Henri und der Herzschrittmacher - ein Tagebuch

31. Juli 2014

Seit 2 Wochen ist es amtlich: Henri braucht einen Herzschrittmacher. Auch wenn die Bradykadien schon schon länger - man darf kann schon sagen Jahre - bekannt waren, konnte mit einem Schrittmacher bisher zugewartet werden. Denn Henri kam in der Vergangenheit mit seiner niedrigen Herzfrequenz ganz gut zurecht- mehrere Langzeit-EKGs bestätigten diesen Eindruck. Gewöhnlich  liegt seine Herzfrequenz in der Nacht nur bei knapp über 40 und fällt des Öfteren auch ab bis zu einem Wert von um 30. Sie steigt jedoch schnell und ohne Intervention von außen wieder an und wurde daher nie als kritisch gesehen. 

Vor fast genau einem Jahr sackte Henri, als ich ihn im Autokindersitz anschnallen wollte, plötzlich bewusstlos in sich zusammen und krampfte kurz. Das Ganze dauerte vielleicht gerade einmal 20-30 Sekunden und dennoch versetzte es der ganzen Familie einen riesigen Schrecken. Weil das direkt im Anschluss in der Kinderklinik durchgeführte EEG sowie auch alle weiteren Untersuchungen unauffällig waren, durften wir Henri mit nach Hause nehmen. Der Vorfall war fast schon in Vergessenheit geraten als mich am 18. Juli ein Anruf von Henris Integrationshelferin (wieder einmal) in den Ausnahmezustand versetzte. Wer mag, kann hier nachlesen.

Nun besteht die Vermutung, dass Henris Herzfrequenz beide Male für kurze Zeit so stark abgesackt ist, dass er bewusstlos wurde und die anschließenden Anfälle aus der vorübergehenden Sauerstoffunterversorgung resultierten. 

Seit heute sind wir wieder auf der Station, die früher mal so etwas wie ein zweites Zuhause für uns war ... ich übertreibe nicht, denn Henri war in seinen ersten beiden Lebensjahren tatsächlich mehr in der Klinik als bei uns zu Hause - wenn auch immer in Begleitung von Mama, Papa, Oma, Opa, Good und anderen lieben Menschen, die uns in dieser Zeit so sehr unterstützt haben und mithalfen, das Familiensystem einigermaßen am Laufen zu halten.

Heute Morgen hatten wir die erste Untersuchung, die zeigen sollte, über welchen Weg die Schrittmacherelektroden am besten zum Herz geführt werden können. Dass dabei auch die Option einer OP mit Brustkorböffnung im Raum stand, war uns bis kurz vor dem Eingriff nicht bewusst ... worüber ich jedoch nicht traurig war... manchmal kann es vielleicht auch gut sein, nicht alle Eventualitäten bis ins Detail zu kennen... Bis vor zwei Wochen hatte ich nicht einmal Grundwissen über Herzschrittmacher und dachte, die Ärzte würden sich - vereinfacht ausgedrückt - mit Hilfe der Kontrasmittelinjektion einfach die beste Vene aussuchen... Haben sie dann heute auch .... Der Brustkorb muss nicht geöffnet werden ... Henri bekommt den Schrittmacher also auf "normalem Wege" ... einmal kein Sonderfall ... :-)

Um das Kontrastmittel im Herzkatheterlabor zu injizieren, brauchte es dieses Mal gleich zwei Zugänge, einen rechts einen links. Für die, die Henri nicht so gut kennen, sollte angemerkt werden, dass schon beim ganz gewöhnlichen, - einfachen - Legen eines Zugangs mittlerweile 5 HelferInnen nötig sind. Auch heute waren alle guten Gespräche und Vereinbarungen vergessen, als es ernst wurde ... Nichts half, wir konnten Henri kaum bändigen ... schließlich bekam er ein paar Tröpfchen Dormicum in die Nase ... und wurde zum Lamm... na ja, fast...  

