichten verschickt hat und ich bin sicher, es war nur der Anfang. 

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Schwarzwald, Schnee und: Schuhebinden :-)

Wie jedes Jahr verbringen wir die Weihnachtsferien auch dieses Jahr wieder auf dem Holzhof. Unsere Großen sind auch dabei und wir leben hier wieder Großfamilie mit allem was dazugehört :-). Ich liebe sie, diese Gespräche, Diskussionen, Vorträge, Kontroversen, bei denen mittlerweile auch Amelie schon eifrig mitmischt. 

Dieses Mal hatte ich einen Auftrag im Gepäck ... eigentlich für die anderen, denn bis vor einer Woche hielt ich es für vollkommen ausgeschlossen, dass ich Henri das Schuhebinden beibringen könnte. Das Thema Schuhebinden beschäftigt uns schon seit Jahren: Meine Rolle war bisher die der Antreiberin oder Bittstellerin, je nach Verfassung. Weil ich eine extreme Schwäche im Bereich des räumlichen Denkens habe, hielt ich es für unmöglich, das Binden einer Schleife bewusst zu tun oder es gar jemandem beibzubringen. Klavierüben erschien mir als Klaks dagegen und so versuchte ich, die Familie (und vor langer Zeit auch einmal den Förderlehrer ;-) in den Lehrplan "Schuhbinden" einzubinden - ich gestehe, dass ich dem, der Henri das Schuhbinden beibringen würde, sogar Geld geboten habe...

Hier im Schwarzwald habe ich mit aller Kraft all mein positives Denken zusammengenommen und das Projekt "Schuhbinden" selbst gestartet. Erst einmal war ich überrascht, dass ich gegen jede Erwartung doch in der Lage bin, den Vorgang bewusst nachzuvollziehen. Im zweiten Schritt  ging es dann nur noch um die Vermittlung dieses neuen Wissens und weil meine didaktischen Fähigkeiten deutlich besser als mein räumliches Vorstellungsvermögen sind, hatten wir am zweiten Urlaubstag einen erstaunlich guten Einstieg. Unterstützt wurde ich von Elias, der (als erster) festgestellt hat, dass Henri seinen Daumen nicht beugt. Er machte also erst einmal Daumen- und Pinzettengriffübungen mit Henri. Wir sind drangeblieben: Jeden Tag mit dem Holzbrett, in dessen Löcher zwei bunte Bänder befestigt sind, die man binden kann. Heute nun war ein wirklich großer Tag: Denn wir sind vom Brett auf Henris Wanderschuhe umgestiegen  und ... es hat funktioniert!!! Henri kann Schuhe binden - bis jetzt, wenn er den Schuh vor sich in der Hand hält. Aber heute bin ich zuversichtlich, dass er den letzten Schritt auch bald schafft, vielleicht schon morgen... Ich bin so froh und hätte gerade hüpfen können vor Freude. Mit 15 Jahren hat Henri Schuhebinden gelernt - Klettverschlussschuhe ade :-))). 

 

Traumlandschaft direkt vor der Haustür - schöner als auf dem Holzhof können wir uns die Weihnachtszeit nicht vorstellen.

 

 

Same procedure as every year: Das offizielle Weihnachtsbild 2017 braucht Vorbereitung :-) 

 

 

Loslassen ... die fröhlichste Bescherung, die wir je hatten. Das Lesen der Weihnachtsgeschichte teilen sich Amelie und Henri. Die Vielzahl der Geschenke unterm Baum ist dem Umstand geschuldet, dass auch jedes unserer Kinder für die Eltern und Geschwister mindestens ein Geschenk vorbereitet hat. Nein, nicht jedes: Henri hat Elias einen Brief geschrieben und war ansonsten auf der Empfänger-Seite: Er hat auch ein Handy bekommen, das ihn zum Lesen und Schreiben anregen soll... nun sammeln sich auf dem Startbildschirm die WhatsApp-Nachrichten von Oma, Mama, Papa und Geschwistern und Henri ist, was die Beantwortung all der lieben Nachrichten betrifft, ganz schön im Rückstand. Was dagegen einwandfrei funktioniert, ist das Googeln von Michel-aus-Lönneberga-Videos und mit der entsprechenden Geduld klappt sogar das Streamen. Wie er das hinbekommt, ist ein Rätsel, denn die Internetverbindung ist unterirdisch - außer Henri kann hier keiner Videos anschauen.

 

 

Die Jungs - inniger geht's nicht. Beide waren so versunken, dass sie mich mit der Kamera gar nicht bemerkt haben. 

 

 

Danke, Elias - du bester Bruder ❤️!

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Henris schulische Förderung - heute mal Klartext

Aus gegebenem Anlass, spontan und frei von der Leber weg... na ja, fast.

Seit mittlerweile acht Jahren geht Henri in die Schule und das Thema Förderung begleitet uns wie vermutlich die meisten Elternhäuser. Es begann im letzten Kindergartenjahr, als wir auf der Suche nach einer geeigneten Schule waren. Wir hätten uns damals schon gewünscht, dass Henri, wie seine drei Geschwister, die Waldorfschule vor Ort besuchen darf. Inklusion, auch Integration, wurde dort aber damals noch nicht praktiziert und so hofften wir, an einer heilpädagogischen Waldorfschule eine Heimat für Henri zu finden. Anfangs schien einer Aufnahme dort auch nichts im Weg zu stehen ... jedoch fanden alle Bemühungen für uns völlig unerwartet ein jähes Ende, als uns just zu dem Zeitpunkt, als die Aufnahmegespräche an allen anderen Schulen bereits gelaufen waren, gesagt wurde, dass Henri für diese Schule nicht die erforderlichen Voraussetzungen mitbringt. Denn Henri ist ein G-Kind (GEISTIG behindert) und die Schule ist eigentlich für L-Kinder (LERNbehindert) und E-Kinder (ERZIEHUNGSschwierig) vorgesehen. Hätte man uns das am Anfang gesagt, hätten wir rechtzeitig nach einer Schule Ausschau halten können, die auch unser G-Kind aufnehmen würde.

Wir hatten Glück im Unglück und fanden eine Grundschule, deren Schulleiterin für die Montessori-Pädagogik lebt. Es ist eine staatliche Grundschule mit starker Montessori-Ausrichtung. Sie hatten damals schon andere Kinder mit Behinderung aufgenommen und die Schulleiterin war zuversichtlich, dass auch Henri integriert werden könne. So war es dann auch: Auch wenn die Beschulung eines Kind mit Down-Syndrom für die meisten von Henris Lehrerinnen und Lehrern Neuland war, nahmen alle die Herausforderung an, ihn nicht nur in die Klassengemeinschaft integrieren, sondern auch im Sinne einer Vermittlung von Lernstoff zu fördern. Damals war völlig ungewiss, ob Henri jemals lesen und schreiben lernen würde ... aber wir alle haben gemeinsam und in Kooperation unser Bestes gegeben. Ich erinnere mich sehr gut an die Zeit, als Henri im Alter von acht Jahren seine ersten Buchstaben mehr malte als schrieb... Die Geduld wurde belohnt und ich nahm mir gerne die Zeit, auch am Nachmittag mit Henri zu üben. Als dann zwei Jahre später eine von Henris Lehrerinnen eine private Montessori-Grundschule gründete, haben wir ziemlich bald entschieden, dass Henri Schüler von einer der beiden neu zu gründenden Klassen sein würde - zumal diese Lehrerin und zukünftige Schulleiterin ihm in ganz besonderer Weise zugeneigt war. Auch in der Montessorischule wurde Henri konsequent gefördert und wir waren immer wieder erstaunt über die Entwicklungsmöglichkeiten unseres Sohnes, der für die heilpädagogische Förderschule nicht die notwendige Mindestintelligenz mitgebracht hatte. Von Vornherein war klar, dass nach dem vierten Schuljahr ein Wechsel in eine weiterführende Schule ansteht und es kam uns sehr entgegen, dass Henri die vierte Klasse wiederholen durfte.

