Beppo der Straßenkehrer

Beppo, der Straßenkehrer

tat seine Arbeit gerne und gründlich. Er wusste, es war eine sehr notwendige Arbeit. Wenn er die Straße kehrte, tat er es langsam, aber stetig; bei jedem Schritt einen Atemzug, und bei jedem Atemzug einen Besenstrich.
Schritt-Atemzug-Besenstrich.
Dazwischen blieb er manchmal ein Weilchen stehen und blickte nachdenklich vor sich hin. Und dann ging er weiter - Schritt-Atemzug-Besenstrich.
"Siehst du, Momo", sagte er eines Abends, "es ist so: Manchmal hat man eine sehr lange Straße vor sich. Man denkt, das kann man niemals schaffen." Er blickte eine Weile schweigend vor sich hin, dann fuhr er fort: "Und dann fängt man an, sich zu eilen. Und man eilt sich immer mehr. Jedesmal, wenn man aufblickt, sieht man, dass es gar nicht weniger wird, was noch vor einem liegt. Und man strengt sich noch mehr an, man kriegt es mit der Angst, und zum Schluss ist man ganz aus der Puste und kann nicht mehr. Und die Straße liegt immer noch vor einem. So darf man es nicht machen." Er dachte einige Zeit nach. Dann sprach er weiter: "Man darf nie an die ganze Straße auf einmal denken, verstehst du? Man muss nur an den nächsten Schritt denken, an den nächsten Atemzug, an den nächsten Besenstrich. Und immer wieder nur an den nächsten." Wieder hielt er inne und überlegte, ehe er hinzufügte: "Dann macht es Freude, das ist wichtig, dann macht man seine Sache gut. Und so soll es sein. Und auf einmal merkt man, daß man Schritt für Schritt die ganze Straße gemacht hat. Man hat gar nicht gemerkt wie, und man ist nicht aus der Puste." Er nickte vor sich hin und sagte abschließend: "Das ist wichtig." 

aus: Momo (Michael Ende) 

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