Die anschließende Kontrastmittelinjektion bei gleichzeitiger Bildgebung verliefen reibungslos und der Nachmittag war für uns richtig harmonisch. Der Begriff mag vielleicht etwas befremden... Wenn man sich jedoch vorstellt, was im Sinne verschiedener worst-case-Szenarien hätte alles passieren können, ist eine gewisse Entspannung vielleicht nachvollziehbar.

Morgen früh steht nun das MRT des Kopfes an. Die Untersuchung wird etwa 45 Minuten dauern und erfordert eine Sedierung. Im Aufklärungsgespräch habe ich erfahren, welche Informationen ein Kernspin liefern kann... nicht nur hinsichtlich einer abzuklärenden neurologischen Ursache für die kleinen Anfälle... Morgen wissen wir hoffentlich mehr... 

 

Soo zufrieden nach ausgiebigem Abendessen und Schokopudding als Dessert :-)

2. August 2014

Das gestrige MRT des Kopfes ist gut verlaufen. Noch haben wir keine abschließende Bewertung - es soll jedoch (fast) alles unaufffällig sein. "Fast", weil das MRT etwas bestätigte, was schon vor mittlerweile 12,5 Jahren im pränatalen Feinultraschall in der Frauenklinik aufgefallen war ... das Phänomen, mit dem der diagnostische Wahn seinen Anfang genommen hatte. Henris Seitenventrikel im Gehirn sind erweitert, er hat mehr Gehirnwasser als üblich.  Hier kann man sich ein Bild machen, wie Pränataldiagnostik aussehen kann, wenn der Gynäkologe trotz eines heute buchbaren Rundum-sorglos-Pakets schlechte Nachrichten hat. Der Begriff ist übrigens nicht erfunden oder ironisch gemeint - die jüngeren Mütter kennen ihn sicher alle. Ich selbst habe von diesem besonderen Paket erst kürzlich in einer Frauenrunde gehört und mich gewundert, wie potentielle Mütter wie selbstverständlich davon ausgehen, dass man sich Sorglosigkeit für ein paar Hundert Euro kaufen kann. 

Henri hat also schon immer zu viel Gehirnwasser ... was zwar ungewöhnlich, jedoch offenbar nicht bedrohlich ist. Handlungsbedarf wäre gegeben, wenn dadurch Druck auf das Gehirn entstünde - dem ist Gott sein Dank nicht so ... Ist doch eine gute Nachricht... :-)

Gestern hatte ich das Aufklärungsgespräch bezüglich der Schrittmacher-Implantation und kann nun auch mit ein paar Details dienen. Der Schrittmacher wird tatsächlich über die Vene eingeführt - der Thorax muss nicht geöffnet werden... wieder eine gute Nachricht ... :-) Es gibt ganz unterschiedliche Arten von Schrittmachern, die je nach Anwendungsbereich eingesetzt werden. Da Henri den Schrittmacher "nur" wegen der bekannten Bradykardien bzw. kurzen Aussetzer braucht und das Gerät weder als ständiger Taktgeber noch als Unterstützung der Pumpleistung dienen muss, ist es weniger komplex auch kleiner als andere bei anderen Herzerkrankungen eingesetzte HSM. Die Elektrode wird im rechten Ventrikel sitzen und immer dann einen Impuls setzen, wenn Henris Herzfrequenz unter einen individuell einstellbarenWert fällt - er wird  bei einer Frequenz von schätzungsweise 40 zum Einsatz kommen. Der Draht bleibt in der Regel lebenslang in der Vene, der Schrittmacher selbst soll bis zum ersten Batteriewechsel eine Haltbarkeit von ca. 8-10 Jahren haben. 