Im Anschluss an die Grundschule hätte Henri die weiterführende Montessorischule besuchen können, aber alleine der Umstand, dass dort täglich bis mindestens 16.30 Uhr verpflichtend Unterricht ist (Ganztagsschule), ließ uns diese Schule ausschließen. Mit viel Glück, Segen und guten Kräften hat sich die Situation dann so entwickelt, das Amelies engagierter Waldorf-Klassenlehrer sich bereiterklärte, Henri in eben dieser Klasse aufzunehmen, zum fünften Schuljahr. Alles schien perfekt und wir waren dankbar, dass unsere Schule bereit war, Henri als erstes (und immer noch einziges) behindertes Kind aufzunehmen. Nun hatten wir drei Kinder an unserer Waldorfschule, unsere Älteste hatte dort bereits Abitur gemacht (zur Info für Zweifler: ein völlig normales Abitur, das gleiche Zentralabitur, das alle anderen saarländischen Staatsschüler geschrieben hatten).

Henri hatte und hat auch einen Förderlehrer, der im ersten Jahr vor allem die Basalsinne fördern wollte - dies geht am besten mit Malen und Basteln ... sprich: Lesen und Schreiben fielenl ab sofort vollkommen in meine Verantwortlichkeit. Meine Unzufriedenheit mit dieser Situation wurde auch nicht besser, als mir gesagt wurde, dass ich diese Arbeit doch sehr professionell tue (ich bin nicht nur Dozentin für Deutsch als Fremdsprache, sondern auch ausgebildete Waldorf-Klassenlehrerin), im Gegenteil: Beim letzten Gespräch mit der Schulleitung habe ich mein Befremden darüber offen zum Ausdruck gebracht. An welcher Schule kommt es vor, dass Lehrer Eltern Tätigkeiten überlassen, weil diese es so gut können ... fast ein bisschen komisch, aber für mich nach zwei Jahren eben nicht mehr. Die Schulleitung verstand, dass mir an einer Änderung der Zuständigkeiten sehr gelegen war und schlug einen "Rollentausch" (Zitat!) vor: Förderung der Kulturtechniken in der Schule und Pflege der Seele und der Basalsinne zu Hause.

Leider hat sich seit diesem letzten Gespräch vor den Herbstferien nichts oder nichts Grundsätzliches geändert. In den Herbstferien habe ich schließlich  ein neues Lehrwerk (Jo-Jo, Stufe 2 mit Förderheft) mit Sprach- und Arbeitsbuch angeschafft, in dem Henri morgens im Rahmen des normalen Unterrichts mit seiner Integrationshelferin (Schulbegleitung heißt es in anderen Bundesländern) arbeitet und am Nachmittag mit mir. Für den Förderunterricht wurde nach wie vor kein Lehrwerk angeschafft. Auch meine Nachfrage/Angebot, dass wir doch gemeinsam mit diesem Jo-Jo arbeiten könnten - und gewissermaßen an einem Strang ziehen - wurde, schlicht gesagt, abgelehnt. Dieses Lehrwerk gehe an Henris Lebenswelt vorbei. Zu viel Grammatik - was defintiv NICHT der Fall ist. Vielmehr sind die meisten der Situationen, besser als in jedem anderen Lehrwerk, der tatsächlichen Lebenswirklichkeit angepasst. 

Heute nun haben sich die Ereignisse gewissermaßen überschlagen. Zum einen hat die auf meinen Wunsch beauftragte Gutachterin des Förderzentrums (das eigentlich gar nicht für die Waldorfschule zuständig ist, allenfalls auf Wunsch und in beratender Funktion) der Schule bzw. Henri einen Besuch abgestattet. Henris Integrationshelferin rief mich direkt danach an und berichtete mir, dass die Expertin für geistige Behinderung die Inhalte, an denen Henri seit zwei Monaten mit Freude und Erfolg arbeitet, für zu schwer erachtet. Sie hat gleichzeitig die Meinung vertreten, dass Malen und Basteln genau das Richtige seien.... Wo bitte ist der weinende Emoticon?!!? Nicht nur die I-helferin war betroffen/geschockt - mir ging es mit dieser Nachricht nicht besser, im Gegenteil.

Mit diesem Wissen ging ich dann heute Abend in ein schon länger terminiertes Gespräch, an dem nicht nur Klassen- und Förderlehrer, die Integrationshelferin und deren Vorgesetzte teilnahmen , sondern auch Henris Kinderarzt (der an anderen Waldorfschulen beratend tätig ist) und eine Freundin, die Henri von klein auf kennt und selbst als Förderlehrerin tätig ist.  Sie staunte nicht schlecht, wie groß die Unterschiede zwischen Staatsschule und Waldorfschule sind. Staatsschulen haben die Pflicht, das Recht auf Teilhabe umzusetzen, eine Wahlmöglichkeit besteht nicht. Unsere Waldorfschule ist bereits im dritten Jahr Modellschule für Inklusion, eine von 12 Waldorfschulen bundesweit ... mit einem einzigen (!) Kind mit geistiger Behinderung. Auf meine Frage, ob man nicht noch weitere Kinder mit Behinderung aufnehmen wolle/könne, erhielt ich die Antwort, dass es dazu noch Vorbereitung und Planung braucht. Was für ein Luxus!  sagt meine Freundin, die Staatsschullehrerin. Sie staunte auch, dass ich die Wochenpläne für Henri erstelle und diese gemeinsam mit der Integrationshelferin umsetze ... verkehrte Welt...

Alle, die uns und Henri kennen, wissen, dass wir keine übermotivierten Eltern sind, die ihr Kind mit allen Mitteln mindestens zum  Hauptschulabschluss bringen wollen. Auch der erste Arbeitsmarkt ist kein Ziel. Wir gehören nicht zu den Alles-ist-möglich-Eltern.  Wir sind uns sehr bewusst, dass NICHT alles möglich ist. Und gerade darum sind wir bemüht, alles in unserer Macht Stehende zu tun, um Henri im Rahmen seiner begrenzten Möglichkeiten ein möglichst selbständiges Leben zu ermöglichen. Lesen und Schreiben sind der Schlüssel dazu!  Es klingt banal, aber die Schule ist zum Lernen da und es ist für mich nicht nachvollziehbar, wie eine Schule zulassen kann, dass die systematische Förderung dieser Fähigkeiten vor allem in den Händen der Mutter liegt. Dass die Arbeit mit einem Lehrwerk konsequent abgelehnt wird. Warum gesteht man Henri nicht zu, was für andere Kinder selbstverständlich ist? Warum wird er nicht im Rahmen seiner Möglichkeiten gefördert? Warum sollte die Seelenpflege bei Henri wichtiger sein als bei seinen Klassenkameraden? 

Dieser Eintrag ist mir schon lange ein Bedürfnis - wenn meine Gedanken und Argumente in der Schule schon auf wenig Anklang stoßen, sollen sie zumindest hier ihren Platz haben dürfen.  

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Das Korsett / oder: Wie man hineinwächst

Seit zwei Wochen trägt Henri nun das Korsett - am Tag und in der Nacht. Korsettfrei sind lediglich Schwimmtraining, Schulsport, Physiotherapie und Duschen... ihr ahnt nicht, wie sehr Henri die ersten Tage auf regelmäßiges Duschen bestanden hat :-)

Die ersten Tagen waren hart: Es muss schwer sein, plötzlich und von nun an quasi jederzeit eine derart enge Begrenzung zu erfahren... ohne wirkliche Perspektive, dass schon bald wieder alles wie vorher sein wird. Vertröstungen wie nur bis Weihnachten oder bis nächsten Sommer o.ä. wären unehrlich ... Henri muss das Korsett tragen, bis er nicht mehr wächst und dieser Zeitraum ist für ihn nicht fassbar.

Die erste Zeit spürte Henri neben dem Druckgefühl auch einen Würgereiz und wenn er Muss kotzen! sagte, wurde auch mir ganz anders. Er musste aber nicht kotzen. Henri glaubte auch, nun nicht mehr schlafen zu können (vor dem Korsett schlief er oft halb im Sitzen mit vornübergebeugtem Oberkörper) und was ihn besonders beschäftigte, war die Vorstellung, seinen Schmusehund nun nicht mehr streicheln zu können. Neben all den Unannehmlichkeiten hatte ich selbst anfangs auch Sorge wegen des Drucks auf das (von den OPs) deformierte Brustbein - der Kinderkardiologe, dem wir Henri noch am ersten Tag vorgestellt haben,  gab jedoch Entwarnung, sodass ich zumindest die auf das Herz bezogenen Gedanken hintenan stellen konnte.

