Ein Sonntag auf dem Land

Unser Sonntagsausflug führte uns gestern nach Schönau, einem kleinen Ort im Pfälzer Wald, in dem die Zeit stehen geblieben zu sein scheint. Es sind nicht nur die vielen kleinen alten Häuser, die uns ein Gefühl gaben, in einer anderen zu sein. Alles schien ruhiger, die Menschen entspannter. Zweimal haben wir nach dem Weg gefragt und wurden richtig nett beraten ...  Amelie war ganz begeistert von den " Pfälzern, die soo nett" sind .. sicher trägt zu ihrem Eindruck auch deren leicht singender Ton beim Sprechen bei. Marie fragte gar, ob man von der Heilsbach aus aus ganz normal nach Deutschland telefonieren könne ;-)

Nach unserem Picknick stand der Nachmittag ganz im Zeichen von Wettkämpfen, Kräftemessen und auch kleinen Mutproben... wobei man Henri bei Letzterem stark bremsen musste. Nachdem er es mit Amelies Hilfe endlich auch geschafft hatte, den Heuballen zu erklimmen, bestand er darauf, von dort nach unten zu"fliegen". Ob er bei diesem Wunsch an Pippi gedacht hat? Jedenfalls war es ganz schön schwer, ihn zu überzeugen, dass er allenfalls in unsere Arme fliegen darf... ;-)

Auf der Heimfahrt wurde die Stimmung plötzlich ganz unvermittelt traurig. Im tiefen Pfälzer Wald kamen wir im Gespräch auf einen Fahrradunfall, der schon Jahre zurückliegt. Ein Mountainbiker war im Wald gestürzt und hatte lange auf Hilfe warten müssen. Immer wenn wir in einer bergigen abgelegenen Waldgegend unterwegs sind, kommen wir auf diesen Fahrradfahrer zu sprechen. Und wie immer wollte Amelie ganz genau wissen, was nach dem Unfall mit dem Fahrradfahrer passiert ist. Ich habe ihr geantwortet, dass die Retter ihn ins Krankenhaus, vielleicht sogar erst einmal auf der Intensivstation, gebracht haben; dass er aber bestimmt nach 2 Wochen wieder gesund war und nach Hause durfte. Plötzlich hörte ich auf dem Sitz hinter mir ein Schluchzen, das ich zunächst gar nicht einzuordnen wusste. Henri hatte den Kopf in seinen Kinderssitz gewandt und weil die anderen meinten, eigentlich gäbe es keinen Grund zum Weinen, fragte ich ihn, ob er vielleicht Theater mache. Mit großer Anstrengung, damit wir ihn verstehen, antwortete er laut und in empörtem Ton: "ICH ... BIN... KEIN... SCHAUSPIELER!" Alle, die Henri etwas näher kennen, wissen, wie schwierig es für ihn ist, einen ganzen Satz zu formulieren. Dann fing er laut zu weinen an und schluchzte... "Scheiße Krankenhaus... ich mag nicht Krankenhaus!" Wieder einmal hatte ich Henri unterschätzt und beim Gespräch mit Amelie gar nicht bedacht, dass ich damit Erinnerungen an seinen letzten Krankenhausaufenthalt auslösen könnte. Bis zu seiner letzten Herz-OP ist Henri fast gern in die Klinik gegangen - dies hat sich vor zwei Jahren geändert. Dass der Hasi fast täglich behandelt oder operiert wird und der Infusionsständer jeden Tag zum Einsatz kommt, sind wohl Hinweise auf eine Traumatisierung, die mit der Zeit nicht besser, sondern eher schlimmer werden zu sein scheint. 

Wir hatten noch eine Dreiviertelstunde Fahrt vor uns und als wir zu Hause ankamen, war Henri wieder so fröhlich, dass meine gedrückte Stimmung einer großen Dankbarkeit gewichen ist.

 

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