Zirkumzision

Ich nenne es so, weil meine mit dem deutschen Begriff verknüpften Assoziationen nicht so positiv besetzt sind. Bei Henri ist es eine  medizinische und auch pflegetechnische Indikation.

Seit heute Morgen sind wir auf "unserer"  kinderkardiologischen Station, von wo aus er morgen früh für die Operation  abgeholt wird. Sie soll nicht lange dauern - nach einer halben Stunde sollte sie abgeschlossen sein ... die Risiken der OP selbst sind gering. Auch das Narkoserisiko ist sicher vertretbar und dennoch fällt es mir immer wieder unendlich schwer, mich darauf einzulassen, zu vertrauen. Schon seit Wochen geht es auf und ab... gerade mal wieder steil nach unten, weil im Bett neben Henri eine Lalelu-Spieluhr klingt, die das Schlaflied in der gleichen Tonlage und auch im gleichen Tempo wie Henris Hasi spielt.

Ich sitze hier in dem gleichen Zimmer, in dem Henri schon vor 14 Jahren sein "erstes" Bett hatte... schwer krank... alles ungewiss ... mit Hasi und Lalelu. 

Jetzt sieht er - mittlerweile ein Jugendlicher - sich im Bett hinter mir eine Pippi-DVD (zurzeit beliebter als Michel ;-) an, auf dem Schoß den Hasi und dazu das Lalelu des Nachbarskindes... 

Beim Legen des Zugangs war Henri tapfer wie nie. Schon seit Tagen habe ich ihm immer wieder das Versprechen abgerungen, dass er nicht schreit und vor allem nicht festgehalten werden muss. Wir hatten schon häufig Aufnahmen, wo wir ihn beim Zuganglegen zu viert auf der Liege festhalten mussten, teilweise halb auf ihm liegend, weil er so voller Angst und kaum zu bändigen war. Es hat mir wehgetan, dem kleinen Kerl regelrecht Gewalt anzutun. Ich hatte immer Angst, er könnte mich als Verbündete derer, die ihm so wehtun, erleben und sein Vertrauen verlieren. Ich hätte hinausgehen können und die Ärzte und Schwestern machen lassen, aber das habe ich nie übers Herz gebracht. Ich habe ihn immer festgehalten und "Hänschen klein, gesungen, alle Strophen, immer wieder.

Heute hat er es uns und natürlich auch sich selbst richtig leicht gemacht und ich habe einmal wieder großen Respekt vor diesem tapferen und vertrauensvollen Kind.

Nachdem die Situation, die Henri am allermeisten gefürchtet hatte, überstanden war, konnte er sich auf die nächsten Schritte gut einlassen. Nichts tat mehr weh, die Aufklärungsgespräche und die Warterei waren ihm lästig, aber (zumindest für ihn) nicht belastend. Danach waren wir stundenlang draußen und haben die Frühlingssonne genossen - Frühling! ... schön! ... wie oft habe ich das heute Nachmittag von ihm gehört! Er hatte eine ganz entspannende Zeit mit seiner Fahne (ich durfte ausnahmsweise ganz nah dran sein) und als dann noch die Oma sein Leibgericht vorbeibrachte, war alles gut. Und jetzt ist er schon wieder am Genießen - so viele Pippi-Folgen hintereinander gab es zu Hause noch nie ;-)

Natürlich habe ich ihn darauf vorbereitet, dass es morgen nach der OP erst einmal wehtut. Dass er einen Verband bekommt, der etwa drei Tage lang dran bleibt. Dass er in den ersten Tagen nicht so gut laufen kann, es aber mit jedem Tag besser wird.  Dass dafür aber der Zugang am Arm wieder entfernt wird  - was ihn aufgebaut hat, denn der Verband stört ihn sehr. Er fühlt sich dadurch so sehr beeinträchtigt, dass er beim Treppensteigen keinen Wechselschritt macht und beim Gehen manchmal sogar das eine Bein nachzieht;-)  

Nun ist die Folge zu Ende und wir haben das Abendgebet gesprochen ... dabei sind ihm die Augen zugefallen...  und ich hoffe, er findet gut in den Schlaf - ganz still liegt er da ... voller Vertrauen. 

Mein Eintrag kommt spät - aber vielleicht kann die eine oder andere morgen früh trotzdem an unseren Goldschatz denken. Die OP ist für etwa 9.30 Uhr angesetzt.

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Steffi (Freitag, 24 März 2017 18:16)

    Viel Glück, Henry! :)