Es kam wie so oft - eigentlich wie immer. Die Akzeptanz dem Neuen gegenüber wuchs von Tag und je weniger Henri sich beklagte, umso entspannter wurde auch ich. Während er sich die ersten Tage manchmal heimlich in Elias Zimmer zum Kugelbahnbauen zurückgezogen hat und ich ihn dann ohne Korsett (ausziehen kann er - nur anziehen nicht) und mit dem denkbar rundesten Rücken über seiner Kugelbahn gefunden habe, kommt es mittlerweile selten vor, dass er das Korsett auszieht. Er lebt damit - wie mit so vielem.

Henri hat gerade eine sehr gute und ausgeglichene Phase - trotz Korsett, Pupertät und viel zu früher Dunkelheit, die ihm tageweise keine Zeit zum Fahnenstehen lässt. Oft schaue ich ihn an und frage mich, wie er es wohl schafft, mit seinen Einschränkungen zu leben - gut zu leben. Wäre Amelie an seiner Stelle würde sie sich wohl fragen, warum gerade sie ein krankes Herz hat, warum gerade sie immer zu OPs und Blutentnahmen muss, warum gerade sie strenge Zöliakiediät halten und ein so lästiges Korsett tragen muss. Warum sie nicht so viele Freunde hat wie ihre Geschwister und warum bei ihr so selten Kinder übernachten... Es gäbe so viele Fragen, für die es keine Antworten gibt. Ich weiß nicht, ob Henri solche Gedanken hat - er hätte sprachlich auch nicht die Möglichkeiten, diese vermeintliche Ungerechtigkeit auszudrücken. Mein Eindruck ist, dass Henri unter diesen Einschränkungen zwar immer wieder leidet, dass er sein Leben aber dennoch nicht mit dem anderer Kinder vergleicht. In seinem Leben gibt es viel Raum für Freude, er nimmt  es, wie es kommt... oft mit Protest und Widerstand (Blutentnahmen), aber diesem Widerstand folgt meist schnell eine Akzeptanz dessen, was nicht zu ändern ist. In dieser Haltung ist Henri mir  täglich Vorbild. Auf dem Down-Syndrom-Online-Kongress gab es ein Bild, das ich zum Schluss mit euch teilen möchte:  Das Bild von den Kindern, die aus den Steinen, die auf ihrem Weg liegen, Brücken bauen.

 

 

25. Oktober 2017

Die Anfertigung eines Korsetts erfordert in einem ersten Schritt ein Modell - Henri war beim Eingipsen nicht durchgängig kooperativ - es gab auch Protest und einige entschiedene Neins! Zusammen haben wir es geschafft - und ich habe mich gefragt, wie es wohl werden wird, wenn Henri das fertige Korsett rund um die Uhr tragen muss. 

 

11. November 2017

Erste Anprobe - Die Korsett-Aera beginnt und wieder einmal machen wir mit Henri die Erfahrung: Auch damit lässt sich leben. 

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Kinderlogik

 

Diese Geschichte muss ich teilen… Heute gab es Brokkoli zum Mittagessen – ziemlich reichlich sogar: 3 Brokkoli für Mutter und zwei Kinder. Ich bin ja froh, dass der Verzehr von Gemüse bei den beiden Kleinen (ich nenne sie immer noch so, dabei sind sie 12 und 15 Jahre alt) mittlerweile relativ reibungslos abläuft. Aber heute war es richtig viel und vor allem Henri hat sich mit der großen Portion ziemlich schwergetan, zumal er zuvor noch eine große Schale seiner geliebten Kürbissuppe gegessen hatte. Der Teller war fast leer, das sagte er mit einem freundichen Lachen lecker!!! zu mir. Was für ein nettes Kind, tut mir den Gefallen, das Gemüse zu loben, das ihm soo dolle bestimmt nicht geschmeckt hat, dachte ich mir.

Dann aber kommt Amelies Einsatz und bringt meine Erklärung ins Wanken: Weißt du, Mama, fragt sie, warum Henri „lecker“ sagt? ... Ja klar, er ist gut gelaunt und will mir eine Freude machen - außerdem freut er sich schon auf den Joghurt, den ich ihm als Nachspeise zugesagt habe (wenn er den Brokkoli isst). - kurze Pause - Weißt du, warum ich früher immer „lecker“ gesagt habe? fragt Amelie. Warum denn? Amelie: Ich habe immer gedacht, du gibst uns Gemüse und Salat, weil es uns nicht schmeckt…. also nicht, weil es gesund ist. Ich staune… Ja, und deshalb habe ich immer „lecker“ gesagt, damit du denkst, dass es mir schmeckt und es dann nicht mehr kochst. Ich bin baff, wie man bei uns im Saarland sagt. Du hast geglaubt, ich habe euch die gesunden Sachen angeboten, weil ich dachte, die schmecken euch nicht?  (Wie kommt ein Kind / mein Kind auf solche Gedanken? mmmh ;-) Amelie: Ja genau, und deshalb habe ich mich ja auch immer gewundert, warum du uns keine Cola gibst. … Nun verstehe ich gar nichts mehr… Aber du hast doch nie Cola getrunken? frage ich sie. Doch, sagt Amelie, ich habe einmal bei Elias probiert und fand das so eklig. Und da habe ich mich gewundert, warum du uns keine Cola gibst. Auch wenn Amelie eigentlich eine recht differenzierte Ausdrucksweise hat, frage ich noch einmal nach… doch, alles richtig verstanden. Und wie lange hast du das vermutet, was war „früher“? frage ich sie. Ungefähr bis ich acht war, dann wusste ich, dass wir das essen sollen, weil es gesund ist, erklärt sie.  

 

Und wer weiß, ob Henri (der, was zum Beispiel Rechtschreibung betrifft, eher nicht den Stand eines Achtjährigen hat) nicht die gleichen Gedanken im Schilde führt, wenn er mein Essen so überschwenglich lobt?  Who knows? ... wie Marie sagen würde ;-).

 

 

 

15. November 2017

Wie so oft, sind wir heute nach der Schule wieder über die Halde spaziert und Amelie hat dieses Mini-Fliegenpilzchen entdeckt. 

 

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Vergleichen

 

Seit Freitag gibt es einen Online-Kongress zum Thema Down-Syndrom: Down-Syndrom.er.leben. Die Initiative einer engagierten Mutter, die eine Reihe von Experten gewinnen konnte, stieß bei mir und über 2000 anderen - die meisten Eltern - auf großes Interesse. Seit dem Wochenende hält uns ein breitgefächertes Programm auf Trapp und die meisten werden das tägliche Pensum von ca. 4 Stunden Interviews, die jeweils für 24 Stunden freigeschaltet sind, wohl kaum schaffen. Aber es gibt ja auch noch das Kongresspaket zum Download, damit man sich alles in Ruhe ansehen kann. In der zugehörigen Facebook-Gruppe  ist Gelegenheit zum Austausch über die einzelnen Interviews - Eltern, aber auch Experten wie z.B. Physiotherapeuten, berichten von eigenen Erfahrungen zu den verschiedenen Themen.