 

Wenn ich mit Henri vor der Klinik sitze oder im Gelände unterwegs bin, laufen mir mehr als sonst irgendwo Menschen über den Weg, die ich schon Jahre nicht gesehen habe. Im heutigen Fall waren es gar Jahrzehnte und ich hätte mich mich viel mehr gefreut, eine ganz, ganz alte Bekannte zu sehen, wenn sie mich nicht - wie die Frau vor einer Woche - mit dieser unseligen "Alles-gut-Frage" konfrontiert hätte. Ich hatte Henri, deutlich sichtbar mit gleich zwei Zugängen ausgestattet - an der Hand und sie fragte mich als erstes, ob wir ein bisschen spazieren gingen :-). Ja, sagte ich im unbeschwertesten Ton, der mir aktuell möglich ist ..  und dann kam sie wieder, die Frage, die mich heutzutage nicht mehr aus der Bahn wirft ... "Und sonst ist alles gut bei euch?" Das habe ich bestätigt und wir haben uns gegenseitig noch einen schönen Tag gewünscht... 

Vielleicht sahen wir ja auch wirklich besonders gut aus... denn kurz zuvor waren wir tatsächlich mit Oma und Opa auf dem Gelände spazieren gegangen :-)

 

Amelie hatte gleich zu Beginn unseres Spazierganges auf dem Waldboden einen "Schminkstein" entdeckt, ihn mit viel Mühe ausgegraben und sich damit einen sonnenbraunen Teint gezaubert.

Henri dagegen ist wie immer mit seiner Fahne wunschlos glücklich. Nur als Amelie ein paar Späßchen mit Oma und Opa machte, ließ auch er sich etwas Besonderes einfallen ... und  zeigte, wie gut er auf einem Bein stehen kann.

Frisches Obst oder gar Beeren sind so gar nicht nach Henris Geschmack... selbst dann nicht, wenn sie einem in den Mund fallen... da füttert er doch lieber selbst und freut sich diebisch, als die kleine Eichel genau in Opas Mund landet :-) Auf dem Rückweg hält Amelie wieder bei einer der beiden Zwergenhöhlen an. Sie entdeckt hinter dem Eingang noch ein zweites Zimmer und schimpft mit dem Opa, der die Zwerglein mit seiner Stimme vermutlich erschreckt hat. Ich würde gerne noch mehr über die Zwerge und die Zwergenkönigin schreiben  - es sind soo rührende Geschichten, die uns Amelie immer erzählt -  aber mir fallen die Augen zu ... es ist ja auch schon gleich Mitternacht. 

3. August 2014 - morgen früh um 8.00 Uhr beginnt die Operation

Seit heute ist Henri alleine im Zimmer, die beiden anderen Jungs wurden entlassen. Der Fernseher blieb den ganzen Tag aus und es gab auch keine "Einschlaf-CDs". :-))) Diese CDs haben den Zweck, ein Kind zum  Schlafen zu bringen, zumindest ist dies die erklärte Absicht der Eltern, die davon Gebrauch machen ... wenn aber das Kind stattdessen wach bleibt oder vielleicht sogar unruhig wird (wie Henri die letzten Tage), kann es wohl nur daran liegen, dass die CD nicht lange genug gelaufen ist... also wird sie wiederholt, zwei- oder auch dreimal  :-(((

Heute war alles anders: Nach dem Abendbrot wollte Henri schlafen ... und durfte :-) Nun schläft er ganz ruhig in seinem Bett, überreich gesegnet mit einem wunderbaren Vertrauen in Gott, die Engel und alle, die um ihn sind. 

 

Die Operation wird bereits um 8.00 h beginnen - Gebete, gute Gedanken (und natürlich auch Daumendrücken ;-) sind herzlich willkommen.

