Alltag, Geburtstag, Sonntag

Es war wie jedes Jahr - der Alltag mit Schule, Förderung, Therapien, Turnen und Klavierunterricht  hatte uns ganz schnell wieder im Griff. Nachdem die 21-Tage-Spanien-Wäsche nach 5 Tagen Dauerbetrieb endlich gewaschen (natürlich nicht gebügelt) war, stand Henris Geburtstag an. Jeder Geburtstag ist wichtig - aber Henris haben trotzdem eine besondere Qualität. Wenn meine Gedanken wie bei jedem Kind an die Zeit vor und nach der Geburt zurückgehen, ist da viel mehr als Vorfreude auf das Baby und Freude, dass es endlich da ist. Zum Beispiel die Erinnerung an die Erfahrungen mit der Pränataldiagnostik, an die Geburt, unter der die Herztöne  abgefallen sind und wir uns in Sorge um das Kind nicht erst in letzter Minute für den Kaiserschnitt entschieden haben, an Henris erste Lebenswochen auf der Intensivstation, an die erste Herz-OP im Alter von 3 Monaten und die vielen Aufs und Abs im Laufe der letzten 14 Jahre. Im Rückblick frage ich mich manchmal, wie ich diese vielen kritischen Phasen überhaupt aushalten konnte, wie es möglich war, als Familie einigermaßen heil hindurchzukommen. Wir hatten viel Hilfe und Unterstützung in diesen Jahren, wo es für Henri oft ums Überleben ging...  vor allem von der lieben Oma, die Großartiges für Marie und Elias - unsere mittlerweile erwachsenen Kinder - geleistet hat. Während wir an Henris Bett saßen, gab sie den beiden ein zweites Zuhause und unterstützte uns bei unseren Fahrten zwischen Haus, Klinik, Schule und Kindergarten.

Im Urlaub haben wir mit Marie und Elias über ihre Erinnerungen an diese Zeit gesprochen - Hintergrund war eine Anfrage von Talentino, einem gemeinnützigen Netzwerk für Eltern, Kinder, Geschwisterkinder mit vielen Angeboten für Familien in ganz unterschiedlichen Lebenssituationen. Ich war  verwundert, als beide sagten, sie hätten nur wenig Erinnerungen an die langen Klinikphasen. Vielmehr erinnerten sie sich, wie Oma sie regelmäßig an Schule und Kindergarten abgeholt hatte, sie im Blumengarten die mitgebrachte Suppe oder ein anderes Picknick genossen haben, wie Oma mit ihnen zum Ballet gefahren ist und Hausaufgaben mit ihnen gemacht hat. Wir haben es wohl vor allem Omas Einsatz haben zu verdanken, dass unsere schlimmsten Zeiten für die großen Kinder mit vielen positiven Erlebnissen verknüpft sind. Amelie dagegen ist das Gefühl, zu kurz zu kommen, sehr vertraut - sie hatte und hat wohl am meisten darunter zu leiden, dass Henri mehr Aufmerksamkeit braucht als sie und ihre Geschwister.  

Hat sich dieser lange und oft schmerzhafte Weg gelohnt? Manchmal liest man die Frage, ob es sich denn "lohnt", das eigene Leben so sehr den Bedürfnissen eines Kindes anzupassen. Für uns hat dich diese Frage nie gestellt -  zumindest in dieser Beziehung ist Henri ein Kind wie alle anderen auch. Ich würde mich ja bei unseren nichtbehinderten und gesunden Kindern auch nicht fragen, ob es sich lohnt, sie zu begleiten und zu unterstützen, wenn es ihnen - aus welchem Grund auch immer - auf einmal nicht mehr gut ginge. Aber  wenn wir denn Sorgen in die eine Waagschale und Freude in die andere werfen würden, könnten wir guten Gewissens sagen, "ja, es hat sich gelohnt!" ... Ganz zu schweigen von dem, was dieses Kind - ganz unabhängig vom Freudenschenken :-)  - mit uns gemacht hat. 