Und nun komme ich zum Titel... Seit zwei Tagen lese ich nun diese Erfahrungsberichte: Sie sind fast allesamt positiv in dem Sinne, wie gut  sich das eigene Kind mit dieser oder jener Methode entwickelt (hat).  Einige Kinder hätten zum Beispiel ohne eine bestimmte Methode vermutlich nie Ski fahren oder klettern gelernt. Andere sind dank einer bestimmten Fördermethode anderen Kindern mit Down-Syndrom sowohl motorisch als auch im kognitiven Bereich weit voraus.. Wieder andere sind sehr selbstbewusste Persönlichkeiten, die genau wissen, was sie wollen... Weil ich in den letzten Tagen gleich zweimal die Rückmeldung bekommen habe, meine Blogeinträge seien ehrlich (danke, das sind sie tatsächlich) will ich es auch heute sein... Es macht mich traurig, von so vielen erfolgreichen Kindern zu lesen, weil ich nun nicht mehr aufhören kann, Henri mit ihnen zu vergleichen. Ich selbst wüsste gar nicht, was ich schreiben könnte, was mein Kind besonders gut kann, wo es anderen womöglich voraus ist. Wir haben dieses Kind einfach von Herzen lieb... und sind so froh, dass er bei uns ist. Er lebt sein Leben und ahnt gar nicht, was alles möglich ist/wäre, wenn wir Eltern ihn intensiver fördern (lassen) würden. Diese sorgenvollen und wehmütigen Gedanken mache ich mir, seit ich in dieser Down-Syndrom-er.leben-Gruppe mitlese und ich frage mich die ganze Zeit, ob ich Henri in den ersten Jahren etwas vorenthalten habe. Als die Zeit für GUK (Gebärdenunterstützte Kommunikation) gewesen wäre,  war Henri noch mehr im Krankenhaus als zu Hause. Er hat die ersten Jahre sehr kämpfen müssen, das erste Jahr ums Überleben - und wir mit ihm. Seine Förderung war beschränkt auf Frühförderung, Logopädie und Physiotherapie - er war nie voraus, er war hintendran - in allen Bereichen. Als wir vor 13 Jahren unser Haus gebaut haben - Henri war 3 Jahre alt - haben wir behindertengerecht gebaut, weil nicht klar war, ob er je laufen lernen würde. Er war 18 Monate, als er frei sitzen konnte und fünf, als er seine ersten freien Schritte machte. Ich war damals überglücklich und bin der Petö-Förderung bis heute dankbar, dass es doch noch gelungen ist. Mit fünf konnte er auch zum ersten Mal feste Nahrung essen - bis dahin ernährte er sich von Brei und Joghurt. Seit diesem Jahr kann er richtig schwimmen - nach jahrelangen und unzähligen Schwimmkursen kann er es jetzt tatsächlich und ich bin so froh über dieses Stück Selbständigkeit. All die Jahre habe ich Henri immer mit sich selbst verglichen - voller Dankbarkeit über jeden Entwicklungsschritt, der zuvor kaum erreichbar schien. Und heute Abend sitze ich hier und kann nicht mehr aufhören, an die vielen erfolgreichen Kinder und Eltern zu denken... Ich muss mich selbst zur Ordnung rufen, aufzuhören mit diesem Vergleichen. Ein erster Schritt wird nun sein, aus diesem Austausch, der mir nicht gut tut, auszusteigen. 

Vielleicht sollte ich für diejenigen, sie uns (noch) nicht so kennen, erwähnen, dass Henri bei uns zu Hause (natürlich) nicht sich selbst überlassen ist. Fast jeden Nachmittag üben wir lesen und schreiben - für mich die wichtigsten Fähigkeiten, damit er später ein einigermaßen selbstständiges Leben haben kann. Der Unterschied zu vielen anderen Kindern mit Down-Syndrom ist nur, dass dieses Üben auf einem ganz anderen Niveau stattfindet. Wir arbeiten immer noch mit Büchern und Heften der Klasse zwei und drei. Dabei üben wir auch das Sprechen, deutlich und in ganzen Sätzen. Henri spricht auch tatsächlich viel besser als noch vor ein/zwei Jahren ... und doch deutlich schlechter als andere Kinder mit Down-Syndrom. Henri spielt auch Klavier, seit über vier Jahren. Fast jeden Tag üben wir zusammen - mit viel Disziplin, er und ich ... mit viel  Freude (und immer wieder Wasser in den Augen)! Dass er mittlerweile Für Elise (eine leichte Version) spielt, rührt mich mehr als dass es mich stolz macht. Stolz ist die Klavierlehrerin ;-) Henri ist ist ihr erstes behindertes Kind und anfangs war es auch mehr ein Versuch, als sie Henri nach Amelies Unterricht  jeweils 15 Minuten unterrichtet hat. Heute ist das Klavierspiel neben dem Fahnenstehen ein wichtiger Teil von Henris Alltag. 

Ach, und dann war heute auch noch der Geburtstag vom besten Bruder Elias - er erste, den er sozusagen als Gast bei uns zu Hause gefeiert hat. Seit Oktober studiert er in Heidelberg und genießt sein Studentenleben so, dass man fast neidisch werden könnte ;-) Nachdem er gefahren war, hat Amelie ein paar Tränchen verdrückt, weil jetzt nur noch so wenige da sind. Ich verstehe sie so gut - jahrelang waren wir als Großfamilie unterwegs und nun sind wir die Woche über nur noch zu dritt. Von sechs auf drei - am Wochenende vier -  ... auch daran muss man sich gewöhnen.

Und morgen sind wir beim Sanitätshaus zur Korsettanprobe - wieder eine  Herausforderung. 

 

 

 

 

 

12. November 2017 - Elias feiert seinen 20.Geburtstag

Er hat zwei Freude mitgebracht und wir machen zusammen den vertrauten Spaziergang durchs Wiesental. Wenn ich das Bild so betrachte, fällt mir doch noch eines ein, was Henri vermutlich besser kann als anderen ... Fahnenstehen und Fahnengehen ;-)

Und Mond beobachten auch. Und Wolken beobachten und wissen, wann Regen kommt!  ❤️

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mittendrin in der Schweiz - Loslassen (2/2) - Ist oder wird mein Kind behindert?

Auch am am nächsten Tag steht wieder eine Wanderung an - für Henri mit Oma und Opa soll sie durch Benutzung des Buses deutlich verkürzt werden. Treffpunkt ist immer um 10.00 Uhr - ganz gleich, welcher Gruppe man sich später anschließt. Auch die Busfahrer treffen sich um 10.00 Uhr. 

Heute will Henri sich nicht anziehen. Will nicht wandern. Scheinbare Bewegungslosigkeit und immer nur Will nich wandern  – derweil tickt die Uhr, der Druck steigt. Mutter hilflos, Vater wütend. In letzter Sekunde springt Henri in die Kleider. Die Aussicht für die nächsten Tage ist beklemmend: Was tun, wenn Dirk übermorgen wieder abreist? Wie bekomme ich ihn morgens zum Treffpunkt, wenn er was ganz anderes will? Wie verhalte ich mich, wenn Henri sich bei einer Wanderung auf den Boden setzt und 20 Leute darauf warten, dass es endlich weitergeht? Wohin mit den guten Ratschlägen... Auf der einen Seite mein Willnich – auf der anderen Seite die Gruppe. Wir kommen pünktlich zum Treffpunkt und alle sind betroffen, als ich sage, dass ich - so wie es jetzt aussieht - übermorgen mit Henri zusammen mit Dirk abreise. Natürlich bieten einige ihre Hilfe und Unterstützung an - meine Eltern, mein Bruder und Familie, aber auch andere, die sich Henri in den ersten Tagen sehr fürsorglich und liebevoll angenommen haben. Auch heute gibt es immer wieder kritische Momente und die Situation  bleibt sehr anstrengend - Henri ist unzufrieden und blockiert. Dennoch bekommt ihn der coole Förderlehrer zwischenzeitlich auch zum Lachen, als er auf dem Saas-Feer Grillplatz mit ihm zusammen eine Aufführung vor großem Publikum machen darf.

Auf dem Heimweg gebe ich mir Zeit, meine Beweggründe und die Entscheidung, den Urlaub in der Halbzeit abzubrechen, nochmals für mich zu überdenken. Dabei wird mir ziemlich schnell  klar, wie mein Gefühl der Überforderung entstehen konnte: Ich tat alles, um es beiden Seiten recht zu machen ... jedoch leider ohne Erfolg. Wie gerne würde ich Henri in seinen Bedürfnissen annehmen und mich gleichzeitig den anderen so anpassen, dass ich sie nicht behindere! Erst in der Stille spüre ich, dass dies nicht zu schaffen ist - auch nicht mit größtem Einsatz. In diesem Moment lasse ich los und Plan B entsteht: Ich werde bleiben und dabei sollen Henris Bedürfnisses im Vordergrund stehen. Es ist niemandem gedient, wenn ich permanent Druck auf Henri ausüben muss, um auf Biegen und Brechen ein Mitlaufen zu erzwingen. Als mir das klar wird, entspannt sich die Situation im Kleinen und später auch im Großen... 