4. August 2014 - Die Operation ist gut verlaufen!

Die letzten Tage waren so dicht ... so viele Aufs und Abs ... Himmel und Hölle... Die Stunde vor der heutigen Operation war alles andere als von Ruhe und Zuversicht geprägt. Henri schrie und tobte, er wolle nicht in den Krankenwagen ... Die Sanitäter warteten schon mit der Trage, aber Henri war nicht zu bewegen, sein Bett zu verlassen. Kurz bevor ich die Schwestern um ein Beruhigungsmittel bitten wollte, gab er auf... Glücklich sind diejenigen, die diesen massiven Protest nicht als ungutes Zeichen werten ... Im OP-Vorraum angekommen, wurde dann das Propofol eingeleitet und Henri war innerhalb weniger Minuten im Tiefschlaf. "Sie könen sich jetzt verabschieden" ... wie oft habe ich diesen Satz schon gehört und es ist immer dasselbe... ich verabschiede mich und dann noch einmal und am Ausgang drehe ich mich nochmals um ... Die Zeit des Wartens ist nervenaufreibend und nur schwer auszuhalten... ein wenig hilft das Bewusstsein, dass ich es sicher auch dieses Mal wieder aushalten werde ... was auch sonst...

Nach knapp 2 Stunden war es dann soweit ... völlig normal klingende Stimmen drangen nach außen und dann wurden wir auch schon hereingerufen... die OP sei problemlos gelaufen, keine Atemaussetzer ... offenbar nichts von alledem, was man sich an auf diesen Aufklärungsbögen beschriebenen Risiken bildhaft vorstellt oder es einfach lässt und den Bogen nur mit Unterschrift versehen abgibt.

Auf Station angekommen, wachte Henri langsam auf und tobte und schrie... noch mehr als am Morgen. Es war ihm deutlich anzumerken, dass er sich zwischen zwei Welten bewegte und es blieb uns nichts, als ihn im Arm zu halten, leise mit ihm zu reden, auch ein paar leise Lieder zu singen und abzuwarten... Nach einer guten halben Stunde war der Spuk vorbei... Henri war wach und erst einmal gut gelaunt... Erleichterung allerorten :-) Dann aber wollte er nach seinem Hasen greifen und hatte wohl genau die Schmerzen, die uns die Ärzte schon im Vorfeld beschrieben hatten. Er fing an zu weinen und zu jammern und war untröstlich: "Ich kann Hase und Fahne nicht heben" schluchzte er... die Fahne hatte er noch nicht in der Hand, aber die Vorstellung allein war schon Drama genug ... für Henri gäbe wohl kaum etwas Schlimmeres, als wenn man ihm seine Fahne wegnähme. 

Er bekam dann ein Schmerzmittel, was schnell seinen Zweck erfüllte. Nun konzentrierte er sich ganz auf seine Verbände, Kabel und den Zugang... WANN raus? Spätestens alle halbe Stunde wollte er wissen, wann die Infusion rauskommt. Beim Antworten auf solcherlei Fragen kommt es weniger auf die reine Information an als vielmehr auf die Art, wie man sie übermittelt ... wenn ich es gut mache, antwortet er mit einem begeisterten "JAAA!" Ist die Antwort nicht überzeugend, kommt auch mal ein "Sch ....krankenhaus... mag nicht Krankenhaus!" Nach dem Abendbrot durfte er er wieder eine Folge Michel sehen ... es ist eine Freude, ihm dabei zuzusehen, wie er immer wieder voller Aufregung verfolgt, wie Michel vor seinem Vater flüchtet :-)

Seit 20.00 Uhr schläft er... ganz ruhig ... und auch ich werde heute hoffentlich die ruhigste Nacht seit Wochen haben.

Der sachlich-informative Teil zum Schrittmacher ist für morgen vorgesehen.

 

Liebe Menschen haben uns in den letzten Wochen und Tage auf vielfältige Weise begleitet. Sie haben mir den Rücken gestärkt, wenn ich das Gefühl hatte, dass die Belastung einmal wieder unerträglich ist und - genauso wertvoll! - sich mit uns gefreut, asls wir unseren Henri heute wieder wohlbehalten in unsere Arme schließen konnten. Euch allen ein ganz herzliches Dankeschön!

Auf diesem Foto hat Henri das Durchgangssyndrom gerade überwunden. Er fordert mich auf, mit dem Handy ein Foto zu machen und es dann Oma zu schicken. Seine Nachricht: "Henri bald gesund!" 