Im Gegensatz zu den ersten Jahren ist Henri mittlerweile weitgehend stabil und die Frequenz der Dramen hat deutlich abgenommen - letzte Woche erst bin ich mir dessen bewusst geworden, als ich mich an den letzten Vorfall von vor 2 Jahren erinnert habe. Zwei Tage später war es dann leider wieder einmal soweit ... am Sonntag waren wir im Schwimmbad und Henri ist nicht nur geschwommen (er kann jetzt wirklich und ganz in echt schwimmen! :-), sondern vor allem gerutscht, gerutscht und gerutscht. Ich war zwar nicht direkt an seiner Seite, hatte ihn aber immer im Auge, wie man bei uns im Saarland sagt. Irgendwann fiel mir, als Henri gerade mal wieder oben stand, ein hellrot leuchtender Fleck auf seiner Brust auf ... Nachdem er gerutscht war, winkte ich ihn aus dem Wasser und er fing sofort an zu schreien, weil er wohl mitbekommen hatte, dass er sich verletzt hatte, aber keinen Grund sah, aus dem Wasser zu kommen. Die rote Stelle war ein Hämatom, dass er sich beim Rutschen zugezogen hatte und da die Brust nicht offen war, gab es zunächst keinen Anlass zur Aufregung. Dennoch hatten wir eine Riesenszene am Schwimmbadrand, die alleine schon aufgrund der Schreierei die Aufmerksamkeit der Besucher auf sich gezogen hat. Als Dirk dann aber bemerkte, dass Henris Brustbein "irgendwie schief und verzogen ist - noch mehr als sonst" war es mit meiner inneren Ruhe vorbei, denn mir kam es ganz genauso vor - ich wollte nur so schnell wie möglich in die Klinik . Weil Henri absolut nicht bereit war, sich vom Becken zu entfernen, haben wir ihm den "Notarztwagen mit Tatütata" in Aussicht gestellt - "der oder der Clio". Ein überzeugendes Argument und so haben wir uns dann 20 Minuten später in der Notaufnahme vorgestellt. Henri hatte große Angst - seit seiner letzten OP vor 4 Jahren ist er traumarisiert und es gibt für ihn nichts Schlimmeres als Spritzen und Infusionsstangen. Dass er selbst eine echte Infusionsstange zu Hause hat, die regelmäßig bei dem Hasi in Einsatz ist, ist das Ergebnis zäher Verhandlungen, bei denen er sich letztendlich durchgesetzt hat. Eine lange Zeit hatte er sich nichts sehnlicher gewünscht als eine Infusionsstange - man könnte meinen, sein Begehren sei einem unbewussten Wunsch nach systematischer Desensibilisierung entsprungen. Wenn es so war, hat sich die Methode aber  bislang als wenig erfolgreich gezeigt.

Der aufnehmende Arzt war ein ganz besonders netter - schon  nach wenigen Minuten war die Situation deutlich entspannt ... bei Henri, aber auch bei mir :-) Solche Ärzte sind ein Segen - sie und noch weniger die anderen - können sich vermutlich nicht vorstellen, welch große Wirkung ihr Umgang, ihre Bemerkungen und Blicke auf Kinder und ihre Eltern haben. Danke, lieber Doktor Bay - Sie waren klasse! Und an dieser Stelle auch danke an die Schwestern auf KO3, die - wie ich gehört habe ;-) - hier mitlesen und uns seit 14 Jahren begleiten.

Henri wurde sorgfältig untersucht und auch geröntgt und es hat den Anschein, dass das Brustbein nicht verzogen war - jedenfalls nicht aufgrund des Vorfalls auf der Rutsche, sondern im Rahmen eines deutlichen Wachstumsschubes, der sich in den letzten Monaten vollzogen hatte. Die Ärzte konnten uns glaubhaft versichern, dass das Brustbein weder gebrochen noch verletzt war. Dass es in seiner schon bestehenden Deformierung mittlerweile eine etwas andere Form angenommen hat, ist uns anscheinend erst aufgefallen, als wir unseren Blick ganz bewusst auf Henris Blick gerichtet hatten.  

Also: Entwarnung, Erleichterung und der feste Vorsatz, den Blick verstärkt auf die wesentlichen Dinge zu richten .

 

 

11. September 2016

Gedrückte Stimmung bei der Aufnahme ... Erleichterung nach der ersten Untersuchung

 

 

Und jetzt noch ein paar Eindrücke von Henris Geburtstagsfeiern ... meine Gedanken zu Henris Entwicklung (und deutlichen Schritten in Richtung Pubertät) stelle ich für den nächsten Eintrag zurück.

 

28. August 2016

Geburtstagsständchen am Bett - von Henri liebevoll Höhle genannt.

 

 

28. August 2016

Auspacken der (streng nach seinen konkreten Wünschen ausgewählten) Geschenke. Ein rotes Sparschwein wünschte er sich schon seit einem Jahr, ebenso einen Pferdekalender.  Die 3-D-Löwenkarte hat er sich traditionsgemäß schon vor Wochen in Spanien selbst ausgesucht. 

 

2. September 2016

Kindergeburtstag!

 

2. September 2016

Naturwildpark Freisen - das Ausflugsziel für den Kindergeburtstag stand für Henri schon lange fest.

 

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