In der zweiten Hälfte unseres Wanderurlaubs darf Henri mit mir und/oder den Großeltern ein eigenes und Henri-freundiches Programm haben. Das fängt schon mit dem Treffpunkt an: Wir stehen zwar zur üblichen Zeit auf, lassen uns aber nach dem Frühstück Zeit. Henri darf noch malen und Michel lesen und ich bearbeite in der Zeit Bilder. Wir verlassen das Haus zwar später, aber in Ruhe ohne Anspannung. Kein Henri, wir müssen :-).

In diesem Zusammenhang muss ich etwas loswerden, was ich immer wieder beschäftigt - es ist vermutlich  ein Gefühl gegen den Trend.  Kinder mit Down-Syndrom erleben schon seit längerem in der Öffentlichkeit eine enorme Aufwertung . Als ich mit Henri schwanger war, waren die Vorbehalte in der Gesellschaft viel größer als heute. Heute lachen sie einen von Plakatwänden an, sind Models für Modelabels, treten im Fernsehen auf ... vielfach ist zu lesen, dass diese Kinder gar nicht behindert sind, sondern nur behindert werden. Dazu passt auch, dass die Medien gerne Berichte von den wenigen (es sind tatsächlich sehr wenige!)  Menschen mit Down-Syndrom verbreiten, die Abitur und ein abgeschlossenes Hochschulstudium haben. Alles ist möglich heißt es da. Ich sage ehrlich, dass ich mein Kind und mich in diesem öffentlich propagierten Bild nicht wiederfinde. Ich bin offen und dankbar für alle Entwicklungsschritte und tue alles, um Henri ein möglichst eigenständiges Leben zu ermöglichen. Andererseits glaube ich nicht, dass ich seine Entwicklung ausbremse, wenn ich ausschließe, dass Henri einmal als Professor für Mathematik an der Uni unterrichten wird. Diesen Vorwurf musste ich mir kurz vor Henris Einschulung von einem besonders ambitionierten Montessori-Therapeuten machen lassen: Woher wollen Sie wissen, dass er nicht einmal Mathematik-Professor wird?  Ich bin sicher, heute würde er sagen, dass es ja kein Wunder ist, wenn Henri nicht über den Zahlenraum von 20 hinauskommt - die Eltern hemmen seine Entwicklung schon von Anfang am mit falschen/zu geringen Erwartungen. Die Aufwertung, die Menschen mit Down-Syndrom in den letzten Jahren erfahren haben,  erfolgt aber nicht nur über die höhere Einschätzung ihrer geistig-intellektuellen Fähigkeiten. Jeder ist verschieden klingt erst einmal schlüssig - wer will schon sein Kind in eine Schublade stecken (lassen)? Dennoch bin ich der Meinung, dass Henris Verschiedenheit eben doch eine andere als die seiner drei Geschwister ist. Diese Erkenntnis ist für mich in keiner Weise eine Abwertung meines behinderten Kindes. Ich habe im Gegenteil den Eindruck, dass ich Henri nicht gerecht werde, wenn ich diese besondere Verschiedenheit (ich weiß schon um die dieses Paradoxon) nicht anerkenne. Was wir in der Schweiz mit Henri erlebt haben, liegt eben nicht daran, dass Henri schlechter erzogen ist als seine Geschwister, wie es uns der o.g. Therapeut vor Jahren glauben machen wollte. Henri ist anders und braucht (übrigens nicht nur in Konfliktsituationen) einen entsprechend angepassten Umgang. Unsere anderen Kinder sind nicht immer gerne, sondern oft auch unter Protest gewandert. Keines hat sich jedoch mit reglosem Blick auf den Boden gesetzt oder gar gelegt. Was ich sagen will: Dieses neue öffentliche Bild von Kindern und Erwachsenen mit Down-Syndrom tut diesen Menschen und Familien nicht unbedingt einen Gefallen - es kann auch Druck erzeugen, der nach immer mehr Anpassung in Richtung einer vermeintlichen Normalität strebt. Da ist mir die gute alte kind- (klienten-)zentrierte Pädagogik nach Rogers wesentlich sympathischer. 

 

Und nun noch ein paar Fotos, nachdem Plan B wirksam geworden war :-).

 

 

11. Oktober 2017 - Kreuzboden über Saas-Grund

Der Druck ist weg: Was für eine Wohltat ... für uns beide! 

 

11. Oktober 2017 - Kreuzboden über Saas-Grund

Es macht so viel Freude, alleine mit Henri unterwegs zu sein. Ich bin erstaunt, mit wie viel Mut und wie sicher er über die Hängebrücke geht. Als wir am Nachmittag mit der Gondel runterfahren , ist die Stimmung gut wie lange nicht. Kein einziges Willnich höre ich an diesem Tag .

9.Oktober 2017 - Saas-Fee -Mällig und Gebidum 

 Henri ist mit Oma und Opa unterwegs und wir erleben auf einer langen Wanderung eine grandiose Natur! 

 

13. Oktober 2017 - Zermatt

Unseren letzten Urlaubstag verbringen wir mit Oma und Opa auf Sunegga über Zermatt. Henri darf Fahnenstehen und ist zufrieden :-)

 

 14. Oktober 2017 - noch einmal Kreuzboden

Während die anderen schon auf der Heimfahrt sind, genießen wir ein kleines Add-On auf Kreuzboden. Wir sind zu viert und als wir zum See gehen wollen,  braucht Henri einen Rückzug. Er setzt sich (in Sichtweite) neben den Kinderspielplatz und betrachtet das Spiel seiner Fahne... durchaus ausdauernd ;-) Geduldig warten wir bis er zu uns herüberkommt - mit der vertrauten versöhnlichen Geste ❤️.

Wie gut, dass Plan B umgesetzt werden konnte!  

 

Ein herzliches Danke an alle lieben Menschen, die beigetragen haben, dass wir eine gute und (letztendlich doch ;-) erholsame Zeit miteinander hatten! Danke, dass Henri mittendrin sein durfte!

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mittendrin in der Schweiz- eine Herausforderung (1/2)

Am liebsten hätte ich ich schon aus der Schweiz geschrieben... zunächst am ersten Tag noch voller Begeisterung nach dem Wiedersehen mit dem Wallis nach über 12 Jahren und am vierten Tag dann mit der Ankündigung, dass ich mit Henri früher abreise. Wir sind geblieben und das kam so: 

Am ersten Wandertag beeindruckt Henri zunächst mit seinem Lauftempo, das sich die ersten beiden Stunden fast dem der Gruppe (die mit ca. 20 Erwachsenen und Kindern nicht eben klein ist)  anpasst. Er bekommt viel Lob und die Gruppe trägt uns mit. Dirk muss während unseres Schweizaufenthalts arbeiten, er reist nur tageweise aus Offenburg an, sodass ich mir manchmal ein bisschen wie eine Einkindalleinerziehende vorkomme. Einkind weil ich die große kleine Schwester Amelie vor allem zu den Mahlzeiten sehe und sie unterwegs und am Abend vor allem die Freiheit unter Gleichaltrigen in vollen Zügen genießt.

