Ihr lieben Begleiterinnen und Begleiter,
dass es mit dem Abschluss des OP-Tagebuchs (hier geht zum vollständigen Tagebuch) so lange gedauert hat, lag nicht etwa daran, dass es kritische Momente oder kleine Rückschläge gegeben hätte – ganz im Gegenteil. Henris Genesung schreitet in großen Schritten voran und wenn man ihm beim Fahnenstehen oder Wandern zusieht, würde man wohl kaum annehmen, dass die große Wirbelsäulen-Operation gerade mal sechs Wochen her ist.
Henri wurde wie erhofft am 25. Januar – dem 10. postoperativen Tag – aus der Kinderklinik Lübeck entlassen. Es ging ihm ziemlich gut und die Opioide waren zu diesem Zeitpunkt bereits abgesetzt. Als Schmerzmittel hatte er bei Entlassung nur noch Novalgin und Paracetamol nach Bedarf. Wir hatten uns vorgenommen, es von Henris Befinden abhängig zu machen, ob wir die gut 700 km von Lübeck nach Hause in einem Stück zurücklegen oder eine Übernachtungspause machen. Nach ein paar Stunden Fahrt stellten sich leider die vertrauten Schmerzen ein: Wie schon in den ersten Tagen nach OP wurde Henri erst still und begann dann, die Beine gegeneinander zu schlagen. Es hat eine Weile gedauert, bis er zugegeben hat, dass ihm der Rücken weh tut – so kamen wir mit dem Schmerzmittel relativ spät. Wir fanden schnell eine Unterkunft und Henri ist bald eingeschlafen. Am nächsten Morgen waren die Schmerzen zurück – die gleiche Symptomatik und ich machte mir schon ein bisschen Sorgen, denn in den letzten Tagen in der Klinik war Henri fast schmerzfrei. Der Tag der Heimfahrt war jedoch das letzte Mal, dass Henri stärkere Schmerzen hatte, es wurde von Tag zu Tag besser und bald brauchte er nicht mehr als eine Schmerzmittelgabe pro Tag. Bereits drei Wochen nach OP war er schmerzfrei und mobil.
25. Januar 2019 - der Tag der Entlassung
Am Morgen packt Henri noch das liebevoll zusammengestellte Paket von Henris ehemaliger Lehrerin an der Montessorischule aus. Am Nachmittag bekommen wir dann die Papiere und machen uns auf den Weg. Wie gerade er die Stufen hinuntergeht!
Als hätte es ihm jemand gezeigt, geht Henri, seit wir zu Hause sind, in korrekter Haltung in die Knie und auch das Schuhebinden macht er genauso, wie eine andere Patientin in ihrem Video demonstriert. Er fragt jetzt auch nicht mehr Wann kommt Knochen raus? Diese Frage stellte er in Lübeck öfter, nachdem zwar die Schmerzen weniger geworden waren, der Rücken sich aber noch fremd anfühlte. Offenbar hat Henri sein Körperschema bereits „aktualisiert“ und die neue Wirbelsäule mit ihrer deutlich eingeschränkten Beweglichkeit ist integriert.
Henri hatte sechs Wochen Schulverbot, am kommenden Mittwoch ist sein erster Schultag. Noch mindestens ein halbes Jahr darf er nicht am Schulsport teilnehmen, genauso lange muss er auch beim Schwimmtraining pausieren. Die erste Kontrolle wird sechs Monate nach OP in Neustadt sein und wir hoffen sehr, dass die Heilung bis dahin weiterhin erwartungsgemäß voranschreitet. Henri will bei der Gelegenheit auf jeden Fall fragen, wann er wieder Trampolin springen darf;-).
Nachdem nun alles gut überstanden ist, ist es mir ein großes Bedürfnis auch an dieser Stelle noch einmal Danke! zu sagen.
Dem Operateur, Professor Henry Halm, Chefarzt der Schön Klinik Neustadt/Holstein, der uns bereits bei unserem ersten Termin mit Fachkompetenz und Zuversicht ermutigt hat, die Entscheidung für die Operation zu treffen. Dirk und ich hatten beide spontan das Gefühl, wenn Henri operiert wird, dann von ihm. Wegen Henris komplexem Herzfehler waren die Ausgangsvoraussetzungen anders als bei Patienten ohne Vorerkrankung und uns war im Vorfeld der konkreten OP-Planung schnell deutlich geworden, dass die Operation von in Frage kommenden Operateuren als eher problematisch und risikoreich eingeschätzt wurde. Ein erfahrener Kinderchirurg sagte uns aufgrund des Herzfehlers ab, ohne dass wir Henri vorstellen konnten. Dass Professor Halm bei der ersten Vorstellung im Oktober letzten Jahres dennoch zuversichtlich war, Henri erfolgreich operieren zu können, hat uns Mut gemacht – zumal wir mittlerweile wussten, welch hervorragenden Ruf er als Wirbelsäulen-Chirurg genießt. Der Weg bis zur OP war nicht ganz geradlinig und es mussten einige Hindernisse überwunden werden – jedes war mit neuen Zweifeln und Ängsten verbunden. Es ist nicht selbstverständlich, dass Professor Halm in diesen Wochen stets E-Mail-Kontakt mit uns hielt und dabei Ruhe und Zuversicht ausstrahlte – vor allem mir war dieser Austausch eine große Hilfe. Der größte Dank gebührt ihm jedoch für die erfolgreiche Operation. Unmittelbar nach OP rief er mich auf dem Handy an – Sein OP erfolgreich, alles, wie es sein soll war ein so erlösender Satz, dass mir die richtigen Worte fehlen, zu beschreiben, welche Last in diesem Moment von mir abfiel. Seine positive Einschätzung wurde in den nächsten Tagen bestätigt: Die Heilung verlief so gut, wie wohl kaum jemand erwartet hatte.