5. August 2014

Heute früh klingelte um 7.15 Uhr das Handy - die Schwester sagte, Henri sei schon lange wach und frage nach mir. Dass ich in der Elternwohnung angerufen werde, ist sehr ungewöhnlich, denn normalerweise nutzt Henri die Zeit, bevor ich komme, für Plaudereien und Scherze mit den Schwestern. Heute saß ein trauriger Henri im Bett, der mich nicht wie sonst anstrahlte. Er hatte in der Nacht zweimal gebrochen und danach sogar die "Wichtig-Klingel" gedrückt, um den diensthabenden Pfleger zu sich zu rufen. Die "Wichtig-Klingel" ist der Schwesternruf, der immer gut erreichbar in Henris Bett liegt und deren Funktion ich ihm schon bei unserer letzten Notfallaufnahme erklärt hatte. Dass er sie nur aus wichtigem Grund drücken darf ... nicht zum Spaß ... Henri hat dabei so spitzbübisch gelacht, dass ich eigentlich damit gerechnet hatte, dass er ganz bald ausprobieren wird, wie lange es dauert, bis die Schwester nach Betätigung des roten Knopfs neben seinem Bett steht. Er hatte mich offenbar ganz genau verstanden, denn er hat sie bis zur letzten Nacht kein einziges Mal gedrückt ...  Noch mehr hat mich aber beeindruckt, dass er sich in diesem  - wichtigen -  Fall offenbar schnell zu helfen wusste ... er drückte die "Wichtig-Klingel" :-)

Die Bauchschmerzen und das Erbrechen kamen von einem Schmerzmittel, bei dem Übelkeit als mögliche Nebenwirkung bekannt ist. Nachdem es aus der Infusion herausgenommen war, fühlte sich Henri auch wieder etwas besser. Im Laufe des Vormittags sagte er mit zufriedenem Gesicht, dass sein Kopf jetzt nicht mehr "wackelt" (??? ;-) , was er mir dann auch ganz anschaulich mit den Händchen am Kopf demonstrierte. Erst als mir der Kardiologe später erklärte, dass das Mittel nicht nur Übelkeit, sondern auch Schwindel verursachen kann, begriff ich, was Henri mit " Der Kopf wackelt nicht mehr." gemeint hatte... der arme Schatz!

Nun war ihm zwar nicht mehr schlecht - der Kopf (und die Beine, wie er später ergänzte :-) wackelten nicht mehr, aber er wurde unleidlich und sprach nur noch von zu Hause ... von den Tieren, der Kugelbahn ... "Ich freue mich schon" sagte er immer wieder (seit Neuestem beginnt er, ganze Sätze zu sprechen!!! :-) Alle paar Minuten, manchmal jede Minute stellte er mir die immer gleichen Fragen: Wann Verband ab? Wann Infusion ab? Wann nach Hause? Dauert lang? Und immer wieder habe ich sie mit "bald" und "dauert nicht lange" beantwortet ... was ihm nicht genügte, denn er sprach jeden, der ins Zimmer kam, mit diesen Fragen an - manchmal eingeleitet mit einem "Kurze Frage: ..."

Er hat mir heute so leid getan, der kleine tapfere Kämpfer. Ob er sich fragt, warum gerade er so oft ins Krankenhaus muss, warum er immer wieder operiert wird, warum nur er und nicht die anderen Kinder, die er kennt? Ich glaube, er stellt sich solche Fragen nicht ... in dieser Hinsicht hat er den meisten anderen Kindern seines Alters etwas voraus. Er lässt geschehen und erduldet, was doch nicht zu ändern ist. 