Mit der Zeit - wir sind gerade am Anfang des Kapellenweges nach Saas-Fee- spüre ich Henris aufkommenden Unwillen, der sich auf der sprachlichen Ebene in der Regel zunächst in einem dahin gemurmelten Willnich äußert. Die erste Hälfte des Kapellenweges ist geschafft, als der Protest deutlicher wird und Henri sich schließlich auf den Boden legt. Die vertraute ungute Spirale kommt in Gang ... Bitte Henri, alle warten auf uns... Henri schaut teilnahmslos vor sich hin und alles, was er sagt, ist ein trockenes Willnich. Nach einer Weile bekomme ich Verstärkung ... viele Überzeugungsversuche und noch mehr Worte... mir kommen erste Zweifel, ob die Entscheidung mit Henri zum Wanderurlaub in die Schweiz zu fahren, eine gute (meiner Erholung dienliche) war. Schließlich sage ich, dass ich oben an der großen Kapelle, wo die anderen schon lange rasten, warte und gehe weiter, habe ihn aber selbstverständlich immer im Blick. Meine Geduld lohnt sich -  tatsächlich steht er nach einer Weile auf und kommt nach - langsam und immer wieder stehenbleibend. Henri geht ein wenig, bleibt stehen, setzt sich... Willnich... Bitte Henri, alle warten auf uns. Oben darfst du dein Brot essen... Irgendwann kommen wir tatsächlich an und werden freundlich empfangen. Und dennoch: Das Ganze kostet viel Kraft - erst ein paar Tage später wird mir klar, warum:

Ich stehe dazwischen: Auf der einen Seite das Kind, das partout nicht will und dessen Unwille umso stärker wird, je mehr er meinen Druck spürt. Auf der anderen Seite die Gruppe, die Familien, die immer wieder warten müssen, weil wir beide nicht hinterherkommen. Auch wenn alle verständnisvoll sind - ich fühle ich mich nicht gut damit, dass wir diese besondere Rolle haben, die von anderen viel Geduld und Rücksichtnahme fordert. 

 

 

 4. Oktober 2017 - auf dem Weg nach Saas-Fee

Helfende Hände sind immer da - von Kindern und Erwachsenen. Henri ist mittendrin und gut aufgehoben.

Unten rechts dann die erste Willnich-Situation.

  

 4. Oktober 2017

Geschafft - die Erleichterung steht ihm ins Gesicht geschrieben.

 

 

Für den zweiten Tag ist vereinbart, dass Henri des größten Teil des Tages mit Oma verbringt und wir uns am Gletschersee treffen. Unvorhergesehene Vorkommnisse erfordern ein Abweichen von der ursprünglichen Planung. Letztendlich sitze ich mit Henri und vielen Wanderwilligen an einem wunderschön gelegenen Bergbach, Henri wirft wie die anderen Kinder Steine in den Bach und alles scheint gut. 

 

 

5. Oktober 2017 - Saas-Fee  

Henri wird nicht müde, Steine in den Bach zu werden - er ist glücklich!

 

 Dann aber machen sich die anderen für einen weiteren Aufstieg bereit, der für Henri nicht zu schaffen wäre. Henri will nun aber  nicht mit mir, sondern mit den anderen gehen, für Argumente ist er nicht zugänglich. Natürlich hat er keine Einschätzung von dem anderen Weg und macht sich selbstverständlich auch keine Gedanken, dass er alle anderen abbremsen bzw. stoppen würde. Selbst das Argument, dass wir ja Oma und Opa treffen können und er dann mit dem Bus zurückfahren darf, zieht nicht. Willnich. Ich bin sicher, dass die Gruppe mich nicht allein mit einem scheinbar beweglosen Henri zurücklassen würde. Einerseits schön, andererseits fühle ich mich sehr unter Druck, die Situation möglichst bald so zu lösen, dass die anderen aufbrechen können. Es vergeht eine halbe Stunde bis einer von ihnen Henri bewegen kann ... er ist wohl der Coolste von allen: Er macht nicht viele Worte, sondern verspricht Henri eine gute (coole?) Zeit, wenn wir unten sind. Und Henri lenkt ein! Der Wohltäter ist übrigens nicht nur Musiker, sondern auch Förderlehrer... anscheinend hat er den richtigen Ton getroffen und ich bin ihm so dankbar, dass er diesen Druck von mir genommen hat. 

5. Oktober 2017 - Saas-Fee

Die Brücke: Ich stehe links - Henri rechts... eine halbe Stunde scheint keine Bewegung möglich.

Am Ende haben wir es dann doch geschafft ... mit Oma und Opa sind wir auf dem Weg nach Saas-Fee. 

 

 

 

6. Oktober 2017 - Höhenweg Saas-Grund - Saas-Fee

Am nächsten Tag ist auch Dirk wieder zurück und wir dürfen eine richtig schöne Wanderung machen – Henri hat einen schönen Tag mit Oma und Opa. 

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"Das ist schon sehr heftig." ( X 3)

Gestern war unser erster Termin beim Orthopädietechniker: Das Erstgespräch, damit der Antrag auf Bewilligung eines Korsetts sobald wie möglich bei der Krankenkasse gestellt werden kann.

Wir wertvoll und erbaulich sind doch positive Einschätzungen und Prognosen   - so wie letzte Woche die der erfahrenen Kinderorthopädin aus Hannover. Frau Kamping sagte, mit dem Korsett und der entsprechenden Compliance sei sogar eine Entwicklung in eine positive Richtung möglich - also nicht nur Erhaltung des Zustands, sondern Verringerung der Krümmung.  

Für den Techniker, der Henris Korsett anfertigen wird, war Henri natürlich nicht der erste Morbus-Scheuermann-Patient. Das ist schon sehr heftig war seine Einschätzung, nachdem er Henri angeschaut hatte und Henri braucht (!) ein Korsett. Dass Henris Wirbelsäule nun in einem Zustand ist, bei dem es ganz offensichtlich keine andere Option als ein Korsett gibt (ob nun zur Verbesserung des aktuellen Zustands oder auch nur, um eine weitere Verschlimmerung zu Vermeidung) ist heftig.

Genauso heftig finde ich, dass jahrelang keiner der behandelnden Ärzte einen konkreten Behandlungsbedarf gesehen hat. Ich habe bestimmt kein realitätsfernes Bild von Ärzten - klar kann nicht jeder über jedes Krankheitsbild informiert sein. Dass aber ein seit vielen Jahren niedergelassener Orthopäde im Rahmen einer mittlerweile eineinhalbjährigen "Behandlung" die Option eines Korsetts nicht einmal in Erwägung zieht, kann ich nicht nachvollziehen. Erst als Dirk ihn nach dem Hinweis meines Heilpraktikers darauf angesprochen hatte, verwies er auf die Kinderorthopädin als Ansprechpartnerin. Deren Adresse hatten wir mittlerweile aber schon vom Kinderarzt. In den letzten eineinhalb Jahren ist wertvolle Zeit verstrichen - Morbus Scheuermann ist im Sinne einer Verbesserung nur behandelbar, solange der Patient noch im Wachstum ist. 

 

Heftig ist für mich auch die Herausforderung, positiv mit all dem umzugehen - Selbstvorwürfe und Vorwürfe nicht nur aus dem Kopf zu streichen sondern auch auf einer tieferen Ebene loszulassen.

 

Nicht ganz so heftig, aber ebenfalls traurig ist, dass gestern mit einem einzigen Klick (und einem zur Bestätigung) sämtliche Gästebucheinträge verschwunden sind. Es sind nur noch die Einträge da, die ich selbst "von Hand" aus der.kleine.henri übertragen hatte. Dabei wollte ich doch nur einen Spameintrag irgendeiner Internetapotheke löschen. Vielleicht mag ja der/die eine oder andere einen Eintrag/Gruß im neuen Gästebuch hinterlassen - ich freue mich sehr, wenn es sich langsam wieder füllt :-).

 

Heute geht es nun auf in die Schweiz - mit der Großfamilie (Oma, Opa, Tanten, Onkel, Cousinen und Cousins) in ein kleines Dorf im Wallis, wo ich die Herbstferien meiner Kindheit und Jugend verbracht habe. 