Auch bei Dr. Platz, Oberarzt der Schön Klinik und ebenfalls Operateur, fühlten wir uns im besten Händen. Für das Aufklärungsgespräch hat er sich sehr viel Zeit genommen, keine Frage blieb unbeantwortet. Wir haben wirklich viel Erfahrung mit Aufklärungsgesprächen – keines war empathischer. Dr. Platz war auch nach der Operation mehrmals vor Ort und sichtlich zufrieden mit dem Heilungsverlauf. Vor- und Nachbetreuung durch Professor Halm und Dr. Platz hätten besser nicht sein können. In der Kinderklinik Lübeck war Professor Jan Gliemroth, Neurochirurg und dritter Operateur unser Ansprechpartner. In seine Zuständigkeit fiel auch das Neuromonitoring und der Aufwachtest, bei dem noch unter OP die Reizweiterleitung im Rückenmark (erfolgreich) getestet worden war. Wie die beiden Operateure aus Neustadt war auch Professor Gliemroth vor und nach OP ein kompetenter und offener Ansprechpartner. Als die Operation am Aufnahmetag plötzlich in Frage stand, weil es seitens der Anästhesie (zunächst) keine Freigabe gab, war er vor Ort der erste, der sich zuversichtlich zeigte und damit auch recht behielt.
21.05.2017 14.01.2019 22.01.2019
Auf dem ersten Foto, das ich bei der Stadtmeisterschaft im Schwimmen gemacht habe, ist der Rundrücken besonders gut zu erkennen. Das Bild in der Mitte habe ich einen Tag vor OP gemacht. Rechts der neue Rücken, 7 Tage nach OP noch mit Schmerzkatheter.
14. Januar 2019 25. Januar 2015
Ein Tag vor und 10 Tage nach OP. Bei dem linken Foto hatte ich Henri gebeten, sich so gerade wie möglich hinzustellen.
14. Januar 2019 und 4. März 2019
Und noch ein vorher-nachher-Vergleich 🙂 - Ob der neue Rücken je Normalität haben wird? Ob einmal der Moment kommen wird, in dem ich ihn wie selbstverständlich vor mir sehe und keine Dankbarkeit und Freude über die geglückte Operation aufkommt?
24.10.2018 23.01.2019
Ergänzend zu den Röntgenfotos hier noch das OP-Ergebnis in Zahlen
Cobb-Winkel vor und nach Versteifung:
Hyperkyphose (Rundrücken): 92 ° vor Versteifung - 39 °nach Versteifung
Hyperlordose (Hohlkreuz): 104 ° vor Versteifung - 47 ° nach Versteifung
Auch an dieser Stelle danken wir noch einmal dem Pflegepersonal der Kinderklinik Lübeck. Wir wussten Henri in allerbesten Händen – die Behandlung und Betreuung war vorbildlich. Ganz besonders möchte ich die Schwestern und ÄrztInnen der Kinderintensivstation erwähnen, die wirklich alles taten, Henri die erste schwere Zeit nach OP so erträglich und angenehm wie möglich zu machen - sei es das beherzte Entfernen des Blasenkatheters oder gemeinsames Singen von Kanons, die Henri aus der Horizontalen dirigieren durfte und vieles mehr... Danke, liebe Charlotte, liebe Birte, liebe Merle und den anderen Schwestern und Ärzten – besser geht nicht.
Während wir mit Henri in der Klinik waren, haben mein Bruder Wolfgang und seine Frau Christine Amelie ein zweites Zuhause gegeben. Amelie war (nebst Juri) gut in die Familie von Cousine und Cousin integriert – das Zusammenleben dort war fast Alltag für sie. Wie gewohnt, war auch die liebe Oma in dieser Ausnahmesituation immer für sie da und Amelie sparte nicht mit Lob, dass die Oma sooo lieb ist. Über WhatsApp waren wir alle in ständigem Kontakt - es war und ist berührend, einen solchen Zusammenhalt zu spüren. Danke für eure großartige Unterstützung!
