Wieder mittendrin ... hineingestürzt...

... dort, wo es mir nicht mehr gelingen will, das Unaussprechliche zu verdrängen. 

Henri hatte heute in der Schule einen Krampfanfall - scheinbar aus dem Nichts. Später berichtete mir Ellen, seine Integrationshelferin, wie sich alles zugetragen hatte. Er ist plötzlich vom Stuhl auf den Boden gesackt, legte noch kurz seinen Kopf auf dem Stuhl ab, fiel dann ganz zu Boden und krampfte sich für ca. 10-20 Sekunden in einer Art Embryonalhaltung zusammen. Als er wieder zu sich kam, weinte er, ließ sich aber recht bald beruhigen. Danke, danke, Ihr besonnenen Ersthelferinnen an der Montessori-Schule!  Umgehend haben sie den Notarzt gerufen und mit "Ton" (Henris Bezeichung für das Martinshorn) wurde er in die Kinderklinik auf "seine Station K3 " gebracht. Dort angekommen, war er klinisch wieder ganz unauffällig - das EEG ergab keine Besonderheiten. Erst einmal eine  gute Nachricht ... wahrscheinlich gibt es nicht noch ein neurologisches Problemfeld.

Aber: Bei der Ursachensuche zeichnete sich schon bald eine Erklärung ab, die auch erst einmal verdaut werden muss. Schon seit Jahren sind bei Henri Bradykardien bekannt -  zur Erklärung für alle, die das Glück haben, sich nur selten mit kardiologischem Fachvokabular auseinanersetzen zu müssen: Henris Pulsschlag liegt in der Regel bei etwa 55 Schlägen, nachts regelmäßig um die 40, oft auch darunter. Die Auswertung der letzten Langzeit-EKGs vor ca. einem Jahr zeigte immer mal wieder kleine Aussetzer, von denen er sich aber schnell wieder erholte. Dennoch stand das Thema "Herzschrittmacher" schon seit längerem im Raum. Bezüglich des heutigen Vorfalls vermuten die Kinderkardiolgen, dass Henri aufgrund eines Aussetzers und begünstigt durch das heiße Wetter eine kurzzeitige Sauerstoffunterversorgung hatte, die zunächst den Kreislauf kolabieren ließ und dann einen Krampfanfall auslöste. Vor zwei Jahren hatten wir - ebenfalls im Juli und bei genauso heißem Wetter -  schon einmal eine ähnliche Situation. Henri war während des Anschnallens im Auto zusammengesackt und hatte ebenfalls einige Sekunden gekrampft. Auch damals zeigte das EEG keine Auffälligkeiten.

Wir hätten es Henri nicht gewünscht -  aber wie schon öfter hat man uns auch  hier nicht nach unserem Einverständnis gefragt und so bleibt uns  - einmal wieder - nur hinzunehmen. 

Gäbe es die vielzitierte Fee ... mein größter Wunsch wäre es, meine Unbeschwertheit von früher zurückzubekommen. Nicht mehr diese Gedanken zu haben, die in Gang setzen, was sich (scheinbar?) meiner Kontrolle entzieht.  

Und Henri? Nachdem das Legen des Zugangs wie immer ein Drama war, ist er nun der geduldigste Patient, den man sicher vorstellen kann. Er ist so duldsam und freundlich - kooperativ könnte man es auch nennen. So kooperativ, dass ich oft aus dem Schlucken nicht mehr herauskomme... "Mama krank?" fragte er, als wir ihn zur Nacht verabschiedeten. "Nein, das ist nur ein bisschen Schupfen..."  Nun schläft er, im Arm den Hasi, der heute einmal keine Infusion bekommen konnte. 

Morgen - nach Auswertung des aktuellen Langzeit-EKGs- werden wir hoffentlich mehr wissen: z.B. ob vor Implantierung eines Herzschrittmachers noch ein Schlafentzugs-EEG und eventuell ein MRT gemacht werden oder wir schon ganz bald einen Termin für den Eingriff bekommen. Positiv: Wir wissen Henri in besten Händen und haben Vertrauen, dass eine reflektierte Entscheidung getroffen wird. 

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Kommentare: 2
  • #1

    Gabriela (Samstag, 19 Juli 2014 17:41)

    Irgendwie atme ich nun erst einmal auf. Das Lösen des Schocks braucht wohl seine Zeit. Soll denn diese Op jetzt gleich stattfinden, geht es um Stunden und Tage mit den Vor-abklärungen oder redet man mit euch von Wochen und Monaten? Werden eure Ferien zu einem Abenteuer ins Ungewisse der tiefsten Gefühle – statt in den Süden?
    Ich wünsche dir eine ganze Tüte voller Taschentücher für diesen ganz besonderen Sommerschnupfen und eine ebensogrosse voller Zuversicht und Vertrauen. Hoffentlich sind deine guten Begleiter in der Nähe, welche um deine Traumatas wissen, welche solche Kurven reaktivieren.
    Meine Gedanken bleiben mit euch, von Herzen, Gabriela (die heute Abend dem Mo alles ganz genau erzählen wird.)

  • #2

    henri-mittendrin (Samstag, 19 Juli 2014 23:59)

    Liebe Gabriela, es geht um etwa 2 Wochen - in diesem Zeitrahmen soll die OP stattfinden. Wenn wir zusammen in den Süden aufbrechen, sollte wieder etwas Ruhe eingekehrt sein ... hoffe ich. Es gibt aber noch eine andere (Kurz-)reise, die zu einem emotionalen Abenteuer hätte werden können... darüber werde ich noch berichten.