 

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Morbus Scheuermann - dritter Anlauf

Zusammenfassend die Vorgeschichte für diejenigen, die noch den Verlauf nicht kennen. Schon seit Jahren war uns Henris krummer Rücken aufgefallen. Es sah und sieht - je nach Haltung - oft richtig gruselig aus ... siehe das Foto rechts im Schwimmbad. Jedoch hatte keiner unserer bis dahin behandelnden Ärzte einen besonderen Handlungsbedarf gesehen  ... Schwache Muskeln gehören zum Down-Syndrom dazu und daraus resultiert eine schlechte Haltung ... und ich habe ausnahmsweise (!) mal nicht nachgehakt ;-) Man lege es mir nicht als Ärzteschelte aus - wie ich gesehen habe, wird ein Morbus Scheuermann oft spät erkannt, weil er vor allem in der ersten Zeit von einer muskulär bedingten schiefen Haltung nicht klar zu unterscheiden ist. Gleichzeitig bestätigt es mich in meiner Haltung, Diagnosen und Therapien im Rahmen meiner Möglichkeiten zu hinterfragen und gegebenenfalls auch eine Zweit- oder Drittmeinung einzuholen. Was Henris komplexen Herzfehler betrifft, ist es für mich mittlerweile selbstverständlich nachzufragen ... beim Rücken habe ich es verpasst. Leider hat Henri mittlerweile eine Kyphose (Krümmungsgrad) von ca. 72/73°. Was über 50 ° liegt, ist behandlungsbedürftig. Aber der Reihe nach: 

Im letzten Frühjahr las ich in der Tageszeitung von dem Kid-Check, einer Reihenuntersuchung  in der hiesigen Uni-Klinik, bei dem man seine Kinder und Jugendliche von Orthopäden und Sportmedizinern checken lassen kann. Sofort habe ich Amelie und Henri angemeldet und dabei auch gehofft, dass mir nun von Fachleuten bestätigt wird, dass Henris Rücken keiner besonderen Behandlung bedarf. Das erste, was der Leiter der Studie zu mir sagte, war Morbus Scheuermann, das wissen Sie...? ... aus allen Wolken gefallen, wäre übertrieben, denn mein ungutes Gefühl hatte mich letztendlich diese Untersuchung getrieben. Hier ist der (offizielle, sprich aktenkundige) Beginn der Morbus-Scheuermann-Thematik nachzulesen.  

Umgehend habe ich unseren Kinderarzt kontaktiert, der uns an einen Orthopäden vermittelt hat. Auch dieser Arzt  erkannte den Morbus Scheuermann mit bloßem Auge, verifizierte die Diagnose dann aber noch mit Hilfe eines Röntgenbildes. Er war relativ unaufgeregt, meinte auf Nachfrage, man könne es mit Physiotherapie versuchen. Allerdings gäbe es für diese Krankheit keine Besserung - durch gute Haltung, Bewegung und den richtigen Sport könne man allenfalls verhindern, dass es schlimmer wird. Was für eine Perspektive :-(  ! Als Sport schlug er - auf Nachfrage hin -  Schwimmen vor. Seitdem hat Henri einmal in der Woche Physiotherapie und geht zweinmal die Woche im Schwimmverein schwimmen. Positiver Nebeneffekt: Er ist ein sehr guter Schwimmer geworden, jedenfalls habe ich keine Chance mehr neben ihm ;-).

Ich kann nicht sagen, ob der Scheuermann durch diese Maßnahmen nun in seinem Fortschreiten gebremst werden konnte. Ich versuchte, mich nicht verrückt zu machen und mich nicht an etwas aufzureiben, was nicht zu ändern ist. Letztendlich ist es unerheblich, ob ich mir Sorgen mache oder nicht ... dachte ich mir angesichts der Einschätzung des Orthopäden. Zumal ich alles, was ich tun konnte, gemacht bzw. angeleiert habe: Physiotherapie läuft, zweimal die Woche Schwimmen auch und regelmäßige Ermahnungen, er solle bitte gerade sitzen, stehen, gehen, sind Alltag.

Und dennoch bin ich in der letzten Zeit wieder unruhig geworden und habe bei meinem Heilpraktiker und Berater erstmals von der Möglichkeit eines Korsetts gehört... Fachfremd, ich weiß ... aber er brachte den Stein ins Rollen und dafür bin ich ihm dankbar. Wieder bin ich zum Kinderarzt und sprach ihn auf ein Korsett an. Er habe zwischenzeitlich eine Kinderorthopädin aus Hannover kennengelernt, die er uns sehr empfehlen könnte. Sie sei in dieser Frage sicher die beste Ansprechpartnerin, denn sie sei nicht nur Fachärztin für Kinderorthopädie, sondern auch für Down-Syndrom. Als wir dann die Röntgenbilder bei Henris Orthopäden abholten, sprach auch er uns auf diese Kinderorthopädin an, die er bei einem Vortrag kennengelernt hatte. Jetzt auf einmal tat sich eine neue Perspektive auf. 

Nach einer Wartezeit machten wir uns vorgestern auf den Weg nach Hannover. Wir haben es nicht bereut, ganz im Gegenteil. Frau Kamping erwies sich als echte Spezialistin: Schon im Vorgespräch und bei der Untersuchung war klar, dass Morbus Scheuermann für sie vertrautes Terrain ist - alles richtig gemacht :-). Wir haben lange gesprochen, viel gefragt und sind mit einer neuen Perspektive nach Hause gefahren. Man kann ein Korsett nicht nur versuchen, Henri braucht ein Korsett. Wie oben schon geschrieben, ist die Kyphose mit über 70 ° ziemlich heftig. Wir haben nun ein Rezept für ein Reklinationskorsett, dass Henri die nächsten 3-5 Jahre Tag und Nacht begleiten soll.

Gedanken wie Was wäre (gewesen) , wenn man  ... hätte? versuche ich  nun konsequent beiseite zu schieben... Sie sind ja nicht hilfreich, um Henri jetzt bestmöglich zu unterstützen. Soeben habe ich den ersten Termin mit einem Orthopädietechniker gemacht. Hoffen wir, dass Henris innere Stärke ihm auch weiterhin beim Durchhalten und auf-die-Zähne-beißen hilft. (Alt weiter!)

 

 

 

Links die Röntgenaufnahme vom Juni 2016  - rechts ein Schnappschuss beim Schwimmen im Mai 2017.

 

 

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Wie schön, dass du geboren bist!

Wie schön, dass du geboren ist, lieber Henri! Seit 15 Jahren begleiten wir dich auf deinem Weg und sind dankbar, deine Familie sein zu dürfen, dich in unserer Mitte zu haben!

 

Wer hätte vor 15 Jahren ahnen können, wie viel Freude und Glück du mitbringen würdest...

 

Schön, dass du da bist, du großer Junge! Ganz viel Liebe und Freude zu deinem Geburtstag wünschen wir dir!

 

2002 - 2005 ... die ersten Lebensjahre 

 

 

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Nicht nur eine Schrecksekunde

Es war mehr als nur eine Schrecksekunde gestern im Luisenpark.

Schon seit Jahren macht Henri auf Spielplätzen einen großen Bogen um diese Stangen, an denen man von einem Klettergerüst aus mehr oder weniger großer Höhe nach unten rutschen kann. Weil ich selbst einen ziemlichem Respekt davor habe (man muss den festen Boden unter den Füßen für einen klitzekleinen Moment loslassen und darauf vertrauen, dass die Kraft in Armen und Beinen ihn ersetzt), hatte ich bisher auch nie versucht, Henri dazu zu überreden. Gestern nun stellte er sich in der Schlang an und, obwohl mir nicht besonders wohl dabei war, habe ich ihn in seinem gefassten Mut bestärkt. Oben angekommen hat er kurz gezögert, andere Kinder vorgelassen, hat losgelassen und ist sicher "gelandet". Es war für ihn wohl ein mindestens genauso erhebendes Erlebnis wie für mich - er hat es geschafft! Menschen, die die Szene beobachtet hatten, haben ihm applaudiert... Verständlich, dass er dieses Glücksgefühl wiederholen wollte.

Beim zweiten Mal zögert er sehr viel länger ... tritt vor und zurück... ich kann nicht...  lässt andere Kinder vor, schreit immer wieder, wir sollten weggehen: Papa, weg! ... ganz weg... So geht das eine ganze Weile... Wie könnte ich in diesem Moment sagen, dass er am besten wieder nach unten klettern soll!?! Ich bestärke ihn weiterhin, freue mich auf ein weiteres Erfolgserlebnis und irgendwann überwindet er seine Furcht und lässt los. Dabei "vergisst" er die Beine, hält sich nur mit den Händen, und das auch nicht besonders geschickt... Mit einem kurzen Aufschrei  landet zwar auf beiden Füßen, aber solo schnell ist vermutlich noch keiner diese Stange runtergerutscht, es war eher ein leicht abgebremster freier Fall. Danach ist er einige Sekunden wie versteinert, wendet sich ab und zieht sich zurück, beginnt dann laut zu schreien ... alle böse!!! schreit er, zieht seine Schuhe aus und wirft sie, so weit er kannWir lassen ihn gewähren, in diesem Zustand ist jeder Versuch einer Annäherung zwecklos und verärgert ihn nur noch mehr. Als ich mich hinsetze, kommt eine Einkindmama auf mich zu ... Helikopter ! ... Dabei hat er es beim ersten Mal so gut gekonnt ... und macht mich mit ihrem schlauen Kommentar noch sprachloser und erst im Nachhinein ärgerlich. Helikopter? Hätte ich ihr die Möglichkeit gegeben und mich nicht abgewendet, hätte sie mir sicher eins zu eins weitergegeben, was sie bei Eltern  gelesen oder im Starke-Kinder-Eltern-Seminar gelernt hat. Woher soll sie auch wissen, dass drei unserer Kinder diese Stangen von Anfang an genauso gut und sicher wie ihr Sohn gerutscht sind?Für diese Mutter war die Lage offensichtlich ganz klar: Helikopter-Mama bremst ihr behindertes Kind aus.  Mir fällt der Kurzfilm ein, den ich mir selbst immer wieder vor Augen halte, wenn ich dazu neige, jemanden zu be- oder gar verurteilen. Was wisst ihr denn eigentlich davon? 

Irgendwann setzt sich Henri zurück in unsere Nähe und beginnt laut zu schluchzen. Mit etwas Abstand knie ich mich vor ihn hin und bin froh, dass er die Nähe zulässt. Dann bricht es aus ihm heraus: Ich will nicht Krankenhaus ... ich will nicht Krankenwagen ... ich will nicht sterben...  Ruhig antworte ich ihm, dass er nicht ins Krankenhaus und auch nicht sterben muss. Dann schlage ich ihm vor, dass er es - nur, wenn er möchte - an einer kleineren Stange nochmals versuchen kann. Sofort erhellen sich seine Züge und er fragt Wooo??? Also gehen wir zusammen zu einem kleineren  Kletterhaus, wo Henri zweimal rutscht.  Zuvor jedoch wiederholt er, was er  mir ein paar Minuten zuvor unter lautem Schluchzen gesagt hatte...  Ich will nicht Krankenwagen  und ergänzt Ich will nicht Spritze, ich will nicht Infusion... Ich nehme ihn ganz fest in den Arm und versichere ihm , dass kein Krankenwagen kommt, er nicht ins Krankenhaus muss und auch keine keine Spritze bekommt... und dann fragt er sehr ernst Und sterben? ... Sterben auch nicht, du kannst ruhig rutschen. Dann rutscht er wieder, diesmal die kleine Stange hinab, zaghaft und aus der Hocke heraus. Und ich bin froh, dass dieser Vorfall ihm den Mut nicht genommen hat.   

 

 

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So ging es weiter ...

Seit der Zirkumzision im März gab es hier im Blog nichts zu lesen. Es geht Henri und uns gut ... das übliche Auf und Ab und Hin und Her. Jedoch gab es  - abgesehen von einem kleinen Schwächeanfall an einem heißen Sommertag -  nichts, was Anlass zu besonderer Sorge gegeben hätte. Dafür deutliche Entwicklungsschritte - in jeder Hinsicht. Henri ist nicht nur gewachsen (ich glaube, er hat mittlerweile, mit knapp 15, schon fast die Größe, die man uns vor vielen Jahren als "Endgröße" prophezeit hatte), sondern auf dem besten Weg zu einem Teenager - nein, er IST einer. Wie so vieles, was ich mir zu Beginn meiner Elternzeit  kaum hätte vorstellen können, ist es jetzt auch mit einem pubertierenden Downie. Man wächst tatsächlich hinein in die immer neuen Herausforderungen ;-) 

 Je länger mein letzter Eintrag zurücklag, umso schwerer tat ich mich mit der "Wiederaufnahme" des Blogs. Immer wieder habe ich es verschoben - spätestens während unseres Sommerurlaubs sollte doch Gelegenheit sein, stellte ich mir vor... Heute nun ist der letzte Abend und wenn ich jetzt nicht schreibe, dauert es wohl bis zu den Herbstferien. Henri darf derweil Pippi sehen - ein über den anderen Abend legt Marie die DVD  für ihn ein ... wenn nicht besondere Vorkommnisse im Laufe des Tages dies nicht aus erzieherischen Gründen unmöglich machen ;-)

 

Als roter Faden für den heutigen Eintrag sollen mir die Fotos der vergangen Monate dienen.  

 

Ich starte im April mit einer Collage von einem unserer Sonntagsausflüge und schließe mit ein paar aktuellen Urlaubsfotos. 

April 2017 - Fasanerie in Zweibrücken

Seit Jahren machen wir jeden Sonn- und Feiertag eine kleine oder auch größere Wanderung/ einen Ausflug und natürlich ist Juri (Mutter: Der arme Hund muss bewegt werden.) ein unschlagbares Argument, dem nichts entgegenzusetzen ist. 

 

 

25. April 2017 - Down-Sportlerfestival in Frankfurt

Seit Monaten freut sich Henri auf das Down-Sportlerfestival in Frankfurt, dem ich eigentlich einen eigenen Blogeintrag widmen wollte - es ist eine wirklich tolle Veranstaltung und ich kann Henris Vorfreude gut verstehen. Die Geschwisterolympiade bietet auch Geschwistern die Möglichkeit, aktiv dabei zu sein und nicht  - wie es im Alltag leider viel zu oft vorkommt - im Hintergrund zu stehen.

 

 

Mai 2017 - der große Henri I

Zwei Bilder vom großen Henri: Links sitzt er vor einer Umkleidekabine, nachdem er zuvor bei Tchibo eine kurze Jeans und ein T-Shirt bekommen hat. Eigentlich brauchte er nur eine Jeans, aber als ich mich kurz umdrehte, nahm er blitzschnell das T-Shirt aus dem Regal und verschwand damit in der Kabine: Kaufen! Den Gefallen habe ich ihm gerne getan - für mich ist es ein Stück Normalität, dass er in letzter Zeit  "cool sein" will - ein ganz neuer Zug, der sich auch zeigt, wenn er immer wieder die gleichen Sachen aus seinem Schrank nimmt :-). Rechts sieht man ihn beim Zahnarzt - und immer wieder denke ich an die ersten Besuche beim Zahnarzt und Kieferorthopäden zurück, bei denen ich noch gefürchtet hatte, dass alle zukünftigen Behandlungen unter Vollnarkose stattfinden müssen. Es ist oft nicht einfach:  Das letzte kleine Drama war das Erneuern des Zahnspangendrahts und erste Einsetzten der Gummis beim sog. Kieferotto, aber mit viel Geduld  haben wir bisher alle Behandlungen hinter uns gebracht.

 

 

20. Juni 2017 - fast schon ein Déjà-vu

Als Angela, Henris Integrationshelferin, eine Nachricht schickt, bin ich nicht weniger erschrocken als die letzten Jahre. Die Begleitumstände sind immer gleich. Ein heißer Sommertag und Henri hat wieder einmal nicht so viel getrunken, wie es nötig wäre. Nun legt er in der Schule den Kopf auf die Bank, mag nicht essen (was ganz, ganz selten vorkommt!) und auch nicht reden - er ist so apathisch wie Angela ihn nie erlebt hat. Die beiden gehen erst einmal in die Insel (eine Art Entspannungsraum), wo Angela ihn zum Trinken anhält ... wir sind in ständigen Kontakt ...  aber Henri mag sich nicht erholen. Also hole ich ihn ab und zu Hause willigt er ein, Mittagsschlaf zu machen. Zu diesem Zeitpunkt ist er bereits wieder "aufgefüllt" - so sagen sie in der Klinik dazu, die ich dieses Jahr zum ersten Mal nicht kontaktiere. Hätte er nicht den Schrittmacher, wäre es mir wohl zu riskant gewesen. Nach zwei Stunden habe ich ein Kind "wie neu": Er isst einmal sein Pausenbrot und strahlt - und wieder einmal muss ich die Tränen der Erleichterung zurückhalten. Gut gegangen! Henri scheint mir zu neuem Leben erwacht, als er Juri fast glückselig zu ein paar Selfies nötigt. Auch später beim Lernen ist er motiviert wie lange nicht.