Und nun komme ich noch zu den Followern und Daumendrückern … und danke allen, die Henri und uns still mit Gebeten und guten Gedanken begleitet haben. Danke auch allen, die meine Blogeinträge kommentiert, uns beigestanden und Mut gemacht haben. Meinen beiden treuen Internetfreundinnen;-) für die nächtlichen Nachrichten und gute-Gedanken-Pakete ;-) und das Angebot, sie jederzeit anrufen zu dürfen. Wer nie in einer solchen Situation war, ahnt vermutlich nicht, wie gut es tut, das Kind in einer solchen Situation so liebevoll begleitet zu wissen. In den Stunden der Operation haben mir liebe Menschen Fotos von brennenden Kerzen geschickt, sogar ein Bild mit wehenden Fahnen war dabei:-. Jede Nachricht, jeder Kommentar, jedes aufmunternde Wort und genauso auch ein schlichtes Ich bin bei euch. waren mir so wertvoll. Danke von Herzen für eure Begleitung!
31. Januar 2019
Erster Spaziergang - Henri ist erleichtert und auch ein wenig ausgelassen. Wie schön, wieder zu Hause zu sein !
25. und 26. Februar 2019 in Gent, Brügge und an der belgischen Küste
Dieses Foto gehört dazu, es rundet mein Tagebuch ab. Nur wenige Tage, nachdem wir im vergangenen September zum Skoliosecheck in Sankt Augustin waren, sind Dirk und ich für drei Tage nach Belgien gefahren. Als wir gebucht hatten, ahnten wir noch nicht, mit welcher Last wir dort ankommen würden. Es verging keine Stunde, an der ich nicht an die bevorstehende OP mit all ihren Risiken gedacht habe. In Brügge habe ich mir vorgenommen, wiederzukommen, wenn Henri die Operation wohlbehalten überstanden hat. Mein Plan ließ sich tatsächlich umsetzen und wir sind nun mit ganz neuen und lichten Eindrücken zurückgekommen. Danke an den großen Bruder Elias ❤️, der uns diese Tage mit seiner Kinderbetreuung ermöglicht hat!
Kommentar schreiben
TS (Sonntag, 03 März 2019 15:48)
„Everything will be okay in the end - if it‘s not okay, it‘s not the end“
Wie schön, dass alles ein gutes Ende genommen hat. Toll sieht er aus - Henri UND der Rücken :)
VG, Tanja
Katrin Philippi (Sonntag, 03 März 2019 18:25)
Ihr Lieben, es ist so schön dieses Kapitel zu lesen. Und ich verstehe euch wirklich nur zu gut, hatten wir doch auch in den vergangenen 20 Jahren 12 OPs mit allen Höhen und Tiefen. Aber sein Kind dann so zu erleben, wie es aufblüht, ist das schönste Geschenk und macht hoffentlich vielen Mut. Wir freuen uns so sehr mit euch!
henri-mittendrin@Tanja (Sonntag, 03 März 2019 22:11)
Und wenn es nicht gut ist, ist es nicht das das Ende - meine Rede ... auch wenn ich von der Jugend im Hause manchmal dafür belächelt werde ;-).
henri-mittendrin@Katrin (Sonntag, 03 März 2019 22:15)
Liebe Katrin, ich spüre, wie gut du uns verstehst - dabei wusste ich gar nicht, dass Philipp nicht "nur" das Down-Syndrom hat. Ich freue mich schon, wenn wir uns persönlich kennenlernen ☺️.
Monika (Sonntag, 03 März 2019 23:39)
Ich bin sehr froh, nun wieder von Euch zu lesen und zu erfahren, dass alles gut verlaufen ist. Meine Gedanken und Gebete waren oft bei Euch. Alles Gute weiterhin!
henri-mittendrin @ Monika (Sonntag, 03 März 2019 23:42)
Danke, liebe Monika für deine treue Begleitung - ich weiß sie sehr zu schätzen! Herzliche Grüße
Susanne.schallert@web.de (Montag, 04 März 2019 09:41)
Erst mal schön zu lesen,das es henri schon wieder so gut geht.
Leonie wird jetzt am 7.5. In simmerath operiert. Habe schon dolle Angst. Am Mittwoch sind wir erstmal in Sankt Augustin bei unseren kadiologen . Das auch ihr Herz die op verkraftet. Will ich hoffen.
Erstmal danke das ich mich bei dir melden kann werde ich bestimmt die Tage machen. Wenn hier in Kölle der Karneval Stress vor bei ist.
Viele liebe Grüße Susanne und leonie
Henry Halm (Montag, 04 März 2019 16:58)
Liebe Familie Didion-Velten, lieber Henri:
Danke für die lieben Worte. Ich habe sehr gerne geholfen. Liebe Grüße und alles Gute.
Ich habe Ihnen gesagt: " Es wird alles gut !" Wie schön, dass es gestimmt hat und ich Wort halten konnte.
Gundula (Donnerstag, 14 März 2019 12:10)
Ich freue mich so für euch und beim lesen kullern die Tränen. Alles Liebe.