Eigentlich war für heute die erste Schrittmacherkontrolle vorgesehen, aber gerade als der Arzt am Nachmittag mit seinen Messgeräten auf Station kam, war Henri eingeschlafen und wurde dankenswerterweise nicht geweckt ... zwei Stunden lang holte er den fehlenden Schlaf der letzen Nacht nach. Die Kontrolle ist nun auf morgen verschoben; die kurze Wegstrecke zu dem Institut darf Henri zu Fuß gehen. Das Beste dabei: Der Zugang wird morgen früh entfernt, er kann sich endlich wieder frei bewegen, ohne den rollenden Infusionsständer an seiner Seite. Es wird ab morgen also eine Frage weniger geben ;-)

 

 

6. August : Keine Fragen mehr, die Welt ist wieder in Ordnung...

... für Henri. All seine Fragen von gestern waren heute Morgen auf einen Schlag beantwortet, denn er wurde entlassen - war das eine Freude ... Henri wusste kaum, wohin damit... Als wir noch auf das abschließende Herzecho warteten, lief er auf Station auf und ab, ließ sein Pferdchen unter lautem Gesang vor dem Schwesternzimmer herumspringen ... immer wieder begann er laut zu lachen. Beim letzten Mittagsessen in der Klinik strahlte er wie ein kleiner Schneekönig und sagte zu einer anderen Mama ganz langsam und deutlich. "Ich kann Gemüse essen!" Die letzten Tage war es mir gelungen, ihn jeden Tag mit genau 8 Gabeln Gemüse zu füttern. Diese Zahl ergab sich aus unserem Kompromiss: Eigentlich wollte ich, dass er 12 (er wird in 3 Wochen 12 Jahre alt) isst, er dagegen schlug 5 vor ... erhöhte dann zunächst auf 6 ... und kam mir dann, als ich im Gegenzug auf 15 erhöht hatte, auf 8 entgegen... ;-) Weil mir in den letzten Tagen aufgefallen war, dass er sich ganz und gar nicht ekelte, fiel es mir leicht, jeden Tag auf 8 Gabeln zu bestehen ... allerdings aß er das Gemüse nur, wenn er gefüttert wurde. Und heute dann die Wende: "Ich kann Gemüse essen!"... sprach's und aß ganz allein :-)

Die erste Herzschrittmacherkontrolle war soweit in Ordnung - das Gerät gibt immer dann einen Stimulationsimpuls, wenn Henris eigene Herzfrequenz unter 45 fällt. Das ist in der Regel nur nachts der Fall, kommt vermutlich aber auch tagsüber vor. Dafür sprechen die beiden Ohnmachtsanfälle, die laut mittlerweile ausgewertetem MRT vermutlich keine neurologischen Ursachen haben. Die nächste Kontrolle findet in 8 Tagen statt - wenn alles in Ordnung ist, fahren wir wenige Stunden später in Urlaub... nach den Ereignissen der letzten drei Wochen kann ich es noch kaum fassen. 

Der Abschied von Station fiel Henri nicht schwer, fast überschwenglich verabschiedete er sich von den Schwestern ... von seiner Anna mit etwas Wehmut. Er hat sie richtig ins Herz geschlossen und umarmte sie immer wieder ... es fiel ihm richtig schwer, sich von ihr zu trennen. Auch auf dem Nachhauseweg sprach er noch von ihr: "Schade... Anna."  

Zu Hause angekommen nahm er sich seine Fahne und stellte sich auf "seinen Platz" auf der Wiese der Nachbarn ... sein Glück war ihm anzusehen. Nach einer Stunde kam er, jedoch nur, um sich seine Jacke überzuziehen. Es war nicht kalt, aber er deutete auf den Himmel "Regen kommt bald." Er behielt recht - eine halbe Stunde später begann es zu regnen. Er zog die Kapuze über und hielt seine Fahne weiter in den Wind. Erst als der Regen stärker wurde, stellte er sich unter ... bei den Nachbarn und daher vemeintlich vor dem Zugriff der Mutter geschützt. ;-)  

Erste Schrittmacherkontrolle - Gemüse-Glück - Abschied von K 03

Henri und die Fahne: Kein Bild kann Henri und seine Welt besser